AboAbonnieren

Sabine Schiffners neuer RomanWie wird man seinen Mann los?

Lesezeit 4 Minuten
Sabine Schiffner sitzt vor einer grauen, von einer Pflanze berankten, Außenwand. Sie trägt ein schwarzes Oberteil und blickt in die Kamera

Sabine Schiffner lebt als Schriftstellerin in Köln

Sabine Schiffner legt mit „Nachtigallentage“ ein Kammerspiel vor, das die Nerven kitzelt

Alles fing damit an, dass sich Sabine Schiffner mit einigen Freundinnen über ihre Männer unterhielt. In trauter Runde dominierte ganz offensichtlich die Unzufriedenheit. Eine Freundin bekannte sogar, sie habe schon einmal überlegt, ihren Ehemann umzubringen. Lang ist es her – und der Mann lebt, die Ehe hält. Aber für die Kölner Schriftstellerin war dies der Keim für ihren Roman „Nachtigallentage“, den sie kürzlich im Gespräch mit Guy Helminger im Literaturhaus Köln vorstellte.

Sigune Vorinsfeld, die schon im Debütroman „Kindbettfieber“ (2005) aufgetreten ist, rollt ihre Ärmel auf, wenn sie an ihren Ehemann denkt. Und bald schon fängt sie an, „die Haut zu knibbeln, bis die so wehtut, dass sie das Nachdenken über Andreas für einen Moment vergisst.“ Manchmal nimmt sie auch ein Taschenmesser und ritzt sich in die Haut. Man sieht: da liegt einiges im Argen. Vorneweg die Ehe von Sigune und Andreas.

Sieben Jahre sind sie verheiratet, zwei Kinder haben sie. Doch keine Spur von Liebe. Stattdessen wird Sigune geplagt von Entfremdung, Unterdrückung und Frust. Eines Nachts hat sie ein Küchenmesser in der Hand – und wenig später liegt der Ehemann („den sie aber nie so nennt“) tot im Hausflur. Ein Unfall, ein Mord?

Wie kommt die Romanheldin aus der Nummer wieder raus?

Sabine Schiffner legt mit „Nachtigallentage“ ein Kammerspiel vor, das die Nerven kitzelt. Der Roman zieht seinen besonderen Kick daraus, dass Sigune nichts Besseres einfällt, als den Toten in den Keller zu schleppen und dort luftdicht verpackt zu verstecken. Der Nervenkitzel hat mit der einen Frage zu tun: Wie kommt die Romanheldin – die in ihrer Not durchaus sympathisch wirkt, wenngleich die Autorin selbst da nicht so sicher ist – aus dieser Nummer wieder raus?

Erzählt wird aus der Perspektive von Sigune. Und zwar auf zwei Ebenen. Einerseits erleben wir sie im Dialog mit Torsten Schwarz, dem ermittelnden Polizisten aus Köln, in den sie sich verliebt hat. Schon sind die beiden ein Paar, da ist es unabwendbar, dass Sigune das Versteckspiel aufgibt. Sie entschließt sich, alles aufzudecken: „Du sollst wissen, dass ich, während ich erzähle, so tue, als sei ich eine andere, eine, die das ganze Geschehen von außen erzählt. Als würde ich mir eine Geschichte ausdenken. Denn so ist es für mich einfacher.“

Was Sigune dann dem Geliebten schildert, findet auf der zweiten (und hauptsächlichen) Ebene statt. Bei dieser Beichte kommt es ihr so vor, als sei, was sie da offenbare, erfunden und nicht erinnert. Wie eine Geschichte aus einem Roman. Sie selbst ist sich also nicht sicher, ob alles so gewesen ist wie sie es darstellt. Und auch wir sollten uns das Zweifeln bewahren. Denn Sigune ist eine ominöse Quelle.

Die Romanheldin neigt nämlich dazu, Dinge zu verheimlichen. Gleich zu Anfang ist davon die Rede, dass sie einmal ein Buch über Singvögel – genauer: über deren Zubereitung – für einen Verlag lektoriert habe. Das sollte möglichst niemand erfahren. Dabei ging es ihr nicht um den professionellen Ruf, sondern um die Großmutter, die eine „Vogelnärrin“ war.

Eine Liebesgeschichte im Gewand eines Psychothrillers

Leitmotivisch schwebt das Volkslied „Nachtigall, ich hör dich singen“ durch diese Prosa. Es stammt aus der Abteilung Liebeskummer und wurde von den Romantikern Achim von Arnim und Clemens von Brentano in ihrer Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ aufgenommen. Der Ich-Erzählerin bieten die Verse einen gewissen Halt. Und „Nachtigallentage“ sind für sie solche Tage, an denen sie glücklich war. Nach ihnen sehnt sie sich.

Den Plot weiter aufzufächern, verbietet sich selbstverständlich. Aber das sei gesagt: es ist ein famoser Fächer. Mit starken Szenen auf jedem Blatt, das zwischen den einzelnen Rippen gespannt ist. Und mit einem Showdown, zu dem sich Polizei, Kinder, der neue Freund, ein Nachbar mit Wasserschaden und zwei Erpresser am Tatort einfinden.

Kurz vor der Drucklegung des Buches hatte die Autorin noch bei ihrem Verleger angerufen. Auf dem Cover solle besser nicht von einem Roman die Rede sein, meinte sie, da es doch in Wahrheit eine Novelle sei. Mit der gattungsbestimmenden „unerhörten Begebenheit“ als Wendepunkt. Doch der Verleger habe abgewunken: „Eine Novelle verkauft sich nicht.“ Nun ist zum Glück nicht entscheidend, wie ein Text klassifiziert wird, sondern was er zu bieten hat. Und das ist in diesem Falle: eine Menge.

Sabine Schiffner, von der zuletzt der Gedichtband „Wundern“ erschienen ist, beeindruckt mit einer Liebesgeschichte im Gewand eines Psychothrillers. Fein gestrickt, spannend zugespitzt und abgründig schillernd. „Nachtigallentage“ ist ein kurzweiliges Vergnügen um Schuld und Sehnsucht.


Sabine Schiffner: „Nachtigallentage“, Quintus, 200 Seiten, 22 Euro. Die Autorin liest am Dienstag. 25. April, 19 Uhr, bei speakeasy Sprachen, Richard-Strauss-Straße 3, 50931 Köln. Anmeldung an seidel@transtexas.de. Mit der Veranstaltung sollen Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei gesammelt werden.