Walde Huth im Museum LudwigEin Heiligenschein für die Zeit des Wirtschaftswunders

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Eine Frau blickt leicht von unten in die Kamera, um den Hals trägt sie kostbaren Schmuck.

In den 1950er Jahren wurde Walde Huth als Modefotografin bekannt. Das Kölner Museum Ludwig zeigt jetzt auch die Aufnahme „Lucky Décolleté, Kleid von Dior“

Die Kölner Fotografin Walde Huth inszenierte Modeträume in Farbe und Schwarz-weiß. Jetzt erinnert das Museum Ludwig an ihr Werk.

Sie müssen das zweite Traumpaar der Kölner Fotografiewelt gewesen sein, gleich nach Renate und L. Fritz Gruber. Vielleicht waren Walde Huth und Karl Hugo Schmölz nicht ganz so glamourös, aber dafür ungemein erfolgreich, vor allem in den 1960er Jahren, als ihr Studio Schmölz + Huth zu den gefragtesten Bilderlieferanten der deutschen Werbeindustrie gehörte. Bei ihnen bekam das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit den Heiligenschein nachholenden Konsums, mit Bildern, die sich, jedenfalls bei Huth, nicht so recht zwischen steril und surreal entscheiden konnten.

Wenn man Walde Huth heute noch kennt, dann vor allem wegen ihrer in den 50er Jahren entstandenen Pariser Modeaufnahmen für deutsche Zeitschriften wie der „Eleganten Welt“. Mit teilweise ikonischen Bildern brachte Huth die neuesten Kollektionen von Christian Dior und anderen Häusern der Haute Couture nach Deutschland, meistens lieh sie sich die Models dafür während der Wartezeit auf die abendlichen Modeschauen aus. Huth ließ die Frauen selbstbewusst in die Kamera schauen, aber ihr eigentliches Augenmerk lag auf der Bildkomposition, darauf, wie sich die geschwungene Silhouette eines Abendkleids zum Brückenbogen im Hintergrund verhält.

Walde Huth starb verarmt im Souterrain ihrer einstigen Villa

Jetzt will Miriam Szwast, Fotokuratorin am Museum Ludwig, die ganze Walde Huth präsentieren – jedenfalls in kleinen Ausschnitten. Als roter Faden durch das Werk der 2011 in Köln verstorbenen Fotografin dienen ihr „Material und Mode“, so der Ausstellungstitel, unter dem frühe, etwas steife Produktaufnahmen für die Samtfabrik Gottlieb Ott & Sohn erstaunlich bruchlos mit Huths späten, ins Abstrakte tendierenden und ausdrücklich für den Kunstmarkt geschaffenen Bildern zusammenfinden. Offenbar war Huth eine Stofffetischistin, die nach dem Ende ihre Werbekarriere nicht von rauschenden Roben lassen konnte – auch wenn sie nun Lichtkaskaden fotografierte, die durch die Gardinen und Vorhänge ihres Wohnzimmers rauschten.

Mode ist allerdings das dominante Motiv der Ausstellung – in elegantem Schwarz-weiß und in Farbe, als das noch keine Selbstverständlichkeit war. Die Farbfotografie hatte Huth noch vor Kriegsende bei Agfa gelernt, in einer „Geheimabteilung“, die, so der Fotohistoriker Rolf Sachsse, im Auftrag Hitlers auch gefährdete Kulturgüter dokumentierte. Später soll Huth bei den Dreharbeiten zum Ufa-Film „Münchhausen“ Standfotos in Agfacolor angefertigt haben.

Farbig bestrumpfte Beine sind auf einen beigen Teppich zu sehen.

Walde Huths Werbeaufnahme für Tretford-Teppichboden (1968)

Im schmalen Fotoraum des Ludwig müssen wenige Beispiele genügen, um Huth als Pionierin der professionellen Farbfotografie in Deutschland vorzuführen. Szwast zeigt eine Aufnahme von Blüten auf rotem, Falten werfenden Samt und ein Model, das, gleich einer antiken Büste und in Pastelltönen hinter einer Perlenkette posiert. Beide Arrangements wirken seltsam überinszeniert, aber gerade deswegen wie Sinnbilder einer verwelkten Vorstellung von Luxus. Beinahe schon zum Spätwerk gehört eine Sammlung bestrumpfter Beine, die als verknäulter Regenbogen auf einen beigen Teppich fällt.

Szwast nennt die Ausstellung einen Anfang, denn es gebe bei Walde Huth noch vieles zu erforschen und möglicherweise zu entdecken. Angesichts ihrer bedeutenden Karriere ist dies einigermaßen erstaunlich, aber auch bezeichnend für die Vernachlässigung der angewandten Künste. Als freie Fotografin konnte Huth niemals an ihre Erfolge als Werbefotografin anknüpfen – sie starb verarmt in der Souterrainwohnung ihrer einstigen Villa in Marienburg.

Die Umstände des großen Bruchs in Huths Karriere sind ebenfalls noch ungeklärt. Sachsse schreibt im Begleitband zur Ausstellung von einer um die Jahre 1969/70 „nachlassenden Konjunktur“, Szwast erwähnt einen ruinösen Fall von Industriespionage, bei dem Produktprototypen, die von Schmölz und Huth fotografiert werden sollten, aus ihrem Studio entwendet wurden. Vielleicht kann der Dieb für Aufklärung sorgen, wenn es ihn statt an den Tatort ins Museum zieht.


„Walde Huth. Material und Mode“, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 23. September 2023 bis 3. März 2024. Die Publikation zur Ausstellung kostet acht Euro.

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