Scheidungsgerüchte um Emily BluntWarum plötzlich jeder Promi-Klatscher glaubt, Lippen lesen zu können

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Die US-britische Schauspielerin Emily Blunt und ihr Ehemann, der US-Schauspieler und Regisseur John Krasinski posieren vor den 81. Golden Globe Awards im The Beverly Hilton Hotel in Beverly Hills, Kalifornien, am 7. Januar 2024.

Powerpaar aus Hollywood: Emily Blunt und John Krasinski

Ein Video von den Golden Globes führt zu wilden Vermutungen. Aber schon die alten Griechen orakelten. Unsere „Prominent verteidigt“-Kolumne.   

Emily Blunt und John Krasinski lassen sich scheiden. Behauptet das allwissende Internet. Und legt den Beweis vor. Oder so ähnlich. Millionenfach geteilt wurde ein Videoschnipsel, der das Powerpaar aus Hollywood auf dem Roten Teppich der Golden Globe Awards zeigt. Sie posieren Arm in Arm für die Fotografen, er raunt ihr etwas aus dem Mundwinkel zu. Nur was? Man kann es nicht wirklich verstehen.

Aber das hält das Internet bekanntlich nicht auf, weshalb sich lippenlesende Smartphone-Detektive nach viel aufgeregtem Hin- und Her-Geposte schließlich darauf einigten, dass Krasinski just diesen Moment im grellen Licht der Öffentlichkeit ausgewählt hatte, der Frau, mit der er seit 13 Jahren verheiratet ist, der Mutter seiner beiden Töchter, Folgendes zu eröffnen: „Ich kann es nicht erwarten, mich scheiden zu lassen.“ Gebrochenes-Herz-Emoji: Genau so muss es gewesen sein, da ist kein Zweifel möglich.

Dass man besser den Mund hält, weiß man aus John Krasinskis Film „A Quiet Place“

In ihrer gemeinsamen „A Quiet Place“-Horrorfilmreihe hatten die beiden Partner gelernt, dass schon die kleinsten Geräusche todbringende Aliens anlocken können: „Wenn sie dich hören, werden sie dich jagen“, lautete damals die Werbezeile. Wenn sie dich nicht hören können, jagen sie dich auch: Das gilt offensichtlich für das richtige Leben. Fußballer und ihre Trainer haben ja bereits gelernt, sich die Hand vor den Mund zu halten, wenn sie Taktik-Anweisungen teilen.  

Das sogenannte richtige Leben zeichnet sich dadurch aus, dass zwar immer eine Kamera parat liegt, um es festzuhalten, auf dem Roten Teppich sogar nach ein paar hundert Kameras mehr, aber es dafür leider regelmäßig mit dem Ton hapert. So erging es auch Selena Gomez und Taylor Swift auf derselben Veranstaltung. Die besten Freundinnen steckten am Tisch die Köpfe zusammen und klatschten nach Herzenslust, man kann Gomez tuscheln und Swift den Mund erstaunt aufreißen sehen – doch es war einfach nichts zu hören! Also für uns. Das Video der beiden Gossip-Girls ging viral – sagt man das noch? – und diesmal beteiligten sich Klatschgazetten wie Hochglanzmagazine am neuen E-Sport Lippenlesen.

Schnell kristallisierte sich auch hier eine klare Botschaft heraus: Offensichtlich ging es um Timothée Chalamet, der an einem anderen Tisch mit Kylie Jenner herummachte. Das hatten wir ja bereits geahnt, dass man als Geschäftsfrau hunderte von Millionen Dollar verdienen kann und trotzdem innerlich auf dem Pausenhof bleibt.

Aber, wollen Sie einwerfen, das geht uns doch alles gar nichts an!  Worauf ich antworten könnte, dass man Klatsch als „Informationsaustausch über abwesende Personen“ definiert und Promis eben die ultimativ abwesenden Personen sind. Was jedenfalls so lange gilt, bis Julia Roberts die Reisebuchhandlung betritt, die ich jetzt nur noch eröffnen müsste. Und Klatsch dient dem Zusammenhalt der Gemeinschaft. Ein Super-Argument, solange man den Satz nicht mit „… genau wie Mobbing“ ergänzt.

Dass sich freilich eine weltumspannende Gemeinschaft von Hobby-Hermeneutikern ans Lippenlesen macht, ist ein relativ neues Phänomen. Hermeneutik ist die Theorie des Verstehens und Interpretierens. Da mag man heute eher ans Germanistik-Seminar denken, ihren Ursprung hat diese Kunst jedoch in der Auslegung von Orakelsprüchen. Unsere Vorfahren wollten die Sprache der Götter enträtseln und nichts anderes wollen wir.

Professionelle Lippenleser (falls das eine geschützte Berufsbezeichnung ist) haben inzwischen übrigens mit den Scheidungsgerüchten aufgeräumt. Manche vermeinten, eine belanglose Unterhaltung über das Wetter erspäht zu haben, andere behaupteten, John Krasinski wollte seiner Frau nur mitteilen, dass man sich langsam ins Innere des Beverly Hilton bewegen sollte: „indoors“ statt „divorce“. Macht auch mehr Sinn. Puh, noch mal gutgegangen: Götter verstanden, Ehe gerettet.

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