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Abschiedsbrief sichergestellt
Amoklauf in Österreich versetzt das Land in Schock und Trauer

Lesezeit 5 Minuten
10.06.2025, Österreich, Graz: Österreichs Innenminister Gerhard Karner (l, ÖVP) und Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) geben eine Pressekonferenz. Ein 21-Jähriger aus dem Raum Graz hat nach Angaben der Behörden die tödlichen Schüsse an einem Gymnasium im österreichischen Graz abgegeben. Am Vormittag hatte der Mann neun Menschen getötet und danach Suizid begangen. Foto: Heinz-Peter Bader/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Österreichs Innenminister Gerhard Karner (links, ÖVP) und Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) geben eine Pressekonferenz zum Amoklauf in Graz. 

Zehn Menschen haben am Dienstag in Graz durch Schüsse ihr Leben verloren. Jetzt ist eine weitere Frau ihren schweren Verletzungen erlegen.

Eine gespenstische Stille liegt am Dienstagnachmittag über dem Grazer Stadtteil Lend. Hinter einer Kette aus Polizisten kommen Jugendliche aus einer Veranstaltungshalle heraus und steigen in bereitstehende Busse, die sie zu ihren Angehörigen fahren. Es sind Schülerinnen und Schüler eines benachbarten Oberstufengymnasiums, die hier von Seelsorgern, Ersthelfern und Schulpsychologen betreut wurden, nachdem sie einige Stunden zuvor Schlimmstes erlebt hatten: Ein 21-Jähriger ehemaliger Schüler der Schule hatte den Lernort am Morgen angegriffen und zuerst neun Menschen und dann sich selbst erschossen. Sechs der Opfer sind nach Polizeiangaben weiblich, drei männlich. Eine weitere Frau erlag im Krankenhaus ihren Verletzungen.

Die ersten Schüsse fielen gegen 10 Uhr. Der junge Mann soll mit zwei Waffen, einer Pistole und einer Schrotflinte, in seinem früheren Klassenraum um sich geschossen haben. Unter den Toten sollen laut österreichischen Medienberichten sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte sein – das und weitere Details zu den Opfern und zum Tatgeschehen wollten der österreichische Innenminister Gerhard Karner und die Polizei in Graz jedoch zunächst nicht bestätigen. Der Täter, so teilen sie aber auf einer Pressekonferenz mit, habe sich in einer Toilettenanlage das Leben genommen. 11 Menschen wurden zudem verletzt, 8 davon schwer. 

Amoklauf in Graz: Um 10 Uhr gingen die ersten Notrufe ein

Die ersten Einsatzkräfte der Polizei seien schon wenige Minuten nach dem Eingehen mehrerer Notrufe um 10 Uhr an der Schule eingetroffen, heißt es weiter. Auch Sondereinsatzkräfte und die Spezialeinheit Cobra seien schnell vor Ort gewesen. Das Gebäude wurde evakuiert, das Landeskriminalamt Steiermark ermittelt dort nun.

Mehr als 300 Schülerinnen und Schüler wurden zur Betreuung in die benachbarte Helmut-List-Halle gebracht. Als Busse sie am Nachmittag von dort zu ihren Eltern bringen, schauen verstörte Gesichter aus den Scheiben. Die Straßen drumherum sind weiträumig abgesperrt. Außer Einsatzkräften und Journalisten sind nur einige Anwohner zu sehen, die von der Schreckenstat in ihrer Nachbarschaft sichtlich schockiert sind.

Police walk near a school where several people died in a shooting, on June 10, 2025 in Graz, southeastern Austria. Ten people died after a suspected shooter opened fire in a southeastern Austrian school, press agency APA quoted Graz city mayor Elke Kahr as saying. Several students and at least one adult are among those killed, Kahr confirmed to APA. (Photo by Alex HALADA / AFP)

Zehn Menschen sind in Graz gestorben, darunter der mutmaßliche Schütze des Amoklaufs. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot vor Ort.

Eigentlich ist die Hauptstadt der österreichischen Steiermark eine lebendige, eine lebensfrohe Stadt. Gerade an einem warmen und sonnigen Frühlingstag wie diesem. Doch an diesem Dienstag befindet sich nicht nur der Grazer Stadtteil Lend in einer Schockstarre.

Wenige Kilometer weiter vor der Landespolizeidirektion tritt am Nachmittag Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) am Nachmittag sichtlich mitgenommen vor die Kameras: „Unser Land steht in diesen Momenten des Entsetzens still“, sagt er und ruft eine dreitägige Staatstrauer aus. Seine Gedanken und sein Mitgefühl gelten jenen, die die Tat überlebt haben, aber auch den Angehörigen und dem Schulpersonal. Die Tat treffe alle, die österreichische Gesellschaft. „Gerade in solchen Stunden müssen wir zusammenstehen“, sagt Stocker und dankt zudem den Einsatzkräften.

In ganz Österreich soll es Schweigeminute für die Opfer geben

Durch die Tat seien Jugendliche plötzlich aus dem Leben gerissen worden, das sie noch vor sich gehabt hätten. „Es gibt keine Worte für den Schmerz und für die Trauer, die wir alle – ganz Österreich – gerade fühlen“, hieß es. „Heute geht es vor allem um Mitgefühl. Und darum, füreinander da zu sein. In dieser schweren Zeit ist Menschlichkeit unsere stärkste Kraft.“ Am Mittwoch um 10 Uhr soll in ganz Österreich mit einer Schweigeminute an die Opfer des Amoklaufs gedacht werden.

10.06.2025, Österreich, Graz: Blick auf das Schulgebäude. Ein 21-Jähriger aus dem Raum Graz hat nach Angaben der Behörden die tödlichen Schüsse an einem Gymnasium im österreichischen Graz abgegeben. Am Vormittag hatte der Mann neun Menschen getötet und danach Suizid begangen. Foto: Heinz-Peter Bader/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Blick auf das Schulgebäude. Ein 21-Jähriger hat nach Angaben der Behörden die tödlichen Schüsse an einem Gymnasium im österreichischen Graz abgegeben.

Neben Mitgefühl und Trauer geht es nun jedoch auch darum, offene Fragen zu klären: Die Frage nach dem Motiv etwa. Dazu wollen sich der Kanzler, sein Innenminister und die Polizei zunächst nicht äußern. Nur so viel: Der 21-Jährige war Schüler der angegriffenen Schule, schloss diese jedoch nicht ab. Er war österreichischer Staatsbürger und lebte in der Region Graz. Und da ist noch ein Detail, das für die polizeiliche wie die politische Aufarbeitung der Schreckenstat eine Rolle spielen wird: Der Täter hatte eine Waffenbesitzkarte und besaß die beiden Waffen ganz legal.

Behörden bitten um Hilfe – Täter war nicht polizeibekannt

Gewehre und Schrotflinten, die nach jedem Schuss manuell nachgeladen werden müssen, können in Österreich von Menschen ab 18 Jahren ohne Genehmigung gekauft werden. Waffenhändler müssen nur prüfen, ob gegen den Käufer kein Waffenverbot vorliegt. Außerdem wird die Waffe im zentralen Waffenregister registriert. Andere Waffen, wie Repetierflinten oder halb automatische Feuerwaffen, sind schwieriger zu erwerben. Für sie benötigen Käuferinnen und Käufer eine Waffenbesitzkarte und einen Feuerwaffenpass.

Der 21-jährige Täter war der österreichischen Polizei zuvor nicht bekannt, wie ein Behördenvertreter in Graz erklärte. Die Ermittlungen des steirischen Landeskriminalamtes dürften nun auch der Frage nachgehen, ob es Warnungen oder Alarmsignale gab, die von den österreichischen Waffenbehörden übersehen wurden. Auf der Plattform X ruft das Innenministerium dazu auf, Fotos oder Videos den Ermittlern zur Verfügung zu stellen.

Polizei stellt Abschiedsbrief sicher

Am Abend wurde bekannt, dass der Amokschütze einen Abschiedsbrief hinterlassen hat. Die Polizei habe ein in analoger und digitaler Form vorliegendes Dokument sichergestellt, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, im ORF-Fernsehen. Das Schreiben gebe aber keinen Hinweis auf das Motiv des Schützen, so Ruf.

Medien hatten spekuliert, dass der junge Mann in seiner Schulzeit wohl gemobbt worden sei. Er war auf der Schule gewesen und wohnte im Großraum Graz. Man wisse, dass er die Schule nicht abgeschlossen habe, sagte Innenminister Gerhard Karner. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren.

Doch zunächst einmal steht das öffentliche Leben in Graz und der Steiermark nun erst einmal weitgehend still. Alle öffentlichen Veranstaltungen der Stadt und des Bundeslandes. Nach dem schwersten Amoklauf in der österreichischen Geschichte hat die Trauer das Land fest im Griff.