Papier wird knappWie Kölner Buchverlage ihr (Vor-)Weihnachtsgeschäft retten

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KU-Bücherstapel

Der Papiermangel belastet auch die Buchverlage.

Köln – Das Papier wird knapp –  aber erstmal Entwarnung: Niemand muss deswegen mehr Toilettenpapier zu Hause hamstern.  Und  es werden trotzdem gedruckte Bücher unterm Weihnachtsbaum liegen, da ist sich  Dorothee Junck ganz sicher: „Wir haben einen tollen Bücherherbst und es gibt überhaupt keinen Grund, nur noch E-Book-Gutscheine zu verschenken“, sagt die Kölner Buchhändlerin.

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Dennoch: Für die Buchverlage ist der Papiermangel stressig und teuer. Hat ein Buch sich sehr gut verkauft, reichte  noch vor ein paar Monaten ein Anruf bei der Druckerei – und zwei Wochen später war die neue Auflage da. Doch so spontan gibt es  die Mangelware Papier heute nicht mehr. 

„Seit einigen Monaten gibt es in der Buchproduktion sehr große Unsicherheiten, ja sogar Ängste, dass wir unsere Bücher nicht rechtzeitig von der Druckerei bekommen und die Buchhandlung und der Kunde im schlimmsten Fall auf ein Buch warten muss oder Buchpremieren abgesagt werden müssen.  Das liegt vor allem  an der momentanen Unberechenbarkeit auf dem Papiermarkt“, sagt Katrin  Jacobsen, Herstellungsleitung beim Verlag Kiepenheuer & Witsch.

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Katrin Jacobsen

Früher habe man vier bis fünf Tage auf das Druckpapier gewartet, jetzt könnten es auch mal sechs bis acht Wochen sein – oder noch länger. „Viele Verlage entscheiden  deswegen: »Wir drucken vor Weihnachten noch mal, was das Zeug hält. Hauptsache unsere Bücher sind nicht vergriffen«.“

Bis jetzt musste sie noch keinen ihrer Titel aus dem aktuellen Herbstprogramm  verschieben. Aber sehr flexibel sein: Zum Beispiel einen Auftrag bei mehreren Druckereien produzieren lassen, die noch Kapazitäten frei haben oder unterschiedliche Papiersorten und Materialien einsetzen.

Was nicht immer ganz einfach ist, erzählt sie  – und bei aufwendigen Büchern mit farbigen Abbildungen sogar fast unmöglich: „Die Illustrationen sind auf ein bestimmtes Papier abgestimmt.  Ein Papierwechsel kann durchaus bedeuten, dass man neue Druckdaten braucht und das kostet dann wieder Zeit und Geld. Im schlechtesten Fall ändert sich auch noch die Rückenbreite und dann muss ein neues Cover gemacht werden, damit wieder alles passt.“

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"Every" von Dave Eggers

Gerade ist „Every“ erschienen, das neue Buch von Dave Eggers. Man erwartet sich beim Verlag viel von dem  Nachfolger des Weltbestsellers „Der Circle“  – und da will Katrin Jacobsen kurz vor dem Weihnachtsgeschäft keine Risiken eingehen: „Bei diesem Titel haben wir uns gleich mit der Erstauflage alle Materialien für eine zweite und sogar eine dritte Auflage reserviert – tatsächlich wegen der Papier-Knappheit“.

Deswegen fehlt Papier

Der boomende Internethandel ist nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ein Grund für die Papierknappheit: Es würden nun viel mehr Verpackungen produziert, auf Kosten der grafischen Papiere. Die Preise für Altpapier seien innerhalb des letzten Jahres um 75 Prozentgestiegen, die Preise für Zellstoff hätten sich verdoppelt. Auch die Preise für den internationalen Transport haben sich laut Börsenverein extrem verteuert, und die Lieferkapazitäten zum Beispiel bei Containerschiffen seien ausgeschöpft. Gleichzeitig gebe es Lieferengpässe für bestimmte Chemikalien, die in der Papierproduktion benötigt werden.

Auch Markus Stache hat schon für Vorrat gesorgt. Er ist kaufmännischer Geschäftsführer beim DuMont Buchverlag, wo Benjamin Myers’ Bestseller „Offene See“ erscheint: „Gerade im Vorweihnachtsgeschäft achtet der Verlag besonders darauf, dass die Spitzentitel vorrätig sind. Das Taschenbuch von »Offene See« hat zum Beispiel ein besonderes Umschlagmaterial – wir haben es in größeren Mengen bevorratet, damit wir bei Bedarf schnell nachdrucken können.“

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Benjamin Myers: "Offene See"

Doch es ist auch riskant, wenn Verlage sich bestimmte Papiere auf Vorrat kaufen, ohne genau wissen zu können, wie  viele Auflagen gedruckt werden. Oder sogar  vorsichtshalber mehr Exemplare drucken als sonst. „Da kann es im schlechtesten Fall passieren, dass am Ende höhere Restbestände übrig bleiben, die nicht abgesetzt werden. Das ist auch ein Kostenrisiko“, sagt Markus Stache. 

Die Kosten steigen

Und die Kosten sind ohnehin hoch, erzählt Verleger Hejo Emons: „Es gibt Druckereien, die sagen: Wenn ihr im nächsten halben Jahr Papier verdrucken wollt, dann bestellt das bitte jetzt und bezahlt es auch jetzt.“ Und das in einer Zeit, in der das Papier ohnehin fünf bis zehn Prozent teurer sei als   noch vor ein paar Monaten. 

Auch die Autoren und Autorinnen und das Lektorat bekommen den Druck  zu spüren: „Ich muss öfter mal drängen: »Bitte gebt die Manuskripte früher ab!«“, erzählt Katrin Jacobsen von Kiepenheuer & Witsch: „Wir müssen mit dem Satz schneller fertig werden, damit die Druckereien einen größeren Spielraum haben und wir den Zeitdruck und die Lieferengpässe entzerren.“

Vieles wurde verschoben

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Ein Drucker wechselt Papierrollen für den Buchdruck in einer Druckmaschine 

Die Auftragslage in den Druckereien  sei in diesem Jahr um etwa  30  Prozent gestiegen – auch weil viele Titel aus 2020, die wegen Corona verschoben wurden, jetzt alle auf einmal erscheinen. „Das will erst einmal alles gedruckt werden.“ Papier ist übrigens immer noch das Lieblingsmaterial der Leser – nur etwa 14 Prozent der verkauften Bücher bei Kiepenheuer & Witsch sind laut Katrin Jacobsen E-Books, bei DuMont sind es 15 Prozent. 

Wenn die Buchhandlungen im Weihnachtsgeschäft also trotz Papier-Knappheit gut gefüllt sind, haben die Leser und Leserinnen das der Mehrarbeit hinter den Kulissen der Buchverlage zu verdanken. Wer ganz sicher gehen will, dass ein spezielles Buch auch lieferbar ist, sollte aber nicht erst am 22. Dezember einkaufen gehen, rät Buchhändlerin Dorothee Junck. „Aber das würde ich auch sonst nicht empfehlen.“

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