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Musikfestival „Romanischer Sommer“ eröffnetHier darf sich Monteverdis Musik im Gewölbe der Ursulakirche entfalten

Lesezeit 3 Minuten
Musikerinnen und Musiker stehen im Chor der Ursulakirche

Die beiden Alte-Musik-Ensemble La Capella Ducale und Musica Fiata unter der Leitung von Roland Wilson beim Eröffnungskonzert in der Ursulakirche

Zwei Ensembles beeindruckten bei der Eröffnung des „Romanischer Sommer“-Festivals in der Ursulakirche mit einem Gesamtkunstwerk aus Musik, Raumklang und Architektur.

Fast konnte man auf den Gedanken kommen, auch Claudio Monteverdi sei der Ansicht gewesen, dass es mit dem „Frieden“ nicht so weit her sei: Das Ende des „Dona nobis pacem“ im Agnus dei seiner „Messa per Maria Salute“ von 1631 wird auf einen hohlen Quint/Oktav-Klang platziert – ohne die erfüllende und das Hörerohr recht eigentlich erst befriedigende Terz in der Mitte. Diese Deutung wäre natürlich an den Haaren herbeigezogen – das Werk wurde von der venezianischen Obrigkeit im Sinne einer Bitte um das Ende der herrschenden Pestepidemie bestellt. Diesem Umstand verdankte sich auch die damals erfolgte Grundsteinlegung von Baldassare Longhenas Barockkirche Santa Maria della Salute am Canal Grande – der berühmten Kirche „mit den Ohren“.

Frieden ist Rahmenthema des Romanischen Sommers

Aber selbstredend kann auch niemand an assoziativen Aktualisierungen gehindert werden. Die insofern naheliegen, als wir derzeit in extrem unfriedlichen Zeiten leben. Zugleich ist „Frieden“, durch Musik vermittelt, das Rahmenthema des alljährlich knapp einwöchigen Kölner Romanischen Sommers, den die illustren Alte-Musik-Ensembles La Capella Ducale (vokal) und Musica Fiata (instrumental) unter Roland Wilson jetzt in der Ursulakirche eben mit Monteverdis Musik zur Pestbekämpfung (und besagter Messe im Zentrum) eröffneten. Trotz der sengenden Außenhitze am Sonntag war das Gotteshaus übrigens bis auf den letzten Platz gefüllt – vielleicht aber auch gerade deshalb, denn in Sankt Ursula war es dann doch etliche Grade kühler als sonst in der City.

Wie auch immer: Der Publikumsandrang zeigte wieder einmal, dass sich der Romanische Sommer jedenfalls von der Zuspruchseite her keine Sorgen um seinen Fortbestand machen muss. Tatsächlich ist das Gesamtkunstwerk aus Musik, Raumklang und Architektur als Erlebnis ja auch kaum zu toppen – und in Sankt Ursula bewährte sich jetzt das Konzept der Veranstaltung wieder einmal aufs Schönste. Sicher birgt die Akustik der romanischen Kirchen auch ihre Risiken – alles kann man dort nicht spielen und singen. Kaum bestreitbar aber gelangte die Musik Monteverdis jetzt zu prachtvoller Entfaltung. Wenn die Koloraturen der (solistischen) Soprane jubelnd in das Gewölbe stiegen, konnte dem Hörer schon ganz anders werden.

Gesamtkunstwerk aus Musik, Raumklang und Architektur

Monteverdis Messe und einige Motetten für begleitete Solostimmen sind typischer italienischer Frühbarock: Der Schritt zum instrumentalen Generalbass ist eindeutig vollzogen, zugleich aber zeigt sich der Meister als mit allen Wassern gewaschener Kontrapunktiker. Weil die Reichweite der Modulationen gering ist, mag sich diesbezüglich auf die Dauer Eintönigkeit einstellen. Indes gibt es da immer wieder hochinteressante harmonische Details wie z.B. eine exzessive auf- und absteigende Chromatik. So oder so wechselt textbedingt die Struktur kleinteilig zwischen Imitationen und kompakter Akkordbildung, zwischen unterschiedlichen Metri und Tempi. All das stellt große Anforderungen an die Ausführenden, die es nicht einfach laufen lassen können, sondern die auch ausdrucksmäßigen Ab- und Umbrüche hellwach realisieren müssen.

Wilsons Musiker bekamen das insgesamt großartig hin. Die technische und musikalische Qualität der in unterschiedlichen Besetzungsstärken formierten Vokalsolisten-Crew war superb (von den Koloraturen war bereits die Rede), aber auch die Instrumentalisten liefen zu großer Form auf: Während die Geigen schon das konzertante Brio des späteren Barock pflegten, sorgten die Posaunen (hinsichtlich dieses Instrumentariums hat Wilson, wie zu lesen ist, intensive Quellenforschung betrieben) immer wieder für Pracht und Glanz. Überhaupt herrschte hier selten demutsvolle Zerknirschtheit, das „Pianto della Madonna“ etwa beschwor unbefangen die Opernsphäre. Ein Welttheater, in dem sich Geistliches und Säkulares zwanglos verbinden.


Romanischer Sommer Köln, bis 27. Juni, mit vielen Konzerten in den zwölf romanischen Kirchen der Stadt. Das gesamte Programm steht auf www.romanischer-sommer.de.