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Kommentar

Was für ein Jahr 2025
Wir sind zu Experten im Aushalten geworden – machen wir Schluss damit

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3 min
HANDOUT - 16.07.2025, -: Josephine Ballon (l) und Anna-Lena von Hodenberg (r), Geschäftsführerinnen der Organisation HateAid. Die US-Regierung hat ein Einreiseverbot gegen die beiden HateAid-Geschäftsführerinnen Josephine Ballon und Anna-Lena von Hodenberg wegen angeblicher Zensur amerikanischer Online-Plattformen verhängt. Foto: Sven Serkis/HateAid/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Dass die USA den zwei Geschäftsführerinnen der deutschen Organisation „Hate Aid“ ausgerechnet um Weihnachten die Einreise untersagt haben, war besonders abgründig. Entsprechend groß war aber auch die Welle der Solidarität.

 Dabei haben Geschichten des Gelingens im schwierigen Jahr 2025 gezeigt, was uns möglich ist. 

Das Jahr 2025 werden wir nach seinem Ende kaum vermissen. Politisch und wirtschaftlich fühlte es sich an wie eine permanente Zumutung. Es gibt den Bruch mit Amerika zu verdauen. Der frühere Beschützer, Freund und Verbündete ist nicht mehr wiederzuerkennen unter einem Präsidenten, der sich immer unverhohlener von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entfernt und in Diktatoren-Manier grundlegende Werte der westlichen Staatengemeinschaft torpediert. Beifall erhielt er dafür in Deutschland von einer Partei, die 2025 in Umfragen immer weiter an Boden gewonnen hat.

Die Versuche des neuen Bundeskanzlers, dieser Entwicklung mit einer schärferen Migrationspolitik und mit markigen Sprüchen zu begegnen, waren nicht nur erfolglos, sondern haben die Sorge um die Bindekräfte der Gesellschaft weiter verstärkt. Statt aufeinander zuzugehen, haben sich die Menschen weiter auf ihre Unterschiede zurückgezogen – und ihre Eigenheiten zu Bollwerken gegen mögliche Verletzungen und Enttäuschungen ausgebaut. Die wirtschaftliche Entwicklung hat die Angst geschürt, dass der Wohlstand schwindet, und eine Ratlosigkeit verstärkt, die auch mit dem Gefühl, dass sich die gesellschaftlichen Akteure noch nicht einmal mehr auf Selbstverständlichkeiten einigen können.

Inflation, Kriege, Naturkatastrophen, Vorboten eines Weltenbrands – wir sind bei alledem Experten geworden im Aushalten. Nur sollten wir darüber nicht vergessen, dass wir auch handeln können. Demokratie ist mehr als eine Geduldsprobe. Sie lebt von Zutrauen, vom Willen, wieder an das Gemeinsame zu glauben. Es muss nicht nur die Zeit zwischen den Jahren sein, aber die Zeit um Silvester bietet sich immer dafür an, darüber nachzudenken, gute Vorsätze zu fassen und sich daran zu erinnern, dass jede und jeder von uns gestalten kann, nicht nur zuschauen.

Klar ist auch: Konstruktiv, kompromissbereit zu sein – das ist immer schwieriger, als die vermeintlich klare Kante zu zeigen. Viele kleine und große Geschichten des Gelingens zeigen, was möglich ist, wenn wir Menschen uns als Teil eines Gemeinwesens begreifen, das nach einer viel beschworenen Formel mehr ist als die Summe seiner Teile.

Ungebrochen hohe Spendenbereitschaft

Aus dem Jahr 2025 können wir auch mitnehmen, dass weltweit zum ersten Mal mehr Öko-als Kohlestrom produziert wurde. In der Alzheimer-Forschung gab es entscheidende Fortschritte durch ein neues Medikament. Die Rahmedetalbrücke ist in einer Rekordzeit von nur 26 Monaten nach der Sprengung der alten Brücke errichtet. Die Liste der Hoffnungs- und Ermutigungsgeschichten ließe sich leicht verlängern. Eine ungebrochen hohe Spendenbereitschaft deutet darauf hin, dass der Sinn für Solidarität und soziale Verantwortung lebendig ist.

Wir werden 2026 nicht alles beheben können, was 2025 schiefgelaufen ist. Vielleicht kommt es sogar noch schlimmer
Sarah Brasack

Dass die USA zwei Geschäftsführerinnen der deutschen Organisation „Hate Aid“ ausgerechnet um Weihnachten die Einreise untersagt haben, war da besonders abgründig. Menschen, die Opfer von Hass im Netz unterstützen wollen, sind Sympathieträger. Entsprechend groß war die Welle der Solidarität, entsprechend wuchs bei vielen das Gespür, auf welcher Seite sie lieber stehen wollen. Wir werden 2026 nicht alles beheben können, was 2025 schiefgelaufen ist. Vielleicht kommt es sogar noch schlimmer. Garantien gibt es nicht. Aber Strategien gegen die Ohnmacht, die gibt es.

Von 2025 könnte die Erkenntnis bleiben, dass das Unbehagen über die Welt nur die andere Seite einer Sehnsucht ist – nach Frieden, Zugehörigkeit und Sinn. 2026 werden neue Nachrichten kommen, viele alte und wohl auch neue Krisen. Dazwischen, leise, sollten wir die täglichen Wunder fortschreiben – als Menschen, die helfen, forschen, lieben, widersprechen. Wenn wir dem Raum geben und anderen, die es ähnlich machen, wird 2026 kein leichtes, aber vielleicht ein besseres Jahr, an das wir uns später gerne erinnern – weil wir 2026 damit angefangen haben, etwas zu verändern.