„Es geht um Leben und Tod“Deutsch-Iraner könnte schnelle Hinrichtung drohen – Tochter hofft auf Baerbock

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Jamshid Sharmahd droht im Iran die Hinrichtung. (Archivbild)

Jamshid Sharmahd droht im Iran die Hinrichtung. (Archivbild)

Die Todesstrafe gegen Jamshid Sharmahd könnte in kürzester Zeit vollstreckt werden, das berichtet seine Tochter. Gazelle Sharmahd hofft nun auf die Bundesregierung. 

Dem deutschen Staatsbürger Jamshid Sharmahd droht im Iran die unmittelbare Hinrichtung, das berichtet seine Tochter Gazelle Sharmahd im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Vollstreckung der Todesstrafe könnte in kürzester Zeit erfolgen, berichtet sie. „Es ist jetzt Alarmstufe Rot!“

Am Samstag habe sie die Nachricht bekommen, dass die Berufung, die gegen das zuvor verhängte Todesurteil gegen ihren Vater eingelegt wurde, sofort an den Obersten Gerichtshof des Irans weitergeleitet worden sei. „Das heißt, das Urteil könnte innerhalb kürzester Zeit bestätigt und vollstreckt werden“, erklärte Gazelle Sharmahd.

Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd wegen „Korruption auf Erden“ zum Tode verurteilt

Jamshid Sharmahd war zuvor am 21. Februar im Iran zum Tode verurteilt worden. Die Justiz macht den 67-Jährigen für die Planung mehrerer Terroranschläge verantwortlich. Gemäß islamischer Rechtsauffassung im Iran wurde der 67-Jährige wegen „Korruption auf Erden“ verurteilt. Auf diesen Straftatbestand steht im Iran die Todesstrafe.

Überprüfen lassen sich die Vorwürfe nicht. Menschenrechtler halten das Verfahren jedoch für politisch motiviert. Seine Familie und Menschenrechtsgruppen wiesen die Vorwürfe gegen ihn in der Vergangenheit zurück.

Amnesty International bezeichnet Verfahren gegen Jamshid Sharmahd als Schauprozess

Amnesty International forderte Deutschland bereits nach der Verurteilung Sharmahds zu entschlossenem Handeln auf. Es brauche nun öffentlichen Druck statt „stiller Diplomatie“, hieß es in einer Mitteilung. Bereits in der Vergangenheit hatte Amnesty das Verfahren als Schauprozess bezeichnet.

„Das Regime hat uns glasklar gesagt, dass das ausschließlich eine politische Entscheidung ist“, berichtet nun Gazelle Sharmahd. „Das heißt die gucken jetzt auf die Reaktion von unserer Bundesregierung“.

„Das heißt die gucken jetzt auf die Reaktion von unserer Bundesregierung“

Außenministerin Annalena Baerbock hat das Verfahren gegen Sharmahd zuvor verurteilt. „Das Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd ist absolut inakzeptabel. Nicht nur ist die Todesstrafe grausam, unmenschlich und erniedrigend, Jamshid Sharmahd hatte auch zu keinem Zeitpunkt nur den Ansatz eines fairen Prozesses“, hatte die Grünen-Politikerin erklärt. „Wir fordern Iran dazu auf, diese Mängel im Berufungsverfahren abzustellen, das Urteil entsprechend zu korrigieren und von der Todesstrafe abzusehen.“

Gazelle Sharmahd hatte zuvor die bisherigen Bemühungen Deutschlands scharf kritisiert. „Ich habe ihnen als gutgläubige Bürgerin geglaubt. Ich habe meiner Regierung vertraut, dass sie alles tun, um uns Bürger vor Terror, Mordanschlägen, Entführung, Folter, Propaganda, Scheinprozessen und Staatsmord durch Hinrichtungen zu beschützen.“

Tochter von Jamshid Sharmahd kritisiert Bundesregierung: „Vertrauen habe ich verloren“

Dennoch habe sich an der Situation ihres Vaters in den letzten beiden Jahren nichts geändert, erklärte sie im Januar gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Man müsse darauf vertrauen können, „dass unser Leben mehr wert ist als jedes wirtschaftliche oder politische Interesse“, führte Sharmahd aus. „Dieses Vertrauen habe ich verloren.“

Jamshid Sharmahd wurde Berichten zufolge im Sommer 2020 vom iranischen Geheimdienst in Dubai festgenommen und in den Iran verschleppt. Seitdem ist der deutsche Staatsbürger in Teheran inhaftiert. Zuvor lebte Sharmahd jahrelang in den USA.

Jamshid Sharmahd lebte 16 Jahre lang in Hannover

In den 80er Jahren kam die Familie nach Deutschland und lebte 16 Jahre lang in Hannover. 2003 zog sie schließlich in den US-Bundesstaat Kalifornien. Sharmahd engagierte sich in USA als Regimekritiker, so schildert es die Tochter – und wurde so zum Feind des Regimes in Teheran.

Während seiner Haft sei Sharmahd gefoltert worden, so dass ihm „die Zähne ausgefallen sind, dass er 20 Kilo Gewicht verloren hat, dass er nicht mehr richtig gehen kann, er kann kaum noch richtig atmen“, schilderte Gazelle Sharmahd im Januar dieser Zeitung die Haftbedingungen ihres Vaters.

Iran: Richter verhängt mindestens 32 Todesstrafen seit 2016

„Ich kenne persönlich kein Todesurteil vom ‚Todesrichter Salavati‘ das vom Obersten Gerichtshof widerrufen wurde“, erklärte die Tochter nun. Abolqasem Salvati ist Vorsitzender Richter des Revolutionsgerichts. Laut der Organisation „United for Iran“ verhängte er seit 2016 mindestens 32 Todesstrafen – zuletzt auch gegen Teilnehmer der seit Monaten andauernd Proteste der Revolutionsbewegung im Iran.

Gazelle Sharmahd fordert die Bundesregierung nun erneut eindringlich zum Handeln auf. „Wenn wir jetzt nicht laut und klar sagen, dass das für uns absolut inakzeptabel ist, dass einem deutschen Staatsbürger in einem Schauprozess das Leben genommen werden soll, dann kann das Urteil innerhalb von Stunden bestätigt und ausgeführt werden“, schrieb Sharmahd am Samstagabend.

„In Staatsmedien laufen seit Tagen Propaganda-Videos gegen ihn“

Besonders beunruhigend sei, dass die iranischen Staatsmedien in den letzten Tagen in großem Ausmaß über Jamshid Sharmahd berichten würde, erklärte die Tochter zudem. „Ich habe etliche Nachrichten aus dem Iran erhalten, dass seit einer Woche ununterbrochen nach den Hauptnachrichten Propaganda-Videos gegen meinen Vater im Staatsfernsehn abgespielt werden.“

Die Deutschlandfunk-Journalistin Susan Zare bestätigt diese Beobachtung. „In Staatsmedien laufen seit Tagen Propaganda-Videos gegen ihn“, berichtete sie auf Twitter.

Gazelle Sharmahd fordert Druck von Annalena Baerbock: „Es geht um Leben und Tod für meinen Papa“

„Die Gehirnwäsche der Öffentlichkeit ist im vollen Gange, um sie auf die Hinrichtung und den Mord an meinem Vater vorzubereiten“, vermutet Tochter Gazelle. „Die nächste Nachricht könnte die Vollstreckung seiner Todesstrafe sein.“

„Es ist jetzt 5 vor 12!“, schreibt Gazelle Sharmahd außerdem. „Es geht um Leben und Tod für meinen Papa! Das Auswärtige Amt und Annalena Baerbock müssen endlich klaren Druck ausüben, bevor Blut fließt!“

„Die Bundesregierung verfolgt den Fall sehr eng und setzt sich fortlaufend für Herrn Sharmadh ein. Wir haben den Iran wiederholt aufgerufen, die Todesstrafe zu revidieren und Herr Sharmahd ein faires Berufungsverfahren zu ermöglichen“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Sonntagmorgen auf Anfrage dieser Zeitung. „Iran verletzt in dem Fall massiv die Rechte eines deutschen Staatsangehörigen. Auf das Todesurteil hatte die Bundesregierung am 22. Februar mit der Ausweisung von zwei Angehörigen der iranischen Botschaft reagiert.“

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