Verrat, Sehnsucht, EinsamkeitSo klingt das neue Depeche Mode-Album „Memento Mori“

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Martin Gore (l) und Dave Gahan von Depeche Mode.

Martin Gore (l) und Dave Gahan von Depeche Mode.

Depeche Mode waren immer schon gut darin, mit Songs Gefühle zu wecken. Ihr neues Album hat aber eine besondere emotionale Wucht - aus verschiedenen Gründen.

Ist es Zufall oder Schicksal? „Memento Mori“, sich der Sterblichkeit bewusst sein, heißt das neue Album der britischen Band Depeche Mode. Eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Frust, Melancholie, Hoffnung und Freude, mit Songs über Abschied, Sterben und Gedanken an das Jenseits. Wenn es Ende März erscheint, liegt der plötzliche Tod des Mitbegründers Andrew Fletcher, genannt Fletch, noch nicht ganz ein Jahr zurück.

Eine Hommage an Fletch? Könnte man meinen, doch geplant war das nicht. „Alle Songs waren bereits geschrieben, wir haben mit den Aufnahmen begonnen, den Titel gab es schon“, sagte Sänger Dave Gahan der Deutschen Presse-Agentur in München.

Depeche Mode sind 80er-Ikonen

„Fletch starb, als wir gerade wieder zusammenkommen wollten“, erzählt Gahan weiter, der als Sänger der Synthie-Pop-Band in den 1980er Jahren zum berühmten und umschwärmten Star aufgestiegen war, ebenso wie Fletcher, Martin Gore und Alan Wilder, während Vince Clark schon nach dem ersten Album ausschied.

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Songs wie „Just Can't Get Enough“, „Enjoy the Silence“ oder „People Are People“ prägten eine ganze Generation von Jugendlichen, die sich am unverwechselbaren kreativen Elektronik-Sound zwischen Rock und Pop und den tiefgründigen Texten nicht satthören konnten und Depeche Mode zu einer der bekanntesten und wichtigsten Bands machten mit mehr als 100 Millionen verkauften Tonträgern.

Depeche Mode: Neues Album „Memento Mori“ mit schwerem Herzen

Nun also ein neues Album, dessen Idee zu Beginn der Corona-Pandemie entstand, das aber dennoch unter dem Eindruck des Verlustes von Fletcher steht, der im vergangenen Mai überraschend an einem Riss der Hauptschlagader starb. Zwölf Songs bietet „Memento Mori“, einer so hörenswert wie der andere. Depeche Mode schöpfen aus ihrem bewegten Leben, zwischen Erfolgen und schweren Zeiten, Enttäuschungen und erfüllter Liebe, Schmerz und Freude, aber auch Trauer.

Der Beginn „My Cosmos is Mine“ zieht einen sofort hinein ins Depeche Mode-Gefühl, mit einem Song über Verrat, Sehnsucht und Einsamkeit. Manche Titel sind trotzig wie „Wagging Tongue“ über Lügen und Zweifel, während „Ghosts Again“ verschwendete Gefühle, Abschiede und Tage zwischen Kummer und Hoffnung beklagt, auch mit dissonanten Klängen. Um Enttäuschung und Selbstbetrug geht es in „People Are Good“, während „Always You“ tröstlich von einer tiefen Sehnsucht zeugt. Und „My Favourite Stranger“, mein liebster Fremder, ist bei Depeche Mode das eigene Spiegelbild.

Depeche Mode: Was kommt nach dem Ende?

Über allem schwebt die Frage: Wie geht es weiter nach dem Tod? Ein Mysterium, das „Soul With Me“ eindringlich und mit schlichten Worten besingt, gleichzeitig aber auch mit leichter Ironie. „I'm heading for the open sky“, heißt es dazu im Song „Soul With Me“. „I'm going, where there are no tears“. Ein Aufsteigen in den Himmel, dorthin, wo es keine Tränen und Sorgen gibt, weg von den Zwängen auf der Erde. Und: „I'm ready for the final page“, ich bin bereit für das Ende.

„Das Album weist immer wieder darauf hin, dass das Leben sehr kurz ist und die Zeit verfliegt“, sagt Gahan. Auch er selbst weiß, dass er irgendwann nicht mehr auftreten wird. „Ich fühle, dass die Zeit kommt“, gibt er zu. „Ich liebe es, aufzutreten, wirklich. Und ich werde einen Weg finden, das auch weiter zu tun. Aber mein Körper wird mir in Zukunft nicht mehr alles erlauben, was ich machen will. Das weiß ich.“ Doch noch ist es nicht soweit. „Bis dahin wird hoffentlich noch viel Zeit vergehen“, beruhigt der 60-Jährige.

Dave Gahan: „Das Leben ist wunderschön, aber gleichzeitig auch irgendwie grausam“

Dass Fletcher beim 15. Studioalbum nicht mehr am Keyboard dabei ist, ist für Gahan nicht leicht. 40 Jahre habe er mit ihm und Martin Gore als Depeche Mode verbracht. Und oft waren sie zusammen in Kalifornien, bei Gore. So wie auch dieses Mal bei den Aufnahmen fürs Album. Er habe in dieser Zeit oft an Fletcher gedacht. Interviews, Foto-Sessions, Videos und die aktuelle „Memento Mori“-Tour - alles ohne ihn. „Das ist eigenartig“, findet Gahan. „Aber so ist das Leben. Das Leben ist wunderschön, aber gleichzeitig auch irgendwie grausam.“

So ist es kein Wunder, dass „Memento Mori“ trotz aller Traurigkeit von einer großen Zärtlichkeit durchdrungen ist und der Hoffnung, dass alles gut werden könnte, auch wenn das Leben so flüchtig ist. Oder, um es mit Gahans Worten zu sagen: „Genieße, was du machst, hol das Beste raus. Denn keiner weiß, was morgen sein wird.“ (red/dpa)

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