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Neue Staffel „And Just Like That“Aus der Zeit gefallen

Lesezeit 4 Minuten
And Just Like That

And Just Like That

Auch die dritte Staffel von „And Just Like That“ leidet darunter, dass der fröhliche Eskapismus vergangener Tage heute nicht mehr funktioniert.

Postkarten ohne Text, höchstens mal mit einem Herz darauf, sind es, die Carrie Bradshaw (Sarah Jessica Parker) und ihre alte, neue Liebe Aidan Shaw (John Corbett) zu Beginn der dritten Staffel von „And Just Like That“ verschicken. Sie haben sich in Staffel 2 der „Sex and the City“-Nachfolgeserie wiedergefunden, aber weil ewiges Liebesglück nicht über viele Folgen trägt, gibt es Komplikationen. Aidans Sohn braucht seine Unterstützung und so kann er nicht in New York bleiben, sondern muss zurück auf seine Farm. Und Carrie hat versprochen, auf ihn zu warten. 

Um die Jahrtausendwende war „Sex and the City“ eine Sensation. Vier Freundinnen, die so offen und unverblümt über ihr Sex- und Liebesleben sprachen, wie man es vorher noch nicht gesehen und gehört hatte. Vier ganz unterschiedliche Charaktere, die zwar auf der Suche nach der ganz großen Liebe (Charlotte) oder zumindest einem guten One-Night-Stand (Samantha) waren, denen aber trotzdem irgendwann klar wurde, dass sie ihren Seelenverwandten gar nicht suchen mussten, sondern in ihren Freundinnen schon lange gefunden hatten.

Vielleicht war das Ende der Serie schon besiegelt, als sie am Schluss der sechs Staffeln ihre Ideale verriet und alle vier in einer glücklichen Partnerschaft in eine unbestimmte Zukunft entließ, von der die Fans dachten, sie bleibe auf ewig ihrer Fantasie überlassen.

Doch was erfolgreich ist, verlangt nach einer Fortsetzung. Und so gab es zuerst zwei leider sehr enttäuschende Kinofilme und dann - mehr als 20 Jahren nach dem Start des Originals - mit „And Just Like That“ eine Fortsetzung, die zwar alles versuchte, aber den Anschluss an „Sex and the City“ einfach nicht fand. 

Die Inhaltsleere kann auch das hübscheste New-York-Motiv nicht überdecken

Die dritte Staffel macht das einmal mehr deutlich. Die Serie erinnert dabei an die Postkarten, die Carrie und Aidan einander schicken. Sie ist schön, man freut sich über die Geste und darüber, endlich noch mal etwas von dem anderen zu hören, aber die Inhaltsleere kann auch das hübscheste New-York-Motiv nicht überdecken.

Wohnte Carrie schon früher in einem Appartement, das sich eine Sex-Kolumnistin mit Schuh-Tick niemals leisten könnte, ist sie mittlerweile in ein Haus gezogen, das so lächerlich groß und luxuriös ist, dass es wie eine Karikatur wirkt. Arbeiten muss sie schon lange nicht mehr, Mr. Big (Chris Noth) hat ihr schließlich seinen Reichtum hinterlassen. Auch da haben die Macher ihre Ideale verraten. Die Grundaussage der Serie war, dass Frauen keinen reichen Mann brauchen, der sie rettet. Carrie Bradshaw ist der Gegenbeweis. So schlecht wie sie mit Geld umgehen kann, wäre sie ohne Mr.Big vermutlich irgendwann auf der Straße gelandet.

Samantha (Kim Cattrall) hat sich ja ebenso wie ihre Darstellerin mit den anderen verkracht und ist im Serienkosmos nach London gezogen. Ein Verlust, den auch die neuen Hauptfiguren, Immobilienmaklerin Seema Patel (Sarita Choudhury) und Dokumentarfilmerin Lisa Todd Wexley (Nicole Ari Parker) nicht ersetzen können. 

Charlotte (Kristin Davis) lebt mit ihrem Mann Harry und den gemeinsamen Töchtern weiterhin in ihrem schicken Appartement und muss nun das Familienleben mit ihrem neuen Job in einer schicken Galerie unter einen Hut  bringen. Wobei zu Beginn ihr größtes Problem ist, eine gute Hundesitterin für ihre Bulldogge zu finden. Und Miranda (Cynthia Nixon) versucht, nach der Trennung von Che ein neues Liebesglück zu finden.

Ja, die Serie beschäftigt sich mit den Problemen von Frauen jenseits der 50, die Wechseljahre sind ebenso Thema wie die Fragen, die man sich in dieser Zeit stellt. Aber die Realität dieser Freundinnen ist nun endgültig so weit weg vom Leben der allermeisten Frauen, dass „And Just Like That“ höchstens für einen staunenden Ausflug in ein buntes Wunderland dient, aber nicht mehr, um die drängenden Fragen des Frauseins zu verhandeln. 

Außerdem fällt der Neuauflage auf die Füße, was sich das Original noch leisten konnten. Damals war Eskapismus mit endlosen Restaurant- und Barbesuchen und Shopping-Touren ein scheinbar unschuldiges Vergnügen. Auch heute noch schaut man Carrie gern dabei zu, wie sie mit einem absurd großen Hut der Berliner Designerin Maryam Keyhani Eis essend durch den Park läuft, aber im Hinterkopf ist da eben immer auch diese Stimme: Kann man die politische Realität und den Wandel, der alle Teile der amerikanischen Gesellschaft grundlegend verändert, einfach so ausblenden?

Zwischen beiden Serien gibt es einen entschiedenen Unterschied: „Sex and the City“ war seiner Zeit voraus, „And Just Like That“ ist aus der Zeit gefallen. 


Die 12-teilige dritte Staffel von „And Just Like That“ ist gerade auf Sky und Wow gestartet. Jeweils eine neue Episode startet wöchentlich, bis zum Staffelfinale am 15. August. Die ersten beiden Staffeln stehen auf Abruf auf Sky und Wow zur Verfügung.