Abo

Aufruf von Wagenknecht und SchwarzerTausende bei Demo für Friedensverhandlungen mit Russland

Lesezeit 4 Minuten
Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht (Die Linke) und Alice Schwarzer, Frauenrechtlerin, stehen beim Abschluss der Demonstration auf der Bühne.

Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht (Die Linke) und Alice Schwarzer, Frauenrechtlerin, stehen beim Abschluss der Demonstration auf der Bühne.

Das „Manifest für Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer hat zuletzt für hitzige Diskussionen gesorgt. Die beiden haben ihre Forderungen nun in Berlin auf die Straße gebracht.

Friedenstauben auf Plakaten, der Ruf nach Verhandlungen mit Russland und einem Waffenstillstand im Ukraine-Krieg: Trotz Schneeregens und Kälte sind am Samstag viele Tausend Menschen einem Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer zu einer Kundgebung in Berlin gefolgt. Die Linke-Politikerin und die Frauenrechtlerin wollten damit ihre Forderungen aus ihrem umstrittenen „Manifest für Frieden“ untermauern.

Die Polizei sprach nach der Veranstaltung am Brandenburger Tor von mehr als 13.000 Teilnehmern, der Veranstalter von 50.000. Der Protest stieß teilweise auf heftige Ablehnung, nicht nur, weil sich vereinzelt Rechte und Rechtsextreme unter die Teilnehmer mischten. Kritiker warfen Schwarzer und Wagenknecht Naivität und Irreführung vor.

Jubel für Wagenknecht

Auf der Bühne forderte Wagenknecht, teils vom Publikum bejubelt, erneut einen Stopp von Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine und mahnte Friedensverhandlungen an. Es gehe darum, „das furchtbare Leid und das Sterben in der Ukraine zu beenden“. Zugleich gehe es darum, Russland ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten, „statt einen endlosen Abnutzungskrieg mit immer neuen Waffen zu munitionieren“. Es gelte, das Risiko einer Ausweitung des Krieges auf ganz Europa und womöglich die Welt zu bannen. Dieses Risiko sei „verdammt groß“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits vor der Kundgebung scharfe Kritik an den Forderungen von Schwarzer und Wagenknecht geübt. Sie wollten etwas als Frieden verkaufen, das ein „imperialistischer Diktator“ Europa aufzwinge, sagte der Vizekanzler am Freitagabend in der ARD. Wenn sich das durchsetze, wäre das eine Einladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die nächsten Länder zu überfallen. „Das ist kein Frieden, das ist eine Chimäre, die da aufgebaut wird, das ist eine politische Irreführung der Bevölkerung.“

Im Vorfeld hatten sich zahlreiche prominente Politiker auch von SPD und Linken von dem Demo-Aufruf abgegrenzt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten deutlich gemacht, dass sie die Überzeugung im „Manifest für Frieden“ nicht teilten. Im Internet erklärten hingegen mehr als 640 000 Menschen ihre Zustimmung zum „Manifest“.

Ihre Sorgen und ihren Grund für die Teilnahme brachte eine ältere Frau vor Ort so auf den Punkt: „Es geht um unsere Welt. Wenn wir nicht gegen den Krieg was tun in der Ukraine und in Russland, dann kommt es zum Dritten Weltkrieg. Und wahrscheinlich zum Atomwaffenkrieg - und dagegen sind wir ganz strikt.“

Schwarzer: Fragen nach dem Ziel des Krieges

Frauenrechtlerin Schwarzer nannte es auf der Bühne „durchaus richtig, den von Russland brutal überfallen Ukrainern mit Waffen zur Seite zu stehen - zunächst, um sich zu verteidigen“. Deshalb sei es nun richtig, „nach einem Jahr Tod und Verwüstung nach dem Ziel dieses Krieges zu fragen und nach seiner Verhältnismäßigkeit.“

Der frühere General Erich Vad forderte „ein Ende der Kriegsrhetorik in Deutschland“, einen Ausstieg aus der militärischen Eskalation und den baldigen Beginn von Verhandlungen. „Es ist naiv zu glauben, man könne Russland militärisch ohne Nuklearkrieg besiegen.“ Der von Russland ausgelöste völkerrechtswidrige Angriffskrieg sei nach einem Jahr zu einem „Abnutzungskrieg“ geworden - dies bedeute, dass es keine vernünftige militärische Lösung mehr gebe.

Wagenknecht kritisierte scharf den Kurs der Bundesregierung. Man fühle sich nicht vertreten von Kanzler Scholz. Die Linke-Politikerin rief zu einem „Startschuss für eine neue starke Friedensbewegung“ auf. Neonazis und Reichsbürger hätten selbstverständlich auf der Kundgebung nichts zu suchen.

Polizei Berlin: Kleinere Einsätze am Rande der Veranstaltung

Es habe am Rande der Veranstaltung kleinere Handgreiflichkeiten gegeben, sagte ein Polizeisprecher. Zudem lieferte sich laut Polizei eine Gruppe linker Gegendemonstranten eine lautstarke Auseinandersetzung mit dem Herausgeber des „Compact-Magazins“, Jürgen Elsässer. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft das Magazin als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein. Ein Polizeisprecher sagte nach der Demo, die Polizei habe keine Kenntnis von Rechtsextremen vor Ort.

Teils war auf Plakten Medienkritik zu lesen. Nach Parteiangaben waren auch zahlreiche Mitglieder der AfD vor Ort. „Rechtsextreme, Holocaustleugner und Unterstützer Russlands waren auf Schwarzers und Wagenknechts Demonstration. Das ist schlimm und schadet Deutschland. Nichts, was sich vor dem Brandenburger Tor abgespielt hat, hilft der Ukraine“, teilte die SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast mit.

Vor Ort waren viele ältere Menschen zu sehen. Viele Slogans und Fahnen stammen aus der Friedensbewegung der 1980er Jahre. Gezeigt wurden außerdem Transparente der Linkspartei. Die Veranstaltung am Samstag war größer als die am Tag zuvor, als mehr als 10.000 Menschen in Berlin gegen den Krieg demonstriert und Unterstützung der Ukraine gefordert hatten.

Für Verhandlungen fordert Russland unter anderem ein Ende westlicher Waffenlieferungen und das Einstellen von Kampfhandlungen. Das wohl Wichtigste aber ist die Anerkennung der von Russland völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Gebiete als russisch. Faktisch hieße das, dass die Ukraine mindestens ein Fünftel ihres eigenen Staatsgebiets aufgeben müsste - so viel ist derzeit von Russlands Armee besetzt.

Ukrainer weisen immer wieder darauf hin, dass ein vermeintlicher Frieden unter diesen Bedingungen das Ende der Souveränität ihres Landes bedeuten würde. Kiew setzt deshalb für Friedensgespräche den vollständigen Abzug von Russlands Truppen voraus sowie Reparationszahlungen und die juristische Verfolgung der für den Angriffskrieg Verantwortlichen in Moskau. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat aber Verhandlungen unter einem russischen Präsidenten Putin per se ausgeschlossen. (dpa)

KStA abonnieren