Queere Ikone im Kölner PalladiumGirl in Red verabreicht musikalische Glückspille

Lesezeit 4 Minuten
Girl in Red im Palladium. Sie steht am Stand-Mikrofon und spielt E-Gitarre. Um ihren Schultern liegt eine orange-weiß-pinke lesbische Pride-Flagge.

Girl in Red singt im Palladium mit lesbischer Pride-Flagge um den Schultern.

Girl in Red ist eigentlich für ihren chilligen Indie-Pop bekannt. Im Kölner Palladium feiert sie ein großes Fest der Liebe.

„Diese Nacht ist für die Gays!“, ruft Girl in Red am Sonntagabend, bevor sie wieder wild über die Bühne springt und ihre flauschig warme Stimme durch das Palladium schallen lässt. Recht hat die norwegische Sängerin: Das Konzert bietet alles, was das queere Herz höher schlagen lässt.

So singt Girl in Red, die eigentlich Marie Ulven Ringheim heißt, mit orange-weiß-pinker lesbischer Pride-Flagge um die Schultern in „girls, girls, girls“ davon, wie schön Frauen sind, wie sehr sie Frauen liebt. Kurz danach hilft sie einem Fan, ihrer Mutter zu sagen, dass sie pansexuell ist. „Deine Tochter mag auch Frauen“, ruft Girl in Red ins Telefon, das Publikum jubelt laut.

Fest der queeren Liebe

Überall sind verschiedene Pride-Flaggen zu sehen und dann verloben sich zwei Frauen im Publikum. Zur Feier stimmt Girl in Red „we fell in love in october“ an, ändert dafür ihre geplante Songreihenfolge. Der langsame, sanfte Song hat sich in der LGBTQ*-Community zu einer lesbischen Hymne entwickelt. „Du wirst mein Mädchen sein / Mein Mädchen, mein Mädchen, mein Mädchen / Du wirst meine Welt sein“, singt Ringheim verträumt von einer Liebe, die nicht enden wird, in der Herzschmerz nicht existiert.

Alles zum Thema LGBTQI+ – News für und über queere Menschen

Dieses Fest der queeren Liebe war zu erwarten. Girl in Red, die offen über ihre Homosexualität spricht und singt, ist der breiten Masse noch recht unbekannt, sind die Lieder doch häufig bloß Hintergrund-Musik in Filmen und Serien, wenn sich zwei Mädchen küssen. In der queeren Szene hingegen ist Ringheim bereits seit Jahren eine Ikone. Die Frage „Hörst du Girl in Red?“ gilt im Internet als Code, um nach der Sexualität einer Frau zu fragen. Schließlich gibt es wenige Künstlerinnen und Künstler, die lesbische Liebe so offensichtlich, so schön leise und laut feiern wie Girl in Red.

Anblick des tanzenden, springenden, singenden Publikums im Palladium während des Girl in Red Konzerts.

Girl in Red animiert ihr Publikum im Palladium zum Tanzen und Springen.

Aufgezeichnet bietet ihr nostalgischer Indie-Pop-Stil den perfekten Alltagsbegleiter, lädt zum Träumen und Lieben ein. Der Loungesound ist trotz teilweise düsterer Zeilen eine musikalische Glückspille, die immer im Hintergrund laufen kann. Live hingegen feiert Girl in Red mit ihrer fünfköpfigen Band und dem Publikum eine fette Party. Mit Bässen, die sich in der Brust festklammern, E-Gitarren, die laut pochen und einer strikten Regel, dass wild gezappelt, gesprungen, getanzt werden muss. 

Nahbare Lässigkeit auf der Bühne

Das Klischee, dass Singer-Songwriterinnen und Songwriter live langweilig seien, widerlegt Girl in Red. Jeder Song klingt in der Live-Version energetischer, lauter oder gefühlvoller als gestreamt. Dazu tritt die Sängerin in den Kontakt mit ihren Fans, nimmt sich Zeit, mit ihnen zu witzeln, ihnen Tattoos zu malen. Zwischendurch legt sie spontane Beatbox-Einlagen ein, stimmt ihre Gitarre vor den 4000 Menschen ganz entspannt und singt scherzhaft das Intro von Hannah Montana, plakativ ihrem Alter entsprechend.

Die 24-Jährige steht mit einer nahbaren Lässigkeit, einer Selbstverständlichkeit auf der Bühne, die keinen Zweifel hinterlässt: Girl in Red gehört genau dort hin. Dass sie eigentlich noch am Anfang ihrer Karriere steht, zeigen nur Nichtigkeiten. Wenn sie vom wilden Herumspringen laut ins Mikro hechelt, vor Müdigkeit und Aufregung anfängt zu stottern und sich herzlich unschuldig darüber freut, ihren Namen eingraviert im Gitarrenkabel zu sehen: „Das ist echte Rockstar-Scheiße“, sagt sie grinsend.

Wie ein Rockstar spielt sie auch ihre Lieder. Musikalisch ist von Unschuld nichts zu spüren. Die Gitarre, die sie nur für wenige Songs ablegt, tönt einwandfrei im Einklang mit Bass, Schlagzeug und Co. Ihre Stimme lässt sie an den richtigen Stellen laut und stark oder leise und brechend summen. Nebenbei schafft sie den Zuschauerinnen und Zuschauern einen sicheren Ort, um zu sein, wer sie sind. Im Duett schreien sie und das Palladium heraus, was sie sich an anderen Orten vielleicht nicht trauen: „Oh, Hannah / Sieh mich einfach unverändert an / Ich will nicht deine Freundin sein, ich will deine Lippen küssen / Ich will dich küssen, bis mir die Luft wegbleibt“.

KStA abonnieren