„Die drei ???“ in der Lanxess-ArenaWie lange kann man 16 sein?

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24.11.2022, Köln: Andreas Fröhlich Jens Wawrczeck und Oliver Rohrbeck sind die Sprecher. Die Drei Fragezeichen wird als Bühnenshow in der Arena aufgeführt. Foto: Uwe Weiser

Andreas Fröhlich (v.l.), Oliver Rohrbeck und Jens Wawrczeck am Donnerstagabend in der Lanxess-Arena

Seit 43 Jahren sprechen Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich die drei jungen Detektive aus Rocky Beach. In ihrer Live-Show in Köln holten sie das Optimum aus diesem Altersunterschied heraus.

Ob sie denn nicht zu jung wären für eine Übernachtung im Spukhaus, will der ruppige Verwalter desselben von den drei Detektiven wissen. Peter Shaw, zweiter Detektiv, greift gierig nach dieser Rettungsleine: „Ja, wir sind 15.“ Mit dem Bekenntnis scheint er auch die Angst aus seinem Körper zu pressen. Aber die Entspannung kommt zu früh. „Wir sind 16“, fährt ihm Bob Andrews, Recherche und Archiv, in die Parade. Dann seufzt er auf: „Seit 43 Jahren.“ Justus Jonas, der erste Detektiv, nickt betroffen. Und 14.000 Zuschauer in der Lanxess-Arena lachen laut auf.

Es sind ja nicht nur die Sprecher von „Die drei ???“, Deutschlands beliebtester Hörspiel-Reihe, die ihre Pubertät über Jahrzehnte ausgedehnt haben. Wir verharren nicht weniger im Entwicklungsstillstand als Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich, zumindest ein Teil von uns. Derjenige nämlich, der abends mit einer der mittlerweile 219 Folgen im Kopfhörer zu Bett geht und sich in die Zeit zurück träumt, in der man noch glaubte, das Leben ließe sich schon meistern, wenn man nur die richtigen Hinweise enträtselt.

Schon klar, dass das nur eine schöne Illusion ist. Der man sich umso hemmungsloser hingeben kann, als die drei Hobby-Ermittler vom Schrottplatz, Verzeihung: vom Gebrauchtwarencenter, in Rocky Beach seit 1979 mit denselben Stimmen sprechen. Warum also sollte man sich dieser kleinen Selbsttäuschung berauben und drei Endfünfzigern in schwarzen Anzügen bei der Hörspiel-Herstellung zusehen?

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„Die drei ??? und der dunkle Taipan“ funktioniert wie ein Zaubertrick 

Weil sie trotzdem noch funktioniert. Lautet die einfache Antwort, nachdem man um kurz vor 23 Uhr ganz beseelt (und noch gar nicht müde) die Arena verlässt. Tatsächlich, und jetzt wird es ein bisschen komplizierter, funktioniert sie fast noch besser, wenn das Auge nicht glaubt, was das Ohr hört. Wenn der schmale, kahlköpfige Rohrbeck als „Fettsack“ beschimpft wird, oder sich in die imaginären Haare fasst. Das ist wie ein Zaubertrick, der nach seiner Enthüllung noch immer funktioniert.

Der Fall, den Andreas Fröhlich nach einer Idee von Hendrik Buchna eigens für die Bühne verfasst hat, gehört sicher nicht zu den kniffligsten der Kollegen. Soll er auch gar nicht: „Die drei ??? und der dunkle Taipan“ ist kongenial auf jene Effekte hin geschrieben, die sich erzielen lassen, wenn Ton, Bild und die kollektiven Erinnerungen von Menschen zwischen sechs und 60 zusammenkommen. Treue Hörerschaft wird hier durch etliche Anspielungen belohnt, vom Aztekenschwert bis zum Zauberspiegel, von der irritierend (für halbwüchsige Jungs) selbstbewussten Allie Jamison (gespielt von Andreas Fröhlichs Schwester Katrin Fröhlich) bis hin zu altbekannten Bösewichten, die an dieser Stelle nicht gespoilert werden sollen.

Justus darf einmal mehr einen Gegner durch das Aneinanderreihen von Fremdwörtern ausschalten, Bob bekommt wie so oft einen Schlag auf den Schädel und Peter eine seiner extrem unterhaltsamen Panikattacken. Wie Wawrczeck seine Gesichtszüge in einer gruseligen Friedhofsszene kunstvoll zu immer neuen Furchtmasken verschiebt, verdiente eine eigene Kritik. Natürlich ist kein Grab zu sehen, der Friedhof entsteht allein durch die Klangkulisse, die Jörg Klinkenberg live mit zahllosen Requisiten produziert. Die Sprecher triezen ihn mit zunehmend absurderen Beschreibungen, aber der Geräuschmacher liefert prompt und 14.000 Ohrenpaare nickten zustimmend, wenn sie das nur könnten.

Michael Prelle verleiht dem großväterlichen Erzähler einen Schuss Ironie, Matthias Keller manipuliert seine Stimme in mehreren Rollen nicht weniger kunstvoll wie seinen langen Körper. Und Tim Grobe ist ein ebenso furchterregender Superschurke wie eine säuselnde Bedienung im „veganen Peruaner“.

Die Tontechnik verwandelt die Arena in einen Surround-Sound-Kopfhörer, optische Wow-Effekte halten sich die Waage mit kleinen, selbstironischen Gesten. „Die drei ???“, das ist die ewige Kindheit im Zitat, das Leben als Doppelbelichtung, so wie man alte Schulfreunde betrachtet: Man sieht den Klassenkameraden und den Menschen, der schon auf die Rente zugeht, zugleich. Die drei naseweisen Detektive bleiben ewig 16 und uns hoffentlich noch lange erhalten.

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