Leserbriefe zum Thüringer Landtag„Ein erbärmliches Schauspiel“

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Das Foto zeigt ein modernes Gebäude des Thüringer Landtags, vor dem sich eine niedrige Sandsteinmauer mit der Aufschrift „Thüringer Landtag“ befindet.

CDU und FDP im Thüringer Landtag haben mit den Stimmen der AfD eine Steuersenkung gegen die rot-rot-grüne Landesregierung durchgesetzt.

Demokratische Mehrheitsfindung oder Einreißen der Brandmauer gegen Rechts? Leser zum Thüringer Steuerbeschluss mithilfe von Stimmen der AfD.

CDU beschließt mit AfD Steuersenkung in Thüringen (15.9.)

Thüringer Steuerbeschluss: „Kein demokratiegefährdendes Potenzial“

Die Kritik an der CDU ist massiv, begleitet von vielseitiger, überschäumender Empörung und irritierender Rhetorik. Nüchtern betrachtet hat der Landtag des Freistaates Thüringen mit gesetzgebender Mehrheit die Absenkung der Grunderwerbsteuer von 6,5 auf 5 Prozent beschlossen, was im Übrigen breite Akzeptanz in der Bevölkerung findet. Der entsprechenden Initiative der CDU-Landtagsfraktion haben auch die FDP und wohl oder übel die AfD zugestimmt und damit der Gesetzesanpassung zum Erfolg verholfen.

Bedauerlicherweise dreht sich in der sofort entfachten breiten öffentlichen Diskussion fast alles um das Wie, über das Was wird wenig gesprochen. Bei der fraglichen Steuersenkung handelt es sich indessen mitnichten um eine Frage mit staatspolitischer Dimension, sondern um ein rein sachpolitisches Thema mit durchaus nachvollziehbarer, vernünftig begründeter Zielsetzung. Dass in dem parlamentarischen Verfahren die Stimmen der AfD den Ausschlag gegeben haben, ist unschön, demokratiegefährdendes Potenzial ist hierin jedoch nicht zu erkennen. Der Vorwurf an die CDU, sie habe mit der AfD kooperiert, ist schlichtweg unzutreffend und auch parteipolitischem Interesse geschuldet.

Der Vorwurf an die CDU, sie habe mit der AfD kooperiert, ist schlichtweg unzutreffend und auch parteipolitischem Interesse geschuldet
Roland Schweizer

Wenn jegliches legitime, sachlich vertretbare Vorhaben einer demokratischen Partei quasi unter den Vorbehalt der Nicht-Unterstützung durch die AfD gestellt würde, hätte dies im Grunde eine Selbstbeschränkung eigener Handlungsfähigkeit und politischer Gestaltungsmöglichkeiten zur Folge. Es würde somit letztlich der Rechtsaußen-Partei indirekt Gestaltungsmacht geben, was die große demokratische Mehrheit nicht wollen kann. Roland Schweizer Leverkusen

Thüringen: Schande für die CDU

Es ist eine Schande, was sich die Christdemokraten in Thüringen geleistet haben. Wie heißt es so schön: Wehret den Anfängen. Das ist hier offensichtlich misslungen. Georg Kruse Köln

Thüringer Landtagsbeschluss: „Schleichendes Gift“

Die gespielte Empörung darüber, dass der Entwurf für die Senkung der Grunderwerbssteuer in Thüringen auch von der AfD unterstützt wurde, ist bei Licht besehen reines politisches Geplänkel. Niemand kann verhindern, dass eine ordnungsgemäß zugelassene und gewählte Fraktion im Parlament einem anstehenden Gesetz zustimmt, unabhängig davon, ob sie im Verdacht steht, verfassungsfeindlich zu sein.

Die Entscheidung über Verfassungstreue liegt laut unserer Verfassung beim Bundesverfassungsgericht, nicht bei der Opposition oder den Medien. So funktioniert Demokratie. Auf der anderen Seite muss die erkenntliche Nähe dieser Partei zu den Konservativen als schleichendes Gift erkannt werden. Wie kam denn ein Hitler hoch? In einem an sich unbedeutenden Landesteil wurde er 1932 eingebürgert und kam später mithilfe des konservativen Zentrums an die Macht.

Wenn heute in den Parlamenten ständig Parteipolitik gemacht wird, anstatt sich gemeinsam den Problemen des Landes und der Leute anzunehmen, bereitet man den Boden für Extremismus vor. Wenn Merz und Söder öffentlich alle Entscheidungen der Ampelregierung schlecht reden und verkünden, sie würden nach einem Wahlsieg alles eliminieren, fördern sie den Unmut der Leute. Die wiederum sind nicht so dumm, nicht zu wissen, dass es die Merkel-Regierung war, die den Ausstieg aus der Atomkraft und das Klimaschutzgesetz erlassen hat. Bruno Melchert Köln

Thüringen: Nur die AfD profitiert

Seit Jahren geht man mit der AfD falsch um. Anstatt sie im Bundes- oder Landtag zu stellen, hat man sie einfach ignoriert. Welcher Wähler lässt sich das gefallen? Die Quittung besteht auch darin, dass die AfD stärker wird. Und nun diese große, scheinheilige Empörungskampagne der grünen, dunkelrot-linken und roten Minderheitsregierung in Thüringen. Selbst einige CDUler lassen sich dazu herab, zu kritisieren. Was haben diese Leute denn dazu beigetragen, die AfD zu verkleinern? Gar nichts!

Es ist billige Polemik, besonders weil diese Minderheitsregierung des Öfteren schon auf die Stimmen der Rechten gezählt hat, ohne dass dies besonders in den Medien behandelt wurde. Nur die AfD profitiert davon, alle anderen sind die Gelackmeierten. Die CDU hat ihren Antrag auf Senkung der Grunderwerbssteuer endlich durchbringen können und damit eventuell einen Beitrag zum billigeren Bauen geleistet. Gut so! Renate Schnorrenberg Euskirchen

Sündenfall von Oppositions- und Regierungsparteien in Thüringen

Zur Frage „Pragmatismus oder Sündenfall“ gibt es eine eindeutige Antwort: Es ist ein Sündenfall. Denn erstens wissen die Oppositionsparteien CDU und FDP, dass ihr Antrag nur mit den Stimmen der AfD Aussicht auf Erfolg hat. Nehmen sie ihre eigenen Reden zur Brandmauer gegen Rechtsradikale ernst, dürfen sie deren Stimmen bei der Durchsetzung von Anträgen gegen die Minderheitsregierung nicht eiskalt einplanen.

Die auf dem Boden der Demokratie stehenden Parteien bieten ein beschämendes Bild und die Rechtsradikalen ergehen sich in hämischer Freude
Christoph Menger-Skowronek

Und zweitens trägt auch die rot-rot-grüne Minderheitsregierung Mitschuld am Sündenfall. Sie verfügt über keine Mehrheit im Landtag und handelt aber, als sei das anders. In der gegebenen Situation wäre eine Kompromissbereitschaft in Richtung CDU und FDP angezeigt gewesen. Dann bräuchte es keine Stimmen aus einer rechtsradikalen Partei. Die auf dem Boden der Demokratie stehenden Parteien bieten hier ein beschämendes Bild und die Rechtsradikalen ergehen sich in hämischer Freude. Ein erbärmliches Schauspiel. Christoph Menger-Skowronek Köln

Landtag in Thüringen: Senkung der Grunderwerbssteuer letztlich sinnvoll

Über den Beschluss im Thüringer Landtag, die Grunderwerbsteuer zu senken, gehen die Meinungen weit auseinander – auch innerhalb der Parteien. Leider gehen die seitenlangen Berichte nur auf den politischen Streit ein, dass der Beschluss durch die AfD mitgetragen wurde. Über die Sinnhaftigkeit, diese hohe Ländersteuer endlich zu senken, damit sich Bürger und Bürgerinnen, insbesondere auch junge Familien, Immobilien leisten können, wird viel zu wenig gesprochen.

Schließlich sehnen sich viele Menschen nach den eigenen vier Wänden, um Altersvorsorge zu betreiben und den hohen Mieten zu entfliehen. Die Grunderwerbsteuer, die bis 1997 bundesweit bei 2 Prozent lag, wurde in den vergangenen Jahren kontinuierlich bis 6,5 Prozent erhöht. Sinnvolle politische Beschlüsse nur deshalb nicht mehr umzusetzen, weil selbst die AfD zustimmt, wäre ein Armutszeugnis für die das Wohl des Volkes vertretenden Abgeordneten. Franz Springer Köln

Thüringer Steuerbeschluss: Wo bleibt die „Einheit der Demokraten“?

Ich stimme Carsten Fiedlers Kommentar im Wesentlichen zu. Aber was soll die CDU in Thüringen denn machen? Sinnvolle Gesetzentwürfe nicht einbringen, weil die Gefahr besteht, dass die AfD zustimmen könnte und sich so indirekt von der AfD die politische Agenda bestimmen lassen? Dann hätten die genau das erreicht, was sie wollen. Und es wird wohl niemand ernsthaft bestreiten, dass in Zeiten, wo es allenthalben an bezahlbarem Wohnraum fehlt und Zinsen und Baukosten steigen, die Senkung der Grunderwerbsteuer eine hilfreiche und soziale Maßnahme sein kann. Carsten Fiedler fragt zu Recht, was aus Sicht linker Parteien falsch ist an Steuersenkungen. Zumindest wenn diese, wie im vorliegenden Fall, keine Industriemagnaten oder Millionenerben begünstigen, sondern kleine Häuslebauer, darunter zum großen Teil junge Familien. Es drängt sich der Verdacht auf, dass rot-rot-grün nur dagegen waren, weil die CDU dafür ist. Die viel beschworene „Einheit der Demokraten“ stößt anscheinend sehr schnell an ihre Grenzen, wenn es um die Verteidigung der eigenen Pfründe geht. Genau dieses kleinkarierte und anachronistische Parteiengezänk ist es, dass der AfD, nicht nur im Osten der Republik, die Wähler zutreibt. Udo Lang Bad Münstereifel