Neue ZDF-Satireserie über ReichsbürgerWenn die Revolution an Planlosigkeit und Alkoholismus scheitert

Lesezeit 4 Minuten
„Freiheit ist das Einzigste, was zählt - Rheinromantik“: Schwarz-weiß: Hans (Bibiana Beglau,) mit Claus (Alex Wissel), Georg (Thomas Schubert), Mopsa (Kais Setti), Freya (Thekla Viloo Fliesberg) und Helmuth (Julian Sark) am Bootsanleger.

Hans (Bibiana Beglau, 4. v. r.) und seine treuen neuen Bürger erobern ein Ausflugsschiff.

Jan Bonny inszeniert in „Freiheit ist das Einzigste, was zählt“ einen Aufstand der Reichsbürger-Szene. Achtung: Das ist keine ZDF-Satire à la „heute show“.

„Klimakleber“, „Gender-Gaga“ und der „Impfzwang“ der „Corona-Diktatur“: Als Reichsbürger und Feind der „Deutschland AG“ hat man in der jüngeren Vergangenheit wirklich die Qual der Wahl gehabt, was nun am schlimmsten für die deutsche Bevölkerung ist und was sie in ihrer Freiheit am meisten einschränkt. Um dabei einen klaren Kopf zu bewahren ist es wichtig, einen König zu haben, der vorneweg marschiert und sagt, was zu tun ist.

In der neuen Satireserie des ZDF, „Freiheit ist das Einzigste, was zählt“, trägt dieser König den Decknamen Hans (gespielt von Bibiana Beglau). Und Hans plant in seinem Düsseldorfer Anwesen eine Revolution mit einer Gruppe von Anhängern, die sich, gegen eine Gebühr von mal 20, mal 40 Euro, stolz um Posten, wie dem der „Ministerin für Transkommunikation“ bewerben können.

„Freiheit ist das Einzigste, was zählt“: Fehler im Titel offenbart Dilemma der Gruppe

Der Fehler im Serientitel offenbart aber auch gleich das Dilemma der Souveränisten: Sie haben keine Ahnung, wie so eine Machtübernahme ablaufen soll. So zeichnet sich das Volk rund um König Hans vor allem durch übermäßigen Alkohol- und Tabakkonsum und lautstarke Diskussionen aus. Mit zunehmenden Pegel brüllt sich die buntgemischte Gruppe aus Hellsehern, Waldorfpädagogen, Rentnern und Pseudointellektuellen aus dem Zusammenhang gerissene Parolen entgegen, was am Ende in der Regel zu handfester Gewalt untereinander führt.

Alles zum Thema ZDF

Gelangt in dieses Pulverfass aus labiler Psyche, Planlosigkeit und Alkoholismus dann auch noch eine Waffe, kann für nichts mehr garantiert werden. Für die namhaften Schauspielerinnen und Schauspieler, wie zum Beispiel Manfred Zapatka oder Sibel Kekilli, dürften die Dreharbeiten daher spaßig gewesen sein. Allen voran Bibiana Beglau vermittelt das Gefühl, sich voll und ganz der Rolle hingeben und schauspielerisch austoben zu können.

Für den Zuschauer ist das übertriebene Handeln der Möchtegern-Revolutionäre an einigen Stellen allerdings an der Belastbarkeitsgrenze. Die Dialoge sind hochtrabend und enden nahezu ausschließlich in Eskalation. Dazu wird exzessiv geraucht und wild durcheinander geschrien. Nicht selten sind die Protagonisten plötzlich nackt, geben sich intimen hetero- und homoerotischen Handlungen hin und setzen dem Chaos damit die Krone auf.

„Freiheit ist das Einzigste, was zählt - Düsseldorf steht Kopf“: Schwarz-weiß: Freya (Thekla Fliesberg), Karl (Jan Eichberg) und Dietrich (Ronald Kukulies) feiern am Tisch mit Bier.

Freya (Thekla Viloo Fliesberg, r.), Karl (Jan Eichberg, M.) und Dietrich (Ronald Kukulies, l.) feiern die bevorstehende Revolution.

Nach Angaben der Redaktion ist das Ziel der Serie, ein Gefühl für die Geisteshaltung jener Gruppierungen zu entwickeln, die sich gegen Staat und Gesellschaft richten. Und so tauchen zahlreiche Stammtischphrasen und Klassiker aus dem Wording von Verschwörungstheoretikern und Rechtspopulisten auf, welche auf humorvolle Art widerlegt oder kommentiert werden. Die Macher widmen sich einer Szene, die heterogener kaum sein könnte. Einzig der Hass auf die Bundesrepublik Deutschland eint das Sammelsurium aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die sich allesamt missverstanden und benachteiligt fühlen.

Zuflucht finden sie in der Ablehnung, merken jedoch schnell, dass ihr „neues Deutschland“ ganz ohne demokratische Werte und Prozesse auch irgendwie doof ist. Regisseur Jan Bonny geht es nach eigenen Angaben darum, zu beunruhigen und durcheinander zu bringen. Und das gelingt der Satireserie auf ganzer Linie. Nicht wenige Zuschauerinnen und Zuschauer werden aller Voraussicht nach aber sogar verstört zurückbleiben.

Instant Fiction: Eine vom ZDF erdachte Form der Fernsehserie 

Für die Serie wurde das Format der Instant Fiction, eine vom ZDF während der Coronapandemie erdachte Form der Fernsehserie, gewählt. Dabei handelt es sich um eine für die Mediathek konzipierte kurze fiktionale Serie, die in nur wenigen Wochen vom Konzept bis zur Veröffentlichung produziert wurde. Herausgekommen ist dabei letztlich eher eine Art Theaterstück statt einer Fernsehserie. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Inszenierung in Schwarz-Weiß und die abgehobenen, abrupt endenden Dialoge der überdramatisierenden Schauspielerinnen und Schauspieler.

Satire darf und soll auf extreme Weise übertreiben. Das kann der neuen ZDF-Serie „Freiheit ist das Einzigste, was zählt“ auch nicht abgesprochen werden. Allerdings lösen die sechs Folgen in erster Linie Verwirrung aus. Aus diesem Grund kommt auch die humorvolle und unterhaltende Seite zu selten zum Vorschein. Übertriebene, pseudointellektuelle Dialoge und schauspielerische Eskalationen stehen im Vordergrund, wodurch die Serienmacher Gefahr laufen, ihre Zuschauer zu überfordern. Wer auch eskalierende Theaterstücke nicht scheut, wird an der Serie Gefallen finden. Wer hingegen ZDF-Satire à la „heute show“ erwartet, wird definitiv überrascht sein.

KStA abonnieren