Rammstein zieht erste KonsequenzenDeutsche Youtuberin bekräftigt Vorwürfe gegen Till Lindemann

Lesezeit 6 Minuten
Rammstein-Sänger Till Lindemann, hier bei der Frankfurter Buchmesse 2017, sieht sich seit Wochen schweren Vorwürfen ausgesetzt.

Rammstein-Sänger Till Lindemann, hier bei der Frankfurter Buchmesse 2017, sieht sich seit Wochen schweren Vorwürfen ausgesetzt.

Kayla Shyx berichtet von ihren Erfahrungen rund um das Fan-Castingsystem für Till Lindemann. Die Band zog nun erste Konsequenzen.

Der Sturm und die Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann reißen nicht ab: Die deutsche Influencerin und Youtuberin Kayla Shyx hat am Montagabend ein Video veröffentlicht, indem sie viele der erhobenen Vorwürfe gegen Lindemann bekräftigt und ihre eigenen Erfahrungen von einem Rammstein-Konzert teilt. Im Kern spricht sie von dem Casting-System für „Groupies“, das dem Rammstein-Sänger offenbar gezielt junge Frauen zuführt. Dass ein solches System existiert, ergaben auch Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Im Thumbnail des Videos ist zu lesen: „Ich war eine von ‚Till's Girls‘“.

Brisant an dem neuen Video, das den Titel „Was wirklich bei Rammstein Afterpartys passiert“ trägt, ist auch, dass Shyx (bürgerlich: Kaya Loska)  den Vorwürfen gegen Lindemann neben der Irin Shelby L. ein weiteres Gesicht gibt. Shyx folgen bei Instagram und Youtube jeweils rund 800.000  Menschen, bei Tiktok sogar 1,7 Millionen Menschen. Das Video wurde innerhalb eines Tages rund eine Million mal angesehen.

Währenddessen hat die Band Rammstein erste Konsequenzen gezogen: Nach den Vorwürfen gegen Lindemann, setzt sie nun eine eigene Anwaltskanzlei ein, um den Vorwürfen nachzugehen. Für eine mutmaßliche Lindemann-Vertraute sprach die Band offenbar ein Konzert-Verbot aus, sie soll eine entscheidende Rolle im Fan-Casting-System gespielt haben.

Alles zum Thema Konzerte in Köln

Vorwürfe gegen Till Lindemann von Rammstein: Youtuberin Kayla Shyx berichtet von „Row 0“ und Aftershow-Party

In dem knapp 37 Minuten langen Video schildert Shyx Erfahrungen und Eindrücke, die sich ihren Angaben nach im Rahmen eines Rammstein-Konzertes am 4. Juni 2022 im Berliner Olympiastadion ereignet haben sollen. Sie beginnt mit den Worten: „Woah, das ist echt ein schweres Video.“

Sie beschreibt, wie sie von einer mutmaßlichen Lindemann-Vertrauten angesprochen und auf eine Aftershow-Party eingeladen wurde. Bei der Frau soll es sich um eine Art Vermittlerin handeln, die offenbar als Scharnier zwischen jungen Frauen und Lindemann fungiert. Die Lindemann-Vertraute beschreibt sich selbst als „Casting Director“ - Casting-Direktorin - und spielt wohl eine wesentliche Rolle in dem mutmaßlichen System, das Lindemann Frauen zuführt. Das bestätigten auch die Recherchen von „Kölner Stadt-Anzeiger“, „Süddeutscher Zeitung“ und „Welt“

Shyx schildert in dem Video detailliert den Abend des Rammstein-Konzerts, wie sie mit einer Freundin auf die Aftershow-Party gelangte und mit anderen Frauen in einen separaten Raum geführt wurde, um Till Lindemann zu treffen – offenbar für Sex. Sie beschreibt, wie bedrohlich sich die Lage für sie anfühlte und wie sie, bevor Till Lindemann sie treffen konnte, den Raum verließ und aus der Situation regelrecht flüchtete.

Die 21-jährige Youtuberin unterfüttert ihre Geschichte mit Screenshots von Chats und Video-Clips, die mutmaßlich von dem Abend stammen. Unabhängig prüfen lassen sich die Angaben von Shyx nicht, auch die Echtheit dieser Dokumente ließen sich bislang nicht unabhängig bewerten.

Dass es das Casting-System rund um Lindemann gibt, scheint außer Frage zu stehen, da es neben Betroffenen-Berichten und Medien-Recherchen auch die Fürsprecherinnen für Rammstein und für Lindemann bestätigen. Eine große Frage ist, wie viel Einfluss hat oder hatte Till Lindemann auf das Fan-Casting-System? Bislang ist zum Beispiel unklar, ob die „Casting-Direktorin“ offiziell für Rammstein angestellt ist oder war. Mehreren Berichten zufolge, darunter etwa „Welt“, wurde die „Casting-Direktorin“ von Rammstein-Konzerten bis auf Weiteres verbannt.

Lindemann-Vorwürfe: Influencerin Kaya Shyx wirbt für Verständnis für Betroffene und kritisiert „das System“

Shyx' Vorwürfe decken sich mit den Berichten von dutzenden anderen Frauen in sozialen Netzwerken, die sich nach den Veröffentlichungen durch die Irin Shelby L. zu Wort meldeten. Zahlreiche „Row 0“-Fans, die besonderen Groupies, die in Sonderzonen direkt vor der Bühne gecastet wurden, schilderten ähnliche Erlebnisse – gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ und dem NDR auch unter eidesstattlicher Aussage.

Die Influencerin Kayla Shyx, der bei Tiktok mehr als 1,7 Millionen Menschen folgen, bei einer Preisverleihung. Am Montag, 5. Juni, hat sie in einem Youtube-Video schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann erhoben. (Archivbild)

Die Influencerin Kayla Shyx, der bei Tiktok mehr als 1,7 Millionen Menschen folgen, bei einer Preisverleihung. Am Montag, 5. Juni, hat sie in einem Youtube-Video schwere Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann erhoben. (Archivbild)

Shyx wirbt außerdem für Verständnis, dass sich nicht mehr Betroffene zu Wort gemeldet haben: „Ich wünsche einfach allen, denen irgendwas passiert ist, so viel Kraft und das Beste und Mut, darüber zu reden oder Kraft, es zu verarbeiten. Das ist der Grund, warum sich so viele Mädchen nicht dazu äußern, weil sie denken, es wird ihnen eh nicht geglaubt.“

Die Influencerin kritisiert außerdem „das System“. Es sei ein offenes Geheimnis, dass dies rund um Rammstein-Frontmann Till Lindemann passiere. „Es ist so wichtig, dass darüber geredet wird. Es kann nicht sein, dass sowas dauernd in dieser Industrie passiert, es kommt immer irgendwas zu einem Mann in einer Machtposition heraus. Es ist nicht neu, tut nicht überrascht!“, so Shyx.

Rammstein und Till Lindemann äußern sich zu Vorwürfen bislang nur knapp in sozialen Netzwerken

Die Band Rammstein und Till Lindemann haben sich zu den seit nun knapp zwei Wochen kursierenden Vorwürfen bislang nur zweimal knapp geäußert. In der Nacht zu Pfingstmontag, vier Tage nach den Vorwürfen der Irin Shelby L., postete Rammstein ein kurzes Statement via Twitter, in dem sie die Vorwürfe dementierten.

Als weitere Berichte und Vorwürfe gegen Lindemann öffentlich wurden, reagierte die Band erneut, am Sonntag, 4. Juni, veröffentlichte sie ein Statement bei Instagram. Darin hieß es unter anderem: „Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst“. Außerdem schrieb Rammstein: „Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge“.

Mehrfache Anfragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ließen sowohl Rammstein, das Management von Till Lindemann als auch die Casting-Direktorin und weitere Personen rund um die Band bislang unbeantwortet.

Auf die Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Lindemann gab es aber bereits einige Reaktionen: Der Kölner Verlag Kipenheuer & Witsch (KiWi) beendete die Zusammenarbeit mit Lindemann. KiWi hatte unter anderem Lindemanns Gedichtbände verlegt. Die Drogeriekette Rossmann hat zudem die Rammstein-Parfüms aus ihrem Sortiment geworfen, die Düfte tragen Namen wie „Pussy“, „Sex“ oder „Kokain“. Außerdem ist das offizielle Instagram-Profil von Till Lindemann geschlossen worden.

Der offizielle Rammstein-Shop kündigte via Instagram an, die Termine für Pop-Up-Stores rund um die vier Konzerte in München abzusagen. Auch der Online-Pokerraum „GGPoker“ teilte am Dienstagabend mit, dass er die Zusammenarbeit mit Lindemann beendet.

Der bekannte Aachener Youtuber Rezo veröffentlichte am Dienstagabend ebenfalls ein Video, in dem er die Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Lindemann thematisierte. Auch andere Youtuber hatten in Video-Statements Stellung bezogen und die Berichte der Betroffenen zusammengefasst.

Rammstein ist aktuell auf ihrer „Europa Stadion Tour“, die nächsten Konzerte stehen in München an, wo die Band gleich an vier Abenden zwischen dem 7. und 11. Juni im Olympiastadion auftreten wird. Das Abschlusskonzert ist für den 5. August in Brüssel geplant. (mab)

KStA abonnieren