JubiläumOmas sprechen nach 50 Jahren noch immer „Hanni & Nanni“

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Heikedine Körting (l), Produzentin, und Manuela Dahm, Sprecherin, sitzen während eines Fototermins zu 50 Jahre „Hanni und Nanni“-Hörspiele im Tonstudio am Rothenbaum. Sie halten die erste Platte „Hanni und Nanni sind immer dagegen“ in den Händen

Heikedine Körting (l), Produzentin, und Manuela Dahm, Sprecherin, machen seit 50 Jahren die „Hanni und Nanni“-Hörspiele.

„Hanni & Nanni“ war die erste eigenproduzierte Serie der Hörspiel-Ikone Heikedine Körting. Das Medium hat sich in den vergangenen Jahrzehnten oft verändert. Einiges aber nicht.

Gras, Klingel, Nacht, Baby oder Sturm: Im Tonstudio von Heikedine Körting sind viele Aufnahmen von Geräuschen. Die Kassetten, Rundbänder und CDs mit den Aufschriften sind teils 40 bis 50 Jahre alt. An die 100 000 Geräusche hat die Jenaerin in Hamburg hinterlegt. Es ist die Basis der von ihr produzierten Kinderhörbücher, die im ganzen Land gehört werden - darunter „TKKG“, „Fünf Freunde“ und „Die drei ???“.

Vor genau 50 Jahren erschien ihre allererste eigenproduzierte Hörspielserie „Hanni & Nanni“. Mit dem Titel „Hanni und Nanni sind immer dagegen“ veröffentlichte der Europa-Verlag im November 1972 das erste Hörspielabenteuer der beiden Mädchen vom Internat Lindenhof. Und die Adaption der Kinderbücher der Schriftstellerin Enid Blyton (1897-1968) über die frechen Zwillinge hat es der 77-Jährigen damals wie heute angetan.

Der erste Titel 1972 war „Hanni & Nanni sind dagegen“

27 Jahre alt war Körting bei der ersten Produktion. Davor verdiente sie sich nur mit einzelnen Geschichten Geld zu ihrem Jura-Studium dazu. „Ich war ein kleines „Hanni & Nanni“-Lesemädchen, und habe mir immer vorgestellt, wie das im Internat ist - schöne Streiche spielen und sowas alles“, erinnert sie sich und lacht dabei. „Ich finde das schön, wenn alles nett und leicht und locker ist.“

Streiche spielt sie keine - dafür spielt sie immer noch an ihrem Mischpult. Denn anders als in anderen Studios läuft das meiste bei der 77-Jährigen noch analog - nur die reine Sprachfassung, „die nehmen wir doch über Computer auf inzwischen“, sagt Körting. Diese Aufzeichnung wird dann aber wieder auf Band umgewandelt. Und dann geht es los mit dem Mischen von Gesprochenem, Musik und Geräuschen: „Dann sind die ganzen Maschinen und die CD-Fächer voll, die Rundbänder laufen. Ich hab' quasi 36 Kanäle auf dem Pult, und dann sitze ich hier und mache.“

Das „Hanni & Nanni“-Team hat sich seit 50 Jahren wenig verändert

Dass die Maschinen, die in ihrem Studio stehen, noch nicht in Rente sind, verdankt sie ihrem Techniker Hans Joachim Dethlof. Der blickt optimistisch in die Zukunft, auch wenn die Ersatzteile längst nicht mehr produziert werden. „Noch kann ich sie reparieren.“ Die Sprecherinnen der beiden Zwillinge und ihrer Freundinnen sind größtenteils dieselben geblieben. „Am Anfang waren wir selber noch in der Schule“, erinnert sich Regine Lamster, die heute wie damals die Hanni spricht. „Ich weiß noch, wie ich damals auf der Treppe saß und da Schularbeiten gemacht habe“, sagt Manuela Dahm, alias Nanni.

Heikedine Körting, Produzentin, und Andre Minninger, Autor, sitzen während eines Fototermins zu 50 Jahre "Hanni und Nanni"-Hörspiele im Tonstudio am Rothenbaum.

Heikedine Körting, Produzentin, und Andre Minninger, Autor, sitzen im Tonstudio am Rothenbaum.

Bei den ersten Aufnahmen von 1972 bis 1976 war das Alter der Sprecherinnen näher an dem der Mädchen in den Internatsgeschichten. Nach einer längeren Produktionspause der Hörspielreihe und Jahren, in denen aus Mädchen Frauen wurden, stiegen sie 2000 in der Originalbesetzung wieder ein. Heute sind sie beide in Rente und Oma. Aber können sich Frauen über 60 wirklich wie Schülerinnen anhören? „Das sind alles Omas. Aber die hören sich nicht so an“, verteidigt Körting.

Produzentin Heikedine Körting nimmt vieles für „Hanni & Nanni“ analog auf

Über die Jahre seien immer wieder neue Schülerinnen - und damit jüngere Stimmen - in die Klasse gekommen. „Und der Witz ist aber: Es hört sich nicht so an, als ob eine junge Frau mit einer Oma spricht. Die hören sich alle jung an!“ Die Uhren sind dennoch nicht stehen geblieben. Heute kommen die Geschichten, die Hanni und Nanni umtreiben, aus der Feder von Autor André Minninger. Die Folgen werden zunächst beim Blyton-Verlag eingereicht und geprüft. Anders als die „Fünf Freunde“ dürfen die Internat-Mädels heute alle Handys haben.

„Also ein bisschen sind die Unterschiede schon da. Aber am Ende ist es immer noch der knarrende Dachboden“
Heikedine Körting, „Hanni & Nanni“-Produzentin

Damit fällt für „Hanni & Nanni“ ein Geräusch aus Körtings Schatzkammer der Töne weg: Das Taschenlampenklicken. Dafür kommen Handytöne dazu. In neuen Geschichten retten Hanni und Nanni beispielsweise die Bienen. „Oder sie sind auch mal in so einem Raum, wie heißt das, wenn da Computer sind? Internetcafé, das haben sie auch schon“, sagt Körting. „Also ein bisschen sind die Unterschiede schon da. Aber am Ende ist es immer noch der knarrende Dachboden“ - für die Mitternachtspartys

Die Mischung aus Alt und Neu, Analog und Digital, scheint das Erfolgsrezept zu sein. Zwar kann „Hanni & Nanni“ nicht mit dem Hype der „Drei ???“ mithalten. Doch die Geschichten rund um die Zwillinge sind auch heute noch in den Top Ten der firmeninternen Hörbuch-Hitlisten zu finden. Die Stücke werden heute nicht mehr auf Kassetten oder CDs gehört, sondern vorrangig gestreamt. „Für mich ist es ja relativ gleichgültig“, sagt Körting. „Ich liefer die ab und basta.“ (dpa)

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