Köln erinnert sichIn den 50ern begehrten Frauen auf – Vorne weg: Alice Schwarzer

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Alice Schwarzer vor dem Schiefen Turm von Pisa

Köln – Die Frau am Herd, der Mann auf der Arbeit. Ein Gesellschaftsbild, das sich in der neuen Republik zu ändern begann. 1958 trat das „Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau“ in Kraft. Der Mann hatte also auch in der Ehe nicht mehr alleine das Sagen.  So stand es auf dem Papier, die Realität sah jedoch häufig anders aus.

Und auch die Politik hatte Einschränkungen in ihr neues Gesetz eingebaut. So durften Frauen jetzt zwar ohne die Erlaubnis des Mannes arbeiten, aber nur, wenn Haushalt und Familie nicht darunter litten. Auch hatte die arbeitende Frau nach wie vor stets hinter dem Mann zu stehen. Kinder, Familie, der  Gatte – dieser Dreiklang bildete nach wie vor den Kernpunkt des Frauendaseins.

Essen kochen, schön gekleidet, gut geföhnt

Ein  antiquiertes Bild, das  in den 50er Jahren auch durch die Film- und Werbeindustrie gepflegt wurde. Immer adrett, immer lächeln, immer perfekt frisiert. Etliche Einspieler reihten ein Klischee ans andere: „Und besorgst du mir die Seide zu dem bunten Sommerkleide? Ah, beinah hätt’ ich es vergessen: was willst du heut Abend essen?“

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Alice Schwarzer erinnert sich an die überkommenen Rollenbilder der 50er Jahre.

Alice Schwarzer, eine der Pionierinnen der feministischen Emanzipation und Zeitzeugin erinnert sich, dass viele Frauen Ende der 50er schon weiter waren als die Bilder aus der Werbung: „Die Behauptung, dass die Frauen nur dabei sind, sich immer zu föhnen und zu backen hat nicht immer der Realität entsprochen.“

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Immerhin hatten die Frauen während des Krieges ihren Mann gestanden. „Die waren Straßenbahnschaffnerinnen gewesen“, so die Publizistin weiter. „Die waren in Fabriken gegangen, die hatten selbst ihr Leben geschmissen.“ Und dann seien die Männer zurückgekommen. „Die waren ziemlich kaputt, die hatten Böses erlebt und Böses getan. Und manchmal beides. Das waren keine Helden. Im Gegenteil.“ Und nun hieß es plötzlich für die Frauen: „Jetzt aber wieder husch, husch ins Körbchen. Und eigentlich wollten die Frauen das gar nicht. Und deswegen hat man gerade in den 50ern die Frauen mit dieser ganzen süßlichen Sülze überstülpt. Man hat sie  sozusagen  beschworen: So musst du sein. So ist eine richtige Frau.“

Lehre scheiterte am Fehlen einer Damentoilette

Die Herausgeberin der Frauenzeitschrift „Emma“ hatte 1959 die höhere Handelsschule abgeschlossen. Mit 16 wollte sie Innenarchitektin werden. Dafür bedurfte es als Voraussetzung das Zeugnis einer Schreinerlehre. Schwarzer schaffte es, einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Plötzlich aber meldete sich der Meister bei ihr, um ihr mitzuteilen: „Das tut mir sehr leid, Fräulein Schwarzer. Wir können Sie nicht nehmen. Das Gewerbeamt hat widersprochen. Wir haben keine Damentoilette.„

Das Frauenbild änderte sich nur langsam. Die Tanzschule blieb stocksteif bei ihren alten Ritualen. Zumindest Alice Schwarzer wird die erste Stunde nie vergessen. Die Herren sollten die Damen auffordern. 

Abhängigkeit vom Wohlwollen eines Mannes

„Und da sitzen diese 20 pickeligen Jungs und in dem Moment kamen die auf uns zu und ich dachte: Verdammt! Wenn du jetzt sitzen bleibst... Mich hat einer aufgefordert und ich war aus dem Schneider. Aber ich habe den Schock noch jetzt in den Knochen, diesen Moment. Wenn du jetzt sitzen bleibst, bist Du verloren.“ Diese Abhängigkeit von dem Wohlwollen eines Mannes, das hat die Journalistin geprägt.

Seinerzeit lebte Alice Schwarzer in Wuppertal. Hier feierte man die ersten Partys, hier lief kein Walzer, sondern Rock’n Roll.  Das Outfit dokumentierte damals, wer zur coolen Fraktion gehörte. „Die ganz Biederen, dann die Brigitte Bardots, so Goldreifen und so Petticoats. Und wir waren die mit Jeans und langem dicken Herrenpullovern.“ Alice Schwarzer erzählt: „Und damit die ganz eng saßen, ging man mit den Jeans in die Badewanne und trocknete die am Körper.“

„Eine Frau lacht nicht so laut!“

Oft genug schauten Männer solch weiblichen Rebellen schief an: „Wenn man sich eben als Mädchen mehr Freiheiten genommen hat, wurde man von den Jungs schon gerügt.“ Es fielen dann so Sätze wie: „Alice, eine Frau macht nicht so große Schritte. Alice, eine Frau lacht nicht so laut.“ Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Zumindest von der jungen Schwarzer nicht, die ließ sich nichts gefallen. „Da lachte ich natürlich extra laut. Wir waren rebellische Mädchen und gleichzeitig wurde von uns erwartet, dass wir uns anpassen.“ Und  anpassen – das war Alice Schwarzers Sache nicht.

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