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Interview

Zeichner Alex Solman
„Boateng und Lindemann würde ich nicht zeichnen“

4 min
Das Bild zeigt den Künstler Alex Solman. Foto: Mark Frost

Das Bild zeigt den Zeichner Alex Solman

Alex Solman porträtiert Verstorbene von David Bowie über Uwe Seeler bis Lothar König. Ein Gespräch über den Hamburger Golden Pudel-Club, sein Verhältnis zum Tod und warum er die von ihm Porträtierten nicht heroisiert.

Herr Solman, was bedeutet der Tod für Sie?

Das ist für mich ein völlig nebulöses Thema, ein Thema, obwohl es vielleicht gar nicht den Anschein hat, dass ich gerne verdränge.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Wie Geron Klug, mit dem ich zusammen das Buch ‚Staying Alive‘ gemacht habe, gesagt hat: vorm Sterben ja, vor dem Tod nein. Was soll sein? Es ist einfach vorbei, Schluss, Aus, Ende. Das ist vielleicht schwer vorstellbar, aber da ist halt nichts mehr – glaube ich jedenfalls. Lassen wir uns überraschen.

Dass Sie sich noch nie mit dem Tod auseinandergesetzt haben, überrascht, denn Sie zeichnen seit Jahren Verstorbene – von denen jetzt eine Auswahl in Ihrem Buch ‚Staying Alive‘ erschienen ist. Zuletzt waren das etwa der Schlagerkomponist Jack White, Giorgio Armani oder Sly Stone. Wie kamen Sie dazu, öffentliche Personen, nach deren Tod zu zeichnen?

Das ging zu der Zeit los, als in kurzer Folge Prince, Georg Michael, Lemmy von Motörhead und David Bowie gestorben sind. Ich war von niemandem von denen großer Fan, aber die haben mich alle ein Leben lang begleitet. Denn ich bin begeisterter Musik-Freund, ich sammle Schallplatten, ich höre den ganzen Tag Musik und bin da auch sehr offen - von Italo-Disco über Black Metal bis zu zeitgenössischen Kompositionen ist alles dabei. Und eines Morgens kam mir die Idee, David Bowie zu zeichnen - so als Fingerübung.

Ich habe dann die Zeichnung gemacht, veröffentlicht – und sie kam gut an. Dann ging es Schlag auf Schlag, und sehr schnell fing es an, dass Leute darauf gewartet haben, dass ich ein Portrait zeichne und mich darauf hingewiesen haben, dass der und der gestorben sind.

Auf dem Bild ist eine Abbildung des Covers des Buches Staying Alive zu sehen. Foto: Dumont Buchverlag

Das Bild zeigt das Cover des Buches Staying Alive von Alex Solman und Gereon Klug.

Angefangen haben Sie mit Zeichnungen für den Hamburger Golden Pudel-Club, für den Sie zuerst Flyer, später dann das komplette Artwork gestaltet haben.

Davor hatte ich für meinen ehemaligen Klassenkameraden Marco Haas, besser bekannt als T.Raumschmiere, Plattencover gezeichnet. Als ich Anfang der 2000er nach Hamburg gezogen bin, hat der mich mit Tim Lorenz zusammengebracht, der für ihn zu der Zeit die Pressetexte geschrieben hat – und im Pudel die Sonntags-Veranstaltung gemacht hat.

Der kannte meine Arbeiten und meinte dann „Super, du machst das jetzt für den Pudel“ Ich kam gerade aus der Provinz, war todesnervös, habe aber auch nicht gewagt Nein zu sagen. So ging's los. Niemand hat mir da hereingeredet – es gab ja auch kein Geld.

Das Bild zeigt Dave Ball, Musiker des britischen Duos Soft Cell. Foto: Alex Solman / DuMont Buchverlag

Dave Ball von dem britischen Pop-Duo Soft Cell

Ergänzend zu Ihren Zeichnungen enthält ‚Staying Alive‘ Texte von Geron Klug, der in Hamburg unter anderem den Plattenladen Hanseplatte betrieben hat, als Buchautor, Fernseh- und Songtexter arbeitet, unter anderem für Deichkind.

Durch die Texte von Gereon bekommt man noch mal ganz andere Informationen, als in irgendwelchen Kurzbios, die man mal eben schnell im Internet abrufen kann. Für die ganzen Anekdoten aus Gereons Texten, müsste man schon tief graben. Die Texte bieten aber nicht nur die Möglichkeit auf Entdeckungsreise bei den Leuten zu gehen, die man kennt, sondern auch die kennenzulernen, die einem gar nichts sagen.

Nicht alle der Verstorbenen sind prominent, einige dürften nur einem Nischenpublikum bekannt sein

Ich bin froh, dass der Verlag nicht nur Leute wie Uwe Seeler oder Prince gewollt hat. Am Ende haben der Verlag, Gereon und ich geguckt, wen wir drin haben wollen und versucht, unsere jeweiligen Wünsche zu berücksichtigen. Ins Buch sind etwa 200 Leute gekommen, das ist viel, aber nur ein Bruchteil derer, die ich gezeichnet habe. Ich habe hier bestimmt 500 Tote herumliegen.

Das Bild zeigt eine Zeichnung von Florian Schneider (Kraftwerk) des zeichners Alex Solman. Foto: Alex Solman / Dumont Buchverlag

Auch den 2020 verstorbenen Kraftwerk-Mitbegründer Florian Schneider hat Alex Solman nach dessen Tod gezeichnet.

Gab es eine Person, deren Tod Sie so berührt hat, dass es schwierig, vielleicht so gar unmöglich war, sie zu zeichnen?

DJ PATEX vom Pudel. Das war ein totaler Albtraum, was Krasseres fällt mir nicht ein. Das hat ewig gedauert, ich konnte mich lange nicht dran setzen. Das brauchte mehrere Anläufe über Wochen und ging nicht in einem Rutsch. Ich habe es jetzt auch mit meinem Vater versucht, der kürzlich verstorben ist, das war ähnlich schwierig.

Verstehen Sie das Buch als eine Art Nachruf auf die dort Gezeichneten?

Die Idee war nicht, eine Lobhudelei für die Leute zu veröffentlichen, die von uns gegangen sind. Es geht mir viel mehr um ein kurzes Innehalten und einen Hinwesi auf das Schaffen der Künstler, denn ich habe leider häufig genug erst durch deren ableben von ihrem leben und Werk erfahren.

Leute, die eine extrem zweifelhafte Vita haben, die richtig Scheiße gebaut haben, sei es, irgendwelche Missbrauchsgeschichten oder andere Übergriffigkeiten, sind nicht im Buch drinnen. Aber natürlich sind das am Ende auch alle Menschen, und einige aus dem Buch haben mehr oder minder dunkle Stellen.

Also wenn irgendwann Jérôme Boateng oder Till Lindemann sterben, gibt es keine Zeichnung?

Garantiert nicht.


Alex Solman, Gereon Klug ‚Staying Alive - Unsterbliche Idole unserer Zeit. Zeichnungen und Worte‘ (mit einem Vorwort von Sarah Lorenz) DuMont, Hardcover, 304 Seiten, 20 Euro, 978-3-7558-2017-8