Eine britische TV-Sendung will Hitlers DNA entdeckt und analysiert haben. Das Vorgehen der beteiligten Forscher wirft aber auch Fragen auf.
„Könnte die Antwort sein“DNA-Analyse weist angeblich seltenes Syndrom bei Hitler nach

Adolf Hitler trifft 1939 auf dem Flugplatz in Warschau ein. Eine britische TV-Sendung will nun die DNA des Nazi-Diktators entschlüsselt haben. (Archivbild)
Copyright: picture-alliance/ dpa
Eine britische TV-Sendung will die DNA von Adolf Hitler entschlüsselt haben, das teilten die Macher der Dokumentation am Donnerstag mit. Entdeckt worden sei die DNA-Spur des Diktators auf einem Stofffetzen des blutverschmierten Sofas, auf dem sich Hitler 1945 in Berlin das Leben nahm, hieß es weiter. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen nun in der Sendung namens „Hitler’s DNA: Blueprint of a Dictator“ vorgestellt werden. Der angebliche Sensationsfund sorgt jedoch bereits jetzt für weltweite Aufmerksamkeit – aber auch für Kritik.
Die Analyse der Hitler-DNA hat demnach ergeben, dass der Nazi-Diktator mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ am Kallmann-Syndrom gelitten hat. Dabei handelt es sich um eine genetische Entwicklungsstörung, die unter anderem die Hoden betrifft und den Beginn oder den vollständigen Abschluss der Pubertät verhindern kann.
Adolf Hitler soll an Kallmann-Syndrom gelitten haben
Die Erkenntnisse deckten sich mit Angaben in Krankenakten aus dem Gefängnis Landsberg, in dem Hitler nach dem gescheiterten Putschversuch in München 1923 inhaftiert war, berichtete der britische „Guardian“. Deutsche Forscher entdeckten die Akten demnach 2010. Darin diagnostizierte ein Arzt bei Hitler einen rechtsseitigen Kryptorchismus, also einen Hodenhochstand.
Behauptungen, dass Hitler nur einen Hoden gehabt habe, wie es in einem populären britischen Lied über den Zweiten Weltkrieg gerne gesungen wird, würden damit zwar nicht bestätigt, hieß es weiter. Die Diagnose Kallmann-Syndrom lege jedoch nahe, dass an den Gerüchten über eine angeblich geringe Größe von Hitlers Genitalien etwas dran sein könnte, berichtete die britische Zeitung weiter. Bis zu zehn Prozent der Menschen mit Kallmann-Syndrom haben demnach einen Mikropenis. Auch niedrige oder schwankende Testosteronwerte zählten zu den üblichen Symptomen.
„Könnte die Antwort sein, nach der wir gesucht haben“
Über die tatsächlichen Auswirkungen der Störung bei dem deutschen Diktator kann rückblickend jedoch nur spekuliert werden. Bei der Analyse sei jedoch die weitverbreitete Behauptung, dass Hitler jüdische Vorfahren gehabt habe, widerlegt werden können, teilten die Forscher außerdem mit.

Adolf Hitler (r.) zusammen mit dem italienischen Diktator Benito Mussolini 1940 in München.
Copyright: AFP
„Niemand konnte je wirklich erklären, warum Hitler sich zeitlebens in der Gegenwart von Frauen so unwohl fühlte oder warum er vermutlich nie intime Beziehungen zu Frauen einging“, wird der britische Historiker Alex J. Kay von der Universität Potsdam zur Einordnung zitiert. „Aber jetzt, da wir wissen, dass er am Kallmann-Syndrom litt, könnte dies die Antwort sein, nach der wir gesucht haben.“
Kritik am Vorgehen der Forscher
An der DNA-Analyse wird jedoch auch Kritik laut – zwei Punkte stehen dabei besonders im Fokus. Zum einen sei es den Forschern nicht gelungen, die untersuchte Blutprobe mit einer frischen DNA-Probe von einem der noch lebenden Verwandten Hitlers in Österreich und den USA zu authentifizieren, kritisierte der „Guardian“.
Zum andere seien zur Bestimmung von einer möglichen Veranlagung für psychische Störungen auch umstrittene „polygene Risikoscores“ eingesetzt worden, die von vielen Wissenschaftlern für diese Zwecke abgelehnt werden.
Grundsätzliche Zweifel an Beweiskraft alter DNA-Spuren
„Polygenetische Risikoscores sagen etwas über die Gesamtbevölkerung aus, nicht über Einzelpersonen“, erklärte Professor David Curtis vom Genetik-Institut des University College London der britischen Zeitung. Selbst wenn ein Test ergebe, dass eine Person im oberen Perzentil des polygenen Risikos liegt, könne das tatsächliche Risiko, an einer bestimmten Krankheit zu erkranken, „sehr gering“ sein, führte Curtis aus.
Die Macher der Dokumentation wollen mit der Methode derweil bei Hitler „sehr hohe“ Werte für eine Veranlagung zu Autismus, Schizophrenie sowie einer bipolaren Störung nachgewiesen haben. An der Beweiskraft alter DNA-Spuren gibt es jedoch auch grundsätzliche Zweifel, da die Proben leicht verunreinigt oder vertauscht sein können. Die beteiligten Forscher halten ihre Ergebnisse dennoch für relevant.
„Er hätte das langweiligste Genom der Welt haben können“
„Die Genetik kann sein Handeln in keiner Weise entschuldigen“, betonte die Genetikerin Turi King jedoch, die maßgeblich an der Dokumentation mitgewirkt und in der Vergangenheit bereits mit einer DNA-Analyse der Knochen von Richard III. für Aufsehen gesorgt hat. Dass nun auch großes Interesse an der Hitler-DNA bestehe, erklären sich die Macher mit ihren Ergebnissen. „Er hätte das langweiligste Genom der Welt haben können“, wird King zitiert. „Aber das hatte er nicht.“
Ausgestrahlt wird die Dokumentation „Hitler’s DNA: Blueprint of a Dictator“ am 15. November vom britischen Sender Channel 4. Zu einer möglichen zukünftigen Ausstrahlung in Deutschland lagen zunächst keine Informationen vor. (das)

