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Nach LeichenfundDer einzige Vermisstenfall der Antarktis – Wo ist Carl R. Disch?

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Ein ziviler Wetterbeobachter bedient 1957 während der „Operation Deep Freeze“ eine Schneefalle an der US-Station Byrd in der Antarktis.

Ein ziviler Wetterbeobachter bedient 1957 während der „Operation Deep Freeze“ eine Schneefalle an der US-Station Byrd in der Antarktis. Acht Jahre später verschwand dort der Meteorologe Carl R. Disch. (Archivbild)

Nach dem Fund von Dennis Bell bleibt ein Rätsel ungelöst: Der US-Forscher Carl R. Disch ist bis heute der einzige Vermisste der Antarktis.

66 Jahre nach seinem Verschwinden in der Antarktis ist der britische Meteorologe Dennis „Tink“ Bell entdeckt worden. Er war 1959 während einer Expedition auf King-George-Insel in eine Gletscherspalte gestürzt. Damals konnte er nicht geborgen werden. Wie „ABC News“ berichtete, stießen polnische Wissenschaftler Anfang 2025 auf seine sterblichen Überreste, nachdem sich das Eis zurückgezogen hatte. Neben persönlichen Gegenständen wie Uhr und Funkgerät fanden sich auch Kleidungsstücke, die noch erstaunlich gut erhalten waren.

Leiche von Dennis „Tink“ Bell gefunden – Carl R. Disch bleibt der einzige Vermisstenfall

Ein DNA-Abgleich bestätigte im August 2025 die Identität. Die Familie erhielt damit nach Jahrzehnten Gewissheit über sein Schicksal. Bell war Mitglied des Falkland Islands Dependencies Survey, einer britischen Forschungsmission, die vor allem meteorologische Daten sammelte.

Mit der Identifizierung von Bell gilt nur noch ein Forscher offiziell als vermisst in der Antarktis: der US-Amerikaner Carl Robert Disch. Der Physiker arbeitete am 8. Mai 1965 an der Byrd-Station, wo er die Ionosphäre untersuchte.

Minus 45 Grad: Suche im Schneesturm blieb erfolglos

Laut Dokumenten des „Institute for Telecommunication Sciences“ verließ der 25-Jährige an diesem Tag das sogenannte „Radio Noise Building“, um zurück ins Hauptlager zu gehen. Bei Temperaturen von unter minus 40 Grad wurde er nie wieder gesehen. Eine groß angelegte Suche mit Leuchtraketen, Sichtfahnen und Fahrzeugen blieb erfolglos. Nach vier Tagen wurde die Aktion eingestellt, da alle Spuren im Schneesturm verschwunden waren. Disch wird seitdem als vermisst geführt, sein Körper konnte bis heute nicht gefunden werden.

Jim Bartley, der im Winter 1964/65 Teil der Crew der Byrd-Station war, sagte später: „Wir haben vergeblich versucht, Carl zu finden, aber der Wind tobte bei minus 45 Grad. Alles, was wir tun konnten, war, Seile um unsere Taille zu binden, uns auf beiden Seiten der Raupe zu verteilen und zu hoffen, über ihn zu stolpern. Es war wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen – mit verbundenen Augen.“

Gedenkorte in Westantarktis und Wisconsin

Zur Erinnerung an den verschollenen Wissenschaftler trägt eine Landspitze an der Walgreen-Küste in Westantarktis seinen Namen. Das „Disch Promontory“ wurde vom Advisory Committee on Antarctic Names benannt und ist seitdem in offiziellen Kartenwerken verzeichnet.

Ein am 10. März 2013 veröffentlichtes Bild zeigt zwei Personen, die am 20. Februar 2013 Fotos von King George Island im Archipel der südlichen Shetlandinseln, Antarktis, machen.

King George Island, ein wichtiger Standort internationaler Antarktis-Forschung. (Symbolbild)

Auch in seiner Heimatstadt Monroe im US-Bundesstaat Wisconsin gibt es einen Ort des Gedenkens. Auf dem Greenwood Cemetery wurde ein symbolisches Grab für Carl Robert Disch angelegt. Die Grabstelle befindet sich im Familiengrab, in dem auch seine Eltern Leonard und Martha Disch bestattet sind. Auch seine beiden Brüder leben mittlerweile nicht mehr.

Legenden und Spekulationen um sein Verschwinden

Über die Jahre und Jahrzehnte gab es neben der offiziellen Version immer wieder Spekulationen. So kursiert die Anekdote, Disch habe nach einem Kartenspiel wütend angekündigt, „zum Pol“ zu gehen, und sei nie zurückgekehrt. Auch ein angeblicher Funkspruch von 1971, in dem er sich aus McMurdo Station gemeldet haben soll, wurde rasch als Scherz entlarvt. Manche Geschichten beschreiben sogar, er sei absichtlich verschwunden oder habe aus Langeweile das Camp verlassen. Keine dieser Theorien konnte je bestätigt werden.

Der Fall unterscheidet sich von anderen Fällen auf dem Kontinent, bei denen die Opfer später geborgen oder offiziell für tot erklärt wurden. Während nach dem Fund von Dennis Bell ein jahrzehntelanges Rätsel gelöst werden konnte, bleibt Dischs Verbleib ungeklärt. Er ist damit bis heute der einzige Mensch, der in der Antarktis offiziell als vermisst gilt.