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Schauspielerin Julia SchubertDrei Sommertage in Köln gaben den Ausschlag

5 min
Die Bühne im Depot 1 ist in rotes Licht getaucht. Julia Schubert trägt einen roten Anzug und eine schwarze Perücke. Ihr Gesicht ist weiß geschminkt.

Julia Schubert in Herbert Fritschs „Rabatz“ am Schauspiel Köln

Am Freitag, 31. 10., gibt Julia Schubert mit „Rabatz“ ihre Premiere am Schauspiel Köln. Für Kay Voges verließ sie sogar die renommierte Schaubühne.

Julia Schubert wollte Schauspielerin werden, seit sie denken konnte. „Mein Vater hat eine freie Gruppe gehabt. Dadurch bin ich früh mit dem Theater in Kontakt gekommen. Und dann habe ich als Kind bei einem Stück am Staatsschauspiel Dresden Komparserie gemacht, war anschließend im Kindertheaterclub. Ich bin da also so hineingewachsen.“ Spätestens mit neun Jahren war sich die gebürtige Leipzigerin sicher, sie wäre am liebsten schon mit 16 von der Schule abgegangen, bewarb sich auf Schauspielschulen, zunächst erfolglos. Also doch erst Abitur und dann das Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater Rostock.

Ihr erstes Engagement führte Schubert ans Berliner Grips-Theater. „Das war ein Superstart und eine ganz tolle Zeit. Aber ich wusste auch, dass ich weiter will.“ Im Jahr 2009 wagte Schubert den Sprung ins kalte Wasser, kündigte, ohne ein Folgeengagement zu haben.

Es hagelte Absagen. Die einzige Einladung zum Vorsprechen kam aus Magdeburg. Auch Kay Voges, der damals als Regisseur am Haus gastierte, sollte sich die Bewerberin angucken, blieb aber auf dem Weg zum Theater im Schnee stecken. „Er kam erst rein, als ich schon fertig war.“ Aber am Ende gab er den Ausschlag: „Ich habe sie zwar nur von außen gehört“, sagte Voges, „aber ich fand Julia am besten.“

Ich fand Julia am besten.
Kay Voges, Kölner Schauspiel-Intendant

„Und dann haben wir zusammen Lessings ‚Miss Sara Sampson‘ gemacht. Das war eine ganz tolle Arbeit. Wir hatten nur eine schwarze Bühne, einen Scheinwerfer und das war's.“ Es war der Beginn einer wunderbaren Berufsbeziehung. Bald konnte Schubert Voges nach Dortmund folgen, wo der seine erste Intendanz angetreten hatte. Vielleicht ihre prägendste Zeit. „Wir waren nur sechzehn Schauspieler, haben viel ausprobiert, experimentiert. Man hatte das Gefühl, man kreiert etwas zusammen.“

Ein Ensemble, das sich als Labor verstand – und ein Publikum, das mitging. „Ich habe selten so ein gutes Publikum gehabt wie in Dortmund. So offen, so gemischt – vom Friseur bis zum Professor.“ Dazu großartige Regisseurinnen wie Claudia Bauer. Die überregionale Beachtung folgte. Und zum ersten Mal probierte sich Schubert auch als Regisseurin aus. „Heimliche Helden“ hieß diese „Anatomie eines Großraumbüros“ für das sie unter anderem mit einem Bürgerchor zusammenarbeitete.

Julia Schubert, neu im Schauspiel-Köln-Ensemble

Doch den Umzug ans Wiener Volkstheater konnte sie nicht mitmachen. Sie war Mutter einer Tochter geworden. „Mein Freund war in Berlin, da war Wien einfach zu weit weg.“ Und ihr ging es, wie so vielen Schauspielerinnen nach der Geburt eines Kindes: „Man hat Angst, wenn man einmal raus ist, dass es so bleibt. Also habe ich relativ fix wieder angefangen zu spielen.“ Es war sowieso an der Zeit für einen Wechsel. „Nach fünf Jahren kriege ich oft so einen Rappel und denke, jetzt weiß ich, wie’s geht – jetzt will ich was Neues.“

Das Neue hieß Schaubühne. Thomas Ostermeiers hochrenommiertes Theater am Lehniner Platz war eine ganz neue Erfahrung: endlose Proben, psychologische Durchdringung, Hyperrealismus. „Wenn man sich darauf erst einmal einlässt und noch dazu mit Leuten arbeitet, die diese Art von Theater wahnsinnig gut können, kann man sehr viel dazulernen.“

Als Kay Voges ihr anbot, nach Köln zu kommen, zögerte Julia Schubert

Als dann das Angebot aus Köln kam, hat sie gezögert. Der Kontakt zu Voges war nie abgerissen, wenn Voges auswärts inszenierte, an der Volksbühne oder in Hamburg, war Schubert als Gast dabei. Trotzdem: „Ich mochte die Schaubühne. Ich mochte Berlin. Und dann entscheide ich ja nicht nur für mich, sondern für eine ganze Familie.“ Drei Sommertage in Köln gaben den Ausschlag, die Menschen saßen draußen, sogar die Autofahrer waren freundlich, und erklärten der verirrten Fahrradfahrerin den Weg, statt rüde zu hupen. „Da dachte ich: Wahnsinn. Voll nett. Und sowas ist hier oft passiert.“ Außerdem, und wahrscheinlich wichtiger: „Bei Kay habe ich das Gefühl, hier ist jemand, der mich unbedingt dabeihaben möchte, der mich braucht. Nicht nur als Schauspielerin, sondern als künstlerisch arbeitende Person, mit der man zusammen etwas entstehen lassen kann.“

Seit August ist Schubert jetzt also Kölnerin, freut sich über nachbarschaftlichen Kontakt, den sie in Berlin nicht hatte, verzweifelt an der KVB – und feiert am Freitag ihre erste Premiere im Depot 1, in „Rabatz“ unter der Regie von Herbert Fritsch. Der Experte für überschwänglichen Bühnen-Irrsinn kehrt nach 13 Jahren zurück ans Schauspiel Köln. „Da gibt es keine Vorlage“, sagt die Schauspielerin, „man geht auf die Bühne, hat nichts, und fängt an zu spielen. Es gibt Rabatz – das ist ein Wort, ein Zustand, ein Gefühl.“

Diese Lust am Offenen, am Spielerischen, zieht sich durch alles, was Julia Schubert macht – auch durch ihre Arbeit mit dem Kollektiv „Das Manko“, das sie zu Beginn der Pandemie mit Freunden gegründet hat. „Wir wollten raus aus diesem ‚Man müsste doch mal‘. Also haben wir’s einfach gemacht.“ Das Ergebnis: eine absurde, fast wortlose Serie über elf Behördenangestellte, die denken, sie seien auf einer Weiterbildung – und in Wirklichkeit längst entlassen wurden. Mit Erfolg: 2026 wird die Serie im ZDF im Rahmen von „Das kleine Fernsehspiel“ ausgestrahlt, Regie führt Arne Feldhusen („Stromberg“, „Der Tatortreiniger“, „How to Sell Drugs Online (Fast)“). „Politischer, absurder Humor“, sagt sie, „Leute, die ihr Bestes geben – aber es ist nie genug.“

Man kann das auch positiv wenden, als ein Weitermachen. Ein Nie-genug-haben. Was sie sich von ihrer Kölner Zeit erwartet?  „Neue Formen, neue Regisseurinnen und Regisseure, dass wir ein gutes Team werden, alle zusammen und mit den Kölnern und Kölnerinnen.“


„Rabatz!“, ein komischer Abend von Herbert Fritsch und Ensemble, feiert am 31.10. seine Premiere. Weitere Termine: 6., 28. November, 7. Dezember, Depot 1