In der Nordsee wurden 16 alte Kanonen entdeckt. Forscher rätseln: Wie kamen die Geschütze ohne Wrack vor Helgoland ins Meer?
Mysteriöse KanonenForscher rätseln über britische Geschütze in der Nordsee

Eine Tote Mannshand (Weichkoralle) wächst an einer der 16 Kanonen, die Forschungstaucher vor Helgoland entdeckt haben.
Copyright: Dr. Florian Huber/Submaris/dpa
Vor Helgoland haben Forscher ein außergewöhnliches Unterwasser-Geheimnis aufgedeckt: In nur rund zehn Metern Tiefe liegen insgesamt 16 britische Kanonen aus der Zeit um 1800. Entdeckt wurden sie durch ein Team der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in Zusammenarbeit mit dem Tauchunternehmen Submaris. Mithilfe von Sonartechnik und 3D-Modellen ließ sich das Ausmaß des Fundes deutlich machen.
Helgoland: Rätsel um britische Kanonen mit Blomefield-Ring
Die Geschütze sind nach Angaben der Experten 12-Pfünder und sogenannte Karronaden, charakteristische Kanonen des britischen Militärs jener Epoche. Auffällig ist der sogenannte Blomefield-Ring, ein typisches Merkmal dieser Artillerie. Doch warum liegen die Kanonen verstreut am Meeresgrund, ohne dass Wrackteile eines Schiffes zu finden sind?

Ein Kieler Forschungstaucher dokumentiert eine der 16 vor Helgoland entdeckten englischen Kanonen.
Copyright: Florian Huber/submaris/dpa
Das Forschungsteam dokumentierte, dass die schweren Kanonen über ein Areal von etwa 80 mal 70 Metern verteilt sind. Historiker zogen zunächst die Möglichkeit in Betracht, dass die Waffen zum britischen Kriegsschiff „HMS Explosion“ gehören könnten, das 1807 in der Nähe sank. Doch diese Spur erwies sich als falsch.
Gehören die Kanonen zu versunkenen Schiffen aus dem 19. Jahrhundert?
Wie das Nachrichtenportal „Kurier.de“ berichtet, zeigen Quellen, dass die Kanonen der „HMS Explosion“ damals geborgen und an Land gebracht wurden. Auch die Lage des Fundes spricht gegen einen direkten Zusammenhang: Statt eines konzentrierten Trümmerfeldes liegen die Kanonen einzeln auf dem Meeresboden, als wären sie absichtlich dort versenkt worden. Bislang fehlt jedoch jeder Hinweis auf ein zugehöriges Wrack.
Die Hypothese, dass die Geschütze von einem gesunkenen Schiff stammen, bleibt daher schwach belegt. Vielmehr gehen Experten inzwischen der Frage nach, ob die Kanonen bewusst im Meer entsorgt wurden. Ein möglicher Hintergrund könnte die Übergabe Helgolands an das Deutsche Reich im Jahr 1890 sein. Der „Focus“ verweist auf die Theorie, dass die britische Marine damals veraltetes Material versenkte, um es nicht in fremde Hände gelangen zu lassen. Beweise gibt es dafür allerdings nicht.
Ein Blick in Archive zeigt, dass zwei weitere britische Kriegsschiffe in die Überlegungen einbezogen werden könnten: die „HMS St. George“ mit 98 Kanonen und die „HMS Defence“ mit 74 Kanonen. Beide strandeten im Jahr 1811 während eines schweren Sturms vor der dänischen Westküste bei Ringkøbing und gingen mit hunderten Seeleuten unter. Die Schiffe waren stark bewaffnet, und zahlreiche Kanonen verschwanden mit ihnen in der Nordsee. Zeitlich würden diese Geschütze zu den vor Helgoland entdeckten 12-Pfündern und Karronaden passen. (jag)