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Nachruf auf Organist und Chorleiter Peter NeumannBei ihm konnte man Musik lernen

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2012-06-09 Peter Neumann; Dirigent                           Copyright: Max Grönert

2012-06-09 Peter Neumann; Dirigent Copyright: Max Grönert

Der Kölner Kirchenmusiker, Organist und Chorleiter Peter Neumann ist im Alter von 85 Jahren gestorben.

Traurig waren die letzten Jahre. Auch das noch lange gepflegte Klavierspiel musste er einstellen. Soeben ist der Kölner Kirchenmusiker, Organist und Chorleiter Peter Neumann 85-jährig in einem Pflegeheim in der Kölner Südstadt gestorben – nicht weit entfernt von seiner Wohnung in der Teutoburger Straße, in der er Jahrzehnte lang gelebt hatte.

Von den 1970ern bis in die Nuller Jahre hinein war Neumann ein Zentralgestirn am weitgespannten Himmel der Kölner Chorszene. Wobei die mit seinen Ensembles – der Kartäuserkantorei, dem Kölner Kammerchor und dem Originalklangensemble Collegium Cartusianum – ins Werk gesetzten und auch diskografisch vielfach dokumentierten Interpretationen Maßstäbe weit über Köln hinaus setzten.

Der Karlsruher Pfarrerssohn hatte in Berlin und Paris (dort bei Gaston Litaize und Olivier Messiaen) studiert und war 1967 nach Köln gekommen – als Assistent seines Lehrers Michael Schneider an der Musikhochschule (wo er später selbst als Professor amtierte) und dann als Kantor der Kartäuserkirche. Seine lebenslange Befassung mit Bach fand ihre überfällige Würdigung 2015, als er die Bach-Medaille der Stadt Leipzig erhielt.

Begeisterung für Händel

Die Begeisterung für Händel hingegen, als dessen Deuter sich Neumann seit den 90er Jahren einen internationalen Namen machte, musste sich erst entwickeln. Erst in den 80ern entdeckte Neumann – bei der Befassung mit „Israel in Egypt“ –, welches unerschlossene Theaterpotenzial gerade in den Händelschen Oratorien steckt. Über die Jahre und teils in großen Aufführungszyklen schritt er dann den Kontinent Händel ab.

Noch im Oktober 2019, bei einem seiner letzten öffentlichen Auftritte, stellte er in der Trinitatiskirche mit dem Kammerchor „Judas Maccabaeus“ vor – in einer farbenreichen, durch starke Ausdruckswechsel fesselnden Aufführung, in der gerade die Töne der Trauer und Verzweiflung tief zu rühren vermochten. Der Chor? Fabelhaft in seiner entspannten Konzentration und berückenden Klangschönheit, großartig im Phrasen-Atem und in der plastischen Figurengestaltung.

Sicher stand er dabei unter dem Einfluss von Nikolaus Harnoncourt – neben Sergiu Celibidache Neumanns erklärtes, aber nie unkritisch kopiertes Vorbild. Dramatisch-klangrednerisch ging es auch bei ihm zur Sache, aber die überartikulierende Zerstückelung der melodischen Phrase etwa, wie sie Hardcore-Adepten der Alte-Musik-Szene betrieben – sie war nie Neumanns Sache.

Er mied auch das Odium des Barockspezialisten. Die Gesamtaufnahme der Mozart-Messen, seine Schubert-, Schumann- und Brahms-Einspielungen, die Monteverdi- und Mendelssohn-Aufführungen – all das bewies eine weitgefächerte, dabei durchweg kompetent gehandhabte Agenda. Einen Traum hat sich Neumann nicht erfüllen können: einmal den „Figaro“ zu dirigieren. Immerhin kam es, 2012, noch zum Debüt an Kölns Oper – mit Händels „Alcina“.

Dem Schreiber dieses Nachrufs, der 20 Jahre unter Neumann in der Kartäuserkantorei singen durfte, bleibt vor allem sein Wirken als charismatischer Chorleiter in Erinnerung. Sicher, Didaktik im engeren Sinne war nicht seine Stärke, wenn etwas nicht nach seinem Willen lief, wurde der Perfektionist schnell unleidlich. Man spürte dabei aber immer, dass Neumann keine Selbstinszenierung betrieb, sondern an und um der Sache willen litt. Er ging, auf der Basis einer konzisen „vorwegnehmenden“ Klangvorstellung, mit der Wünschelrute durch die Partitur – und fand dann eine Lösung, die aus dem Herzen der Musik selbst kam. Bei Neumann konnte man „Musik lernen“.