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KommentarJeff Bezos macht den Weg frei – aber nur für sich

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Blick auf die Jacht, die für Jeff Bezos am Kai in Zwijndrecht gebaut wird. 

Rotterdam – In ihrer ganzen Pracht kann man die Rotterdamer Hubbrücke „De Hef“ in einem frühen, ungemein dynamischen Kurzfilm des niederländischen Dokumentaristen Joris Ivens bewundern. „De Brug“ stammt aus dem Jahr 1928, ist nur ein Jahr jünger als das Objekt seiner unverhohlenen Bewunderung.

Dampflokomotiven rattern von links nach rechts über die Brücke, dann erhebt sich das Mittelstück fast 40 Meter in die Höhe, ein Triumph der Ingenieurskunst, um ein Segelschiff aus dem Koningshaven herausfahren zu lassen. Schwindelerregend hoch wirkt das, jedenfalls durch Ivens Objektiv gesehen.

Aber 40 Meter sind nicht hoch genug für den zweihundertfachen Dollar-Milliardär Jeff Bezos. Beziehungsweise für dessen neue Superjacht, die ihm die Werft Oceanco in Alblasserdam zum Preis von rund 430 Millionen Euro gebaut hat. Der Dreimaster ist mit 127 Metern zwar nur die zweitlängste, dafür aber die höchste Yacht der Welt.

Dass Bezos, der sich mit phallisch geformten Raketen in den Orbit schießen lässt, ein Faible fürs Vertikale hat, ist bekannt. Die nagelneue Pracht-Yacht soll noch dieses Jahr vom Stapel laufen. Verbarrikadierte ihr nicht die alte „De Hef“ den freien Weg ins offene Meer.

Oceanco plant nun, die erst vor fünf Jahren aufwendig sanierte Brücke abzutragen und sogleich wieder aufbauen zu lassen. Zur Empörung der Rotterdamer Bevölkerung, für die „De Hef“ ein identitätsstiftendes Industriedenkmal, und Bezos die lebende Verkörperung der Totalausbeutung ist.

„Dieser Mann hat sein Geld mit strukturellem Personalabbau, Steuerhinterziehung und dem Umgehen von Vorschriften verdient. Und jetzt müssen wir unser schönes Nationaldenkmal abreißen?“, ätzte ein Lokalpolitiker der niederländischen Grünen auf Twitter.

Zwar hatten sich Werft und Auftraggeber sofort bereit erklärt, alle anfallenden Kosten zu übernehmen. Doch da war die Durchfahrt noch nicht zum Politikum geworden, und die Gemeindevertreter konnten mit der Sicherung von Arbeitsplätzen argumentieren, ohne wie Schergen des allmächtigen Amazon-Chefs zu wirken.

Sollten sich die Masten der Superjacht stur auf ihren rechten Winkel versteifen und „De Hef“ am Ende doch abgebaut werden müssen, so wünschen wir uns einen Dokumentarfilmer von der Güte Joris Ivens’, um den Vorgang im Film festzuhalten: Als bildmächtige Allegorie auf die Durchsetzungskraft des Hyperkapitalismus gegen die vergangene Welt der Industrialisierung. Er macht den Weg frei. Aber nur für sich.