Islamischer Staat Provinz KhorasanDiese Terrororganisation könnte den Kölner Dom im Visier haben

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Einsatzfahrzeuge der Polizei stehen vor dem Dom. Gottesdienstbesucher des Kölner Doms und Touristen müssen sich in den nächsten Tagen auf erhöhte Sicherheitsstandards einstellen.

Einsatzfahrzeuge der Polizei stehen am Samstagabend vor dem Kölner Dom.

Vor allem eine islamistische Organisation scheint gerüstet für Anschläge in Europa. Im Sommer gab es Festnahmen mutmaßlicher Terroristen in NRW.

Als am Samstagabend die Kölner Polizei mit einem Großaufgebot den Kölner Dom umstellte und mit Spürhunden durchsuchte, hatte es zuvor Hinweise auf einen Anschlagsplan einer islamistischen Gruppe gegeben. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa könnte es bei der Gruppe möglicherweise einen Bezug zu einem Ableger des Terrornetzwerks Islamischer Staat (IS) geben, der sich Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) nennt. Die Gruppe ist schon seit einigen Jahren in Afghanistan aktiv und trägt einen bewaffneten Konflikt mit den militant-islamistischen Taliban aus.

Khorasan ist eine historische Region in Zentralasien, deren Ausdehnung im Laufe der Geschichte unterschiedlich definiert wurde. Sie umfasste unter anderem das heutige Staatsgebiet von Afghanistan, Tadschikistan und Turkmenistan.

ISPK für hunderte Anschläge in Afghanistan verantwortlich – Aktivitäten auch in Europa

„Das Erstarken dieser Gruppe in Afghanistan verstärkt die Gefährdungslage in Deutschland“, hatte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, im Frühjahr gesagt. Obwohl der IS in Syrien und im Irak als weitestgehend besiegt gelte, sei die Gesamtorganisation noch lange nicht zerschlagen. „Unter den verschiedenen Ablegern des IS sticht besonders der ISPK hervor.“

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Nach US-Angaben hat der ISPK in den vergangenen Jahren hunderte Anschläge in Afghanistan verübt – sowohl während der Präsenz amerikanischer und europäischer Soldaten als auch nach der Machtübernahme durch die Taliban.

Der ISPK ist ein salafistisches Netzwerk, das einen Glaubenskrieg verfolgt und vor allem aus Afghanistan agiert. Es fokussiere sich auf zwei Strategien, so Aaron Zelin vom Washingtoner Institut für Politik im Nahen Osten: eine Propagandakampagne auf mehreren Sprachen, die das eigene Weltbild in Zentralasien und darüber hinaus verbreitet. Der zweite Strang sei das Planen und Ausüben von Anschlägen in Afghanistan, aber auch in Tadschikistan, Usbekistan auf den Malediven und darüber hinaus. Ein Finanzierungsnetzwerk erstrecke sich um die ganze Welt, oft seien Tadschiken beteiligt.

Der ISPK befinde sich in Afghanistan im bewaffneten Konflikt mit den Taliban, schaue aber auch „in Richtung Europa“, betonte Verfassungsschutz Haldenwang. Um seinen Führungsanspruch innerhalb des Terrornetzwerks zu unterstreichen, setze ISPK auf Anschläge gegen „Ungläubige“ im Westen.

„Der salafistische Jihadismus befindet sich in Afghanistan im Aufwind. Die derzeitige desolate politische und wirtschaftliche Lage im Land bietet ISKP ein enormes Potenzial, neue Mitglieder anzuziehen“, so Ellinor Zeino, die das Südwestasien-Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung leitet. 

Vier Festnahmen bei Ermittlungen gegen Islamisten in Österreich

Im Zusammenhang mit dem möglichen Anschlagsplan auf den Kölner Dom soll es in Österreich Festnahmen gegeben haben. Der österreichische Verfassungsschutz hat nach Angaben des dortigen Innenministeriums bei Ermittlungen gegen ein islamistisches Netzwerk vier Menschen festgenommen. Derzeit liefen Befragungen der Verdächtigen und entsprechende Auswertungen, teilte die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst im österreichischen Innenministerium am Sonntag mit. Nähere Details könnten aus kriminaltaktischen Gründen derzeit nicht genannt werden.

Auch in Deutschland habe es eine erste Festnahme gegeben. Eine Bestätigung dafür gab es am Sonntag zunächst nicht. 

Festnahmen in NRW im Juli – Terrorzelle des ISPK aufgedeckt

Die Bundesanwaltschaft hatte in Nordrhein-Westfalen im Juli eine mutmaßliche islamistische Terrorzelle des ISPK aufgedeckt und sieben Verdächtige festnehmen lassen. Den vor allem aus Tadschikistan stammenden Männern wird vorgeworfen, in Deutschland eine terroristische Vereinigung gegründet und Anschläge geplant zu haben. Die Festgenommenen waren zwischen 20 und 46 Jahre alt.

Auch bei den vereitelten Anschlagsplänen auf einen Weihnachtsmarkt in Leverkusen-Opladen spielt das ISPK eine Rolle. Die beiden Terrorverdächtigen wollten sich offenbar zu der Gruppe absetzen. Sie wurden Anfang Dezember festgenommen.

Die Festnahme einer Gruppe von konspirativ agierenden mutmaßlichen Terroristen aus Zentralasien warf ein Schlaglicht auf die Gefahr, die in den vergangenen Jahren in Deutschland keine allzu große Rolle mehr gespielt hat: International vernetzte Islamisten, die gemeinschaftlich als Teil eines Netzwerks Anschläge mit Waffen und Sprengstoff planen. 

Islamistische Terroranschläge der vergangenen Jahre waren anderer Natur. Sie wurden in der Regel von Männern verübt, die dafür einfache Tatwerkzeuge wie Messer oder Fahrzeuge wählten. Oft hatten sie sich selbst radikalisiert, bei einigen von ihnen kamen psychische Probleme hinzu.

Einreise von ISPK-Kämpfern über die Ukraine?

So wie es aussieht, nutzten die mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe 2022 die Gunst der Stunde. Sie reisten nach Beginn des russischen Angriffs, als Hunderttausende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in der Europäischen Union Schutz suchten, nach Deutschland beziehungsweise in die Niederlande. Ob sie sich vor Kriegsbeginn schon in der Ukraine aufgehalten haben, ist Gegenstand von Ermittlungen.

Im Mai 2022 waren vom Oberlandesgericht Düsseldorf Mitglieder einer ISPK-Zelle aus Nordrhein-Westfalen wegen verschiedener Vergehen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Dabei ging es unter anderem um ein geplantes Schusswaffenattentat auf einen Islamkritiker in Neuss, das durch Ermittlungen der Polizei verhindert werden konnte.

In dem Prozess fiel auch auf, wie stark die Islamisten dieses IS-Ablegers international vernetzt sind. Beispielsweise hatte sich nach Auffassung des Gerichts ein Mitglied der Zelle an der Vorbereitung eines Auftragsmordes in Albanien zur Finanzierung der Vereinigung beteiligt. Außerdem soll er mitgewirkt haben an einem Geldtransfer an ein führendes IS-Mitglied in Syrien sowie am Einwerben und Transfer sogenannter Spenden an inhaftierte Angehörige getöteter und gefangener IS-Kämpfer in nordsyrischen Lagern. (mdo/dpa)

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