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Star-Counter Jakub Józef OrlinskiMitunter ist das Mehr auch ein Weniger

3 min
Komponist Aleksandar Debicz Counter Jakub Józef Orlinski

Komponist Aleksandar Debicz und Star-Counter Jakub Józef Orlinski brachten eine typische Crossover-Agenda auf die Bühne der Kölner Philharmonie

Der polnische Star-Counter und begnadete Performer Jakub Józef Orlinski brachte allerlei verpoppten und verjazzten Barock in die Kölner Philharmonie.

Vor zwei Jahren erfreute, begleitet vom Originalklangensemble Il pomo d'oro, der polnische Counter Jakub Józef Orlinski in der Kölner Philharmonie mit einem Gesangsprogramm aus echtem Frühbarock. Soeben kehrte er dorthin zurück – diesmal nicht mit Originalkompositionen, sondern mit verpoppten und verjazzten Monteverdis, Purcells, Händels, Vivaldis. Eine typische Crossover-Agenda somit, hingestellt auf das funzelige und vernebelte Podium des Konzerthauses mit drei allesamt auch im U-Bereich tätigen Musikerkollegen aus seinem Heimatland: dem Drummer Marcin Ulanowski, dem Bass-Instrumentalisten Wojciech Guminski sowie dem Pianisten und Komponisten Aleksandar Debicz, der die Stücke einschlägig arrangiert hatte. Intro und Finale steuerte Debicz aus eigener Produktion bei, das Zitat von Bachs legendärer (tatsächlich nicht von ihm stammender) d-Moll-Orgeltoccata spannte Anfang und Ende zusammen.

Zwischen Breakdance-Einlagen und künstlichem Klang

Irgendwie liegen solche Events bei einem Star wie Orlinski in der Luft: Der ist ein begnadeter Performer und Autoperformer, der lässige Publikumsadressen formuliert, im modischen Schlabberlook wie kurz nach dem morgendlichen Aufstehen über die Bühne tigert, virtuose Breakdance-Einlagen serviert und im Bewegungsspiel zuweilen auch den (wohl falschen) Eindruck einer leichten Dröhnung vermittelt. Der beim begeisterten Publikum ankommende Klang ist freilich in hohem Maße künstlich: Der Sound wird mikroverstärkt und hallig, sodass man über die Eigenqualität der vokalen Darbietung wenig sagen kann. Die helle Beweglichkeit von Orlinskis Altus und seine Fähigkeit, in eine suggestiv-stimmungsvolle Melancholie zu verfallen, sollten aber nicht in Zweifel stehen.

Vom Nachteil der Einseitigkeit heimgesucht

Für den gespielten und gesungenen Pop-Barock oder Barock-Pop muss man freilich etwas übrig haben. Dabei weiß man nicht erst seit „A Whiter Shade of Pale“, dass die Verbindung gut funktionieren kann. Tatsächlich hat sich die Popmusik seit ihren Anfängen immer wieder massiv bei Bach und Konsorten bedient – bei ihren absteigenden Tetrakkorden, ihren Quintfall-Sequenzen, ihrem motorisch-energetischen Groove, der auch heute noch einen Rausch, eine Trance des Repetitiven auszulösen vermag. All diese Effekte stellten sich auch diesmal zwanglos ein, befördert noch durch das improvisatorische Temperament der zweifellos exzellenten Musiker.

Die kompositorische Substanz der Stücke bleibt immer erhalten, scheint zumindest wiedererkennbar durch, wird halt rhythmisch und klangmäßig entsprechend angepasst. Aber mitunter ist das Mehr auch ein Weniger: Wie Orlinski die genial-schlichte Melodie der „Fairest Isle“ aus Purcells „King Arthur“ aufbrezelt, das raubt dem Satz einen großen Teil seines originären Reizes. Generell wurde auch dieses Konzert von jenem Nachteil der Einseitigkeit heimgesucht, der sich zumal mit Pop-Nachempfindungen von Barockmusik leider immer wieder verbindet: Der motorische Drive wird effektvoll radikalisiert, aber ein wesentlicher Aspekt der Vorlagen (vor allem, aber nicht nur derjenigen Bachs) bleibt nahezu auf der Strecke: der Kontrapunkt.