Michael Krüger auf der lit.Cologne„Da fällt mir eine wunderbare Geschichte ein...“

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Elke Heidenreich und Michael Krüger bei der lit.Cologne.

Elke Heidenreich und Michael Krüger bei der lit.Cologne.

Michael Krüger leitete fast 30 Jahre den Hanser-Verlag und führte mit Elke Heidenreich auf der lit.Cologne ein vergnügliches Gespräch über ihr Leben mit Büchern. 

„Da fällt mir eine wunderbare Geschichte ein...“, das waren Michael Krügers erste Worte an diesem späten Mittwochnachmittag in der Kölner Flora. Und er hätte ganz sicher auch noch einige Stunden mehr äußerst unterhaltsam mit seiner Freundin Elke Heidenreich über die Literatur und das Älterwerden plaudern können. Aber da standen schon Miriam Meckel und Léa Steinacker mit einer lit.Cologne-Veranstaltung über Künstliche Intelligenz auf der Matte.

Mit ihren 80 (Michael Krüger) beziehungsweise 81 (Elke Heidenreich) Jahren können die beiden natürlich aus dem Vollen schöpfen an Lese- und Lebenserfahrung. Michael Krüger war Buchhändler, Literaturkritiker, Lektor und von 1986 bis 2013 Leiter des Hanser-Verlags. Außerdem veröffentlichte er selbst Erzählbände, Romane, Gedichte, Editionen und Übersetzungen. Ein ganzes Leben im Zeichen der Literatur also, über das er in seinem Buch „Verabredung mit Dichtern“ (Suhrkamp) schreibt.

Es geht darin um seine Kindheit in Sachsen-Anhalt, um seine Jugend in Berlin, seine Arbeit in München und seine vielen internationalen literarischen Begegnungen. Michael Krüger kannte und kennt sie alle, die Nobelpreisträger (möglicherweise auch eine der wenigen Nobelpreisträgerinnen) genauso wie die Avantgarde-Lyriker. In Schweden, Israel, Italien, den Niederlanden, Polen, Großbritannien oder den USA. Und mit sehr vielen davon war oder ist er befreundet.

Es war mir immer verdächtig, das Leben so zu leben, dass man darüber dann einen Buch schreiben kann
Michel Krüger

„Du hast wirklich ein Talent ein Freund zu sein und du warst all diesen Dichtern auch ein Freund und hast dich selber als Dichter zurückgenommen“, das weiß Elke Heidenreich aus eigener Erfahrung. „Du hast mal gesagt, Du willst keine Autobiografie schreiben, ich finde, es ist aber doch eine geworden, findest du nicht?“ Ist es nicht, meint Michael Krüger - obwohl es in dem Buch auch um seine Kindheit und Jugend geht, sei es doch weniger ein Buch über ihn sondern über andere: „Die Vorstellung, mich hinzusetzen und so zu tun, als sei ich ein wichtiger Mensch – sowas machen Leute wie Franz Josef Strauß und Helmut Kohl. Es war mir immer verdächtig, das Leben so zu leben, dass man darüber dann einen Buch schreiben kann.“

Aber dann sei er vor einiger Zeit sehr krank gewesen und habe plötzlich das Bedürfnis gehabt, die große Dichtergeneration darzustellen, die er im Laufe seines Lebens kennen gelernt habe.

Diese drei Bücher nimmt Michael Krüger mit in den Himmel

Eigentlich fragt man ja nach den drei Büchern für die einsame Insel – aber Elke Heidenreich wollte wissen, welche Bücher Michael Krüger in den Himmel mitnehmen würde. „Die Tagebücher von Kafka – eines meiner Lieblingsbücher überhaupt“ antwortete der ohne Zögern. Und auch für die anderen beiden musste er nicht lange überlegen. Denn Krüger verbrachte die ersten sechs Lebensjahre bei seinen Großeltern in Sachsen. Und da gab es genau zwei Bücher, die ihn bis heute geprägt haben: Die Bibel, aus der ihm seine Großmutter jeden Abend vorlas. Und ein Pflanzenbestimmungsbuch – ein Standardwerk, das einst ein Urahn von ihm verfasst hatte.

Als Michael Krüger dann eine Passage liest aus „Verabredung mit Dichtern“, ist das mindestens genauso unterhaltsam wie das Gespräch mit Elke Heidenreich. Es geht um Rom, wo er ein Stipendium hatte und dort schnell auch die Bekanntschaft mit italienischen Autoren und Autorinnen machte. Egal ob mündlich oder schriftlich — Michael Krüger ist ein leidenschaftlicher Erzähler: „Da fällt mir eine wunderbare Geschichte ein...“.

Zum Beispiel die, als er Anfang der 1960er in der Abteilung für fremdsprachige Bücher des Londoner Kaufhauses Harrods arbeitete. Und dort Besuch bekam vom Bibliothekar der Queen, der sich deutsche Literatur von ihm empfehlen lies. Am nächsten Tag brachte er dann die meisten davon empört wieder zurück – wegen einschlägiger Stellen. Günter Grass' Novelle „Katz und Maus“ zum Beispiel. „Das kann ich der Queen unmöglich in den Schrank stellen!“

Nach dieser Veranstaltung ist klar: Es gibt noch viel, viel mehr zu erzählen aus Michael Krügers Leben als zwischen zwei Buchdeckel passt. Wenigstens verspricht er: „Wenn ich noch am Leben bleibe, werde ich auch noch einen zweiten Band schreiben – da kommen dann die ganzen deutschen Dichter vor“.


Michael Krüger: „Verabredung mit Dichtern - Erinnerungen und Begegnungen“. Suhrkamp, 447 Seiten, 30 Euro.

"Verabredung mit Dichtern"

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