Katastrophe in der TürkeiWie hoch ist das Risiko für Erdbeben in Köln und Region?

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Das Luftbild zeigt Köln aus der Vogelperspektive, in der Mitte des Fotos steht deutlich erkennbar der Kölner Dom.

Blick auf Köln: Das Amt für Katastrophenhilfe zählt die Region zu den Erdbeben-Risikogebieten.

Das Amt für Katastrophenhilfe zählt Köln zu den Erdbeben-Risikogebieten. Eine Expertin erklärt, wie groß die Gefahr eines schweren Bebens ist.

Montagmorgen, kurz vor halb fünf. In der türkischen Millionenstadt Gaziantep und der umliegenden Region fängt die Erde an zu beben. Die Erschütterungen sind bis in den Norden Syriens und den Libanon zu spüren. Einige Stunden später bebt die Erde erneut.

Alleine durch das erste Beben mit einer Stärke von 7,7 sind zahlreiche Menschen verschüttet worden, mehr als 20.000 Menschen sind ums Leben gekommen. Die Retter arbeiten noch immer unermüdlich, doch die Chance, in den Erdbebengebieten in der Türkei und Syrien noch Überlebende zu finden, schwindet von Stunde zu Stunde. 

Erdbeben in Deutschland: Wie groß ist das Risiko?

Angesichts der Bilder aus den Erdbebengebieten, die nun um die Welt gehen, stellt sich die Frage: Kann es auch in Deutschland zu so einer Katastrophe kommen? Schließlich bebt die Erde in Deutschland und den angrenzenden Regionen regelmäßig, wie Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zeigen.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) stuft die Gefahr für starke Beben in Deutschland zwar als "gering bis mittel" ein, ergänzt aber, dass die Wahrscheinlichkeit in Risikogebieten nicht unterschätzt werden sollte. Risikogebiete in Deutschland finden sich südlich von Tübingen in der Schwäbischen Alb, im südlichen Rheingraben, in der Umgebung von Gera sowie in der Kölner Bucht. 

Die Kölner Bucht, die den zentralen Teil der Niederrheinischen Bucht bildet, gehört zu den am stärksten erdbebengefährdeten Gebieten in Mitteleuropa. Vor allem rund um Köln stuft das BBK den Gefährdungsgrad für starke Beben als hoch ein. Einige Male pro Woche bebt dort und in angrenzenden Gebieten die Erde, wie Daten des Geologischen Diensts NRW zeigen. Die meisten der Erdbeben sind zwar nicht zu spüren, allerdings seien durchaus auch stärkere Beben möglich.

Warum es zu den Erdbeben in der Niederrheinischen Bucht kommt, erklärt der Geologische Dienst so: „Im Untergrund finden Bewegungen an Störungsflächen, sogenannten Verwerfungen, statt, die die Bucht in Schollen unterteilen. Erfolgt die natürliche Bewegung dieser Schollen ruckartig, ist sie als Erdbeben wahrnehmbar.“ 

Immer wieder gibt es in der Kölner Bucht Erdbeben

Die frühesten Aufzeichnungen zu Erdbeben im Bereich der Niederrheinischen Bucht sind dokumentiert für das Jahr 803 in Aachen, zur Zeit Karls des Großen. Für Erdbeben im Mittelalter finden sich nur wenige Hinweise in schriftlichen Quellen. Erst aus der frühen Neuzeit sind detaillierte Beschreibungen von Erdbeben und deren Auswirkungen an unterschiedlichen Orten überliefert. Im 18. Jahrhundert, mit der Zeit der Aufklärung, erfuhren Erdbeben dann ein größeres Interesse und wurden zum Forschungsgegenstand.

Stärke 7,7

Schwere Erdbeben in der Türkei und in Syrien

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Immer wieder kam es seit Beginn der schriftlichen Aufzeichnungen zu Erdbeben mit einer Magnitude von mehr als 6 auf der Richterskala. Zuletzt war das im Jahr 1756 der Fall, als bei Düren die Erde mit einer Magnitude von 6,4 bebte. Ein Erdbeben, an das sich auch heutzutage noch viele Menschen erinnern, fand 1992 bei Roermond statt. Das Beben hatte eine Magnitude von 5,9 und war auch in Nordrhein-Westfalen deutlich zu spüren. Allein in NRW wurden 30 Menschen verletzt, zumeist durch herabfallende Dachziegel, zudem kam es zu erheblichen Sachschäden an Gebäuden, unter anderem am Kölner Dom.

Ist ein schweres Erdbeben in Köln möglich?

Doch kann es auch hierzulande zu einem so schweren Beben wie in der Türkei kommen? Die Geophysikerin Dr. Brigitte Knapmeyer-Endrun, die die Erdbebenstation Bensberg der Universität Köln leitet, erklärt: „Erdbeben in Deutschland sind aufgrund der tektonischen Beschaffenheit viel, viel seltener als in der Türkei.“

Rund um die Türkei verlaufen Plattengrenzen und im Land gibt es zahlreiche Verwerfungen, wie zum Beispiel die nordanatolische Verwerfung, die sich unter anderem quer durch Istanbul zieht, oder die ostanatolische Verwerfung, auf der das Beben am vergangenen Montag stattgefunden hat. „Da es dort lange vorher keine Bewegung mehr gegeben hatte, war mit einem größeren Beben zu rechnen“, sagt Knapmeyer-Endrun.

In Deutschland verlaufen im Gegensatz zur Türkei keine Plattengrenzen, weswegen Erdbeben viel seltener sind. Aufgrund der großräumigen Tektonik gibt es dennoch entlang des Rheins eine Erdbebengefährdung – diese Beben sind aber viel seltener als in der Türkei. „Schwere Erdbeben in der Niederrheinischen Bucht treten vielleicht alle 1000 Jahre auf. Risikoanalysen gehen aber selbst in diesem Fall von einer Magnitude im Bereich 6,5 aus – das ist immer noch zehnmal weniger, als es jetzt in der Türkei der Fall war. Natürlich kann es trotzdem zu schlimmen Schäden kommen“, erklärt Knapmeyer-Endrun.

Vorhersagen lassen sich solche Beben trotz der immer fortschrittlicheren Technologien nicht. „Wir arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten, wie häufig bestimmte Bodenbewegungen überschritten werden und Erschütterungen auftreten können“, erklärt die Geophysikerin. „Tag und Uhrzeit, wann die Erde das nächste Mal bebt, lassen sich aber nicht vorhersagen.“

Selbst wenn diese Möglichkeit bestände, wäre aufgrund der Nähe zu großen Städten in der Niederrheinischen Bucht kaum genügend Zeit, Menschen zu evakuieren: „Für Frühwarnsysteme wie in Japan, wo unmittelbar nach einem Erdbeben noch Schnellzüge und Aufzüge angehalten werden, reicht in Köln die Zeit nach einem Beben ganz einfach nicht aus“, sagt Knapmeyer-Endrun. „Wichtiger ist hier, dass die Bevölkerung sich richtig verhält: Die Zeit reicht auch nicht, um das Haus zu verlassen. Am sichersten ist es unter einem stabilen Tisch.“

Erdbeben in Deutschland: Was tun?

Für den Fall eines Erdbebens in Deutschland gibt das BBK folgende Ratschläge:

  • Bleiben Sie im Gebäude. Sie können durch herabfallende Gegenstände verletzt werden.
  • Halten Sie sich von Fenstern und Glastüren fern. Glassplitter können Sie verletzen.
  • Suchen Sie Schutz beispielsweise unter einer Türzarge oder einem Tisch.
  • Meiden Sie Fahrstühle.
  • Wenn Sie sich im Freien befinden, meiden Sie die Nähe von Bauwerken
  • Auch wenn das Beben vorüber ist – denken Sie an die Gefahr von Nachbeben.
  • Stellen Sie nach einem Beben Versorgungsleitungen (Gas, Wasser, Strom) ab, bis diese überprüft wurden.
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