Pressefreiheit in der TürkeiWDR-Redakteur in Ankara verhaftet

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Auf dem Bild ist Tuncay Özdamar. Er trägt ein blaues Hemd.

Der WDR-Redakteur Tuncay Özdamar

Der WDR-Redakteur Tuncay Özdamar wurde bei seiner Einreise in die Türkei verhaftet und saß für einen Tag in U-Haft. Recherchen von WDR Cosmo deuten auf einen besorgniserregenden Zustand der türkischen Justiz hin.

Der WDR-Redakteur Tuncay Özdamar ist laut einem Bericht des Senders am 30. September in Ankara verhaftet worden. Der Journalist kam am folgenden Tag wieder frei, sodass er nach Deutschland zurückkehren konnte. In der Türkei läuft laut WDR aber nach wie vor ein Ermittlungsverfahren gegen ihn.

Konkret wirft ihm die türkische Justiz vor, er habe Personen, die bei der Terror-Bekämpfung aktiv sind, zur Zielscheibe gemacht. Die Recherchen von WDR Cosmo weisen aber auf einen eklatanten Irrtum hin. Der Hörfunkwelle liegen dank des Menschenrechtsanwalts Veysel Ok, der Özdamar juristisch vertritt, die Ermittlungsakten vor.

WDR-Redakteur soll wegen Tweets verhaftet worden sein

Darin tauchen zwei von Özdamars Tweets vom September 2018 auf, in denen es um die türkische Tageszeitung  „Cumhuriyet“ geht. Damals bekam die oppositionelle Zeitung einen neuen Chefredakteur, dem die Nähe zum Staat und zu Erdoğan vorgeworfen wurde, weswegen einige Journalisten die Zeitung verließen. „Die türkische Zeitung #Cumhuriyet gilt als eine der letzten Bastionen der Pressefreiheit in der #Türkei.“ twitterte Tuncay Özdamar damals.

Doch inwieweit soll er damit gegen Antiterrorgesetze verstoßen haben? Aus den Akten geht hervor, dass die türkischen Ermittler nach Tweets gesucht haben, die den Namen Muran Erten beinhalten. Erten ist der Präsidenten des 24. Hohen Strafgerichtshof Istanbul. Bei der Suche stießen die Behörden in der Türkei anscheinend auch auf die Tweets von Tuncay Özdamar zu den personellen Veränderungen bei „Cumhuriyet“, die in keinen inhaltlichen Zusammenhang zu Murat Erten stehen, aber die Namen „Murat Sabuncu“ und „Bağiş Erten“ enthalten. „Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so tragisch wäre“, sagte Özdamars Rechtsanwalt Veysel Ok dem WDR.

Tuncay Özdamar arbeitet bei WDR Cosmo

Tuncay Özdamar arbeitet seit 2005 für den WDR und leitet seit vier Jahren die türkische Redaktion von WDR Cosmo. Da er sich bei seiner Arbeit auch kritisch mit der Türkei auseinandersetzt, mutmaßt die „taz“, dass das Verfahren auch politisch motiviert sein könnte. Reporter ohne Grenzen fordert die türkische Justiz dazu auf, die Anklage gegen Özdamar fallen zu lassen.

Im Gespräch mit dem WDR berichtete Özdamar, dass er in die Türkei reiste, um seine kranke Mutter zu besuchen. Er habe sich gefreut, als er aus dem Flugzeug auf die nächtlichen Lichter Ankaras blickte. „Ich habe hier meine Jugend verbracht, habe hier studiert, bis ich 1990 nach Deutschland gegangen bin.“ Am Flughafen habe er dann erfahren, dass schon seit März 2022 ein Ermittlungsverfahren gegen ihn laufe und es einen Haftbefehl gebe, weil er sich trotz eines Aufrufs nicht bei der Staatsanwaltschaft gemeldet hätte.  Özdamar habe aber gar keine Meldeadresse in der Türkei mehr. Zudem besitze er seit 20 Jahren nur noch die deutsche Staatsangehörigkeit.

Das Auswärtige Amt gibt Reisewarnung für die Türkei

Das Auswärtige Amt hält in seiner Reisewarnung für die Türkei fest, dass „aufgrund des weit gefassten Terrorismusbegriffs in der Türkei“ auch bloße Äußerungen, unterschriebene Petitionen oder sogar das Teilen, Liken und Kommentieren unter Beiträge in sozialen Medien für eine Strafverfolgung ausreichen.

„Festnahmen, Strafverfolgungen oder Ausreisesperren sind auch im Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien zu beobachten, vermehrt auch aufgrund des Vorwurfs der Präsidentenbeleidigung.“, so das Auswärtige Amt auf seiner Homepage. Die Türkei steht immer wieder wegen mangelnder Pressefreiheit in der Kritik, so auch im Fall der Verhaftung von Deniz Yücel.

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