Zum Tod des Kreml-KritikersNawalnys Erbe gegen Putins tödliche Botschaft

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Alexej Nawalny, Oppositionspolitiker aus Russland, auf einem Video aus einem Gefängnis, das ihn während einer Schalte in einer Gerichtsverhandlung zeigt.  (Archivbild)

Der russische Opppositionspolitiker Alexej Nawalny während einer Videoschalte

Der Westen sollte die Schocknachricht anders verstehen, als Putin es möchte: Die Ermordung eines Oppositionellen im Gefängnis darf Nato und EU nicht von intensiverer Hilfe für die Ukraine abhalten. Putin muss gestoppt werden, wenn Europas Demokratie überleben soll.

Wenn die Nachricht keine perfide Finte Russlands ist, sondern dem perfiden Umgang Wladimir Putins mit Widersachern entspricht, dann ist Alexej Nawalny jetzt in seinem Kampf für Freiheit in seinem Land gestorben. Dem russischen Oppositionellen war klar, dass er seine Zukunft in Putins Diktatur riskiert, als er 2021 aus freien Stücken in seine Heimat zurückkehrte. Er hätte in Deutschland bleiben können, wo er nach dem Giftanschlag in Russland mit Mühe wieder auf die Beine gebracht wurde. Er hätte von hier aus die Opposition stärken können.

Aber das erschien ihm zu wenig Unterstützung für die eigenen Leute zu sein, die um Demokratie, Menschenrechte, Freiheitsrechte kämpfen. Nun ist er offenbar tot.

Man kann Putin alles, wirklich alles, zutrauen. Man darf davon ausgehen, dass Nawalny, der die Hoffnung auf eine freie russische Gesellschaft verkörperte, in der Strafkolonie am Freitag nicht zufällig gestorben ist – nach einem „Spaziergang“, wie es russische Behörden fast zynisch weismachen wollen.

In einem Moment, als Deutschland als erster von voraussichtlich mehreren EU-Staaten mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine immens wichtige Sicherheitsvereinbarung schließt, und in München die internationale Politelite – außer aus Russland – zu einer Sicherheitskonferenz zusammenkommt. Dort wird über weitere Hilfe für die Ukraine gesprochen, damit Putin sie nicht vernichten kann.

Tödliche Botschaft

Der Kremlchef hat eine tödliche Botschaft geschickt: Wer sich mir in meinem Einflussbereich in den Weg stellt, wird sterben. Diese Einflusszone weitet Putin gerade mit seinem Krieg gegen die Ukraine aus. Er hat sich 2014 die Krim geholt, dann die Gebiete im Osten Donezk und Luhansk besetzt und 2022 das ganze Land überfallen. Und sollte er diesen Krieg gewinnen, wird er eine Sicherheitsgefahr für die Nachbarstaaten, für Nato-Partner, für Europa. Donald Trumps Republikaner in den USA sollten sich nicht täuschen: Ein geschwächtes Europa destabilisiert auch die USA.

Sollte Trump die Präsidentschaftswahl gegen Joe Biden gewinnen, und danach - wie angekündigt - säumige Nato-Partner gegen einen etwaigen Angriff Russlands nicht verteidigen, gerät die Welt komplett aus den Fugen. Das ist keine Panikmache, das ist ein nüchternen Blick auf Trump. Denn ihm ist ebenfalls alles zuzutrauen.

Dem demokratischen Westen läuft die Zeit davon

Dem demokratischen Westen läuft die Zeit davon, der Ukraine sowieso. Die Europäische Union hält ihre vollmundigen Versprechen der Munitionslieferung von 2023 an Kiew nicht ein, das ukrainische Militär muss seine Geschosse dosieren. Putin liefert dagegen unermüdlich Kanonenfutter - sowohl mit Waffen als auch mit Männern. Zeitgleich bremsen in den USA die Republikaner auf Geheiß von Trump das nächste Hilfspaket, als ob es keinen Krieg gäbe in Europa.

Zugleich ist richtig, dass alles getan werden muss, um über Frieden für die Ukraine zu sprechen. Mit Partnern Russlands wie China, Brasilien, Indien, Südafrika ist das längst der Fall. Und ja, natürlich müssen Kiew und Moskau verhandeln. Es ist keine Alternative, dass in der EU stattdessen öffentlich über die Anschaffung einer eigenen Atombombe spekuliert wird.

Nachdem Moskau schon 2020 versucht hatte, Nawalny zu vergiften, ist nun von seiner Ermordung auszugehen. Es ist zu hoffen, dass der Westen diese Warnung anders versteht, als Putin es mit der Schocknachricht russischer Behörden erhofft. Nicht als Abschreckung, sondern als Auftrag: Ein einzelner mutiger Mann im Gefängnis war dem Diktator ausgeliefert, trotzdem hat er ihn bekämpft. Der Westen ist - noch - frei und mächtig. Er muss Putin in der Ukraine stoppen. Um der Menschen dort willen, um Nawalny und der anderen Ermordeten in Russland willen. Um unserer selbst willen.

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