Unsere Rechtsordnung ist auf die Bedrohung aus der Luft bislang kaum vorbereitet – was man dafür ändern müsste. Ein Gastbeitrag
Gastbeitrag von Kölner JuristPutins Augen über Deutschland – was tun gegen die Drohnen-Gefahr?

Ein Polizeifahrzeug auf dem Gelände des Münchner Flughafens, über dem Drohnen gesichtet wurden
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Derzeit halten Drohnen Deutschland und seine europäischen Partner in Atem. Immer häufiger werden sie über Militärstützpunkten, Energieanlagen oder anderen kritischen Infrastrukturen gesichtet. Selbst Flughäfen bleiben nicht verschont: In Köln/Bonn kam es bereits zu Störungen, in München musste der Flugbetrieb zuletzt gleich zweimal binnen 24 Stunden eingestellt werden. Bei vielen der derzeit am Himmel kurvenden und – trotz sicherlich vorhandener Fehlmeldungen sowie Trittbrettfahrern – wohl überwiegend der Russischen Föderation zuzurechnenden Drohnen handelt es sich um sogenannte Quadrokopter mit geringer Reichweite, wie man sie aus Elektronikmärkten kennt. Solche Flugsysteme mögen harmlos wirken. Gleichwohl lassen sie sich für Ausforschungszwecke einsetzen und vor allem gezielt zur Verunsicherung nutzen.
Die Steuerung der Drohnen übernehmen nicht selten sogenannte Low Level Agents: Hilfspersonen aus meist kriminellen Milieus, die sich für geringe Geldbeträge in den Dienst einer fremden Macht stellen. Mit den Kleindrohnen wenig gemein haben jene großflächigen Starrflügler, die ebenfalls wiederholt gesichtet wurden und offenbar unter anderem über die Ostsee nach Deutschland gelangen. Sie verfügen über Spannweiten von teils mehr als drei Metern und erreichen Reichweiten von mehreren Hundert Kilometern. Diese Drohnen sind technisch gesehen militärische Luftfahrzeuge und können unschwer zu fliegenden Sprengsätzen aufgerüstet werden. Unsere Rechtsordnung ist auf die Bedrohung aus der Luft bislang kaum vorbereitet, was sich exemplarisch an den zersplitterten Behördenzuständigkeiten zeigt.
Tauchen unbemannte Flugobjekte etwa über einem internationalen Flughafen oder Bahnhof auf, zeichnet die Bundespolizei verantwortlich. In nahezu allen anderen Fällen ist die Polizei des jeweiligen Bundeslandes zuständig. Über militärischen Anlagen wie Kasernen oder Munitionsdepots hingegen darf die Bundeswehr selbst tätig werden. Die Klärung der behördlichen Zuständigkeit beansprucht im Ernstfall nicht nur Zeit, sondern birgt auch das Risiko einer Fehleinschätzung, insbesondere bei Drohnenoperationen, deren Zweck regelmäßig im Vorfeld nicht zweifelsfrei identifiziert werden kann.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat vor diesem Hintergrund unlängst angemahnt, dass schnell eine funktionierende Drohnenabwehr aufgebaut werden müsse. Sinnvoll erscheint es, in einem ersten Schritt die Polizei schnellstmöglich zur Abwehr von (Klein-)Drohnen zu ertüchtigen. Wenn ballistischer Helm und Maschinenpistole in vielen Streifenwagen längst zur Standardausrüstung gehören, obwohl nur selten ein Amokfall auftritt – warum nicht auch kleine, wendige Abfangdrohnen oder mobile Störsender („Jammer“), die gezielt Funk- und GPS-Verbindungen unterbrechen? Abgefangen werden könnten die kleinen Drohnen nicht nur, indem andere Drohnen in sie hineingeflogen werden, sondern teils auch durch Fangnetze.
Abfanginstrumente in der Fläche müssen schnell verfügbar sein
Weil Drohnen oft nur wenige Minuten in der Luft sind, müssen Abfanginstrumente in der Fläche schnell verfügbar sein. Gerade mit Blick auf großflächige Starrflügler stellt sich zudem die Frage, ob auch die Bundeswehr abseits ihrer Eigensicherung einschreiten darf. Eine Unterstützung der Polizei durch die Streitkräfte im Wege der Amtshilfe setzt nach dem Luftsicherheitsgesetz (das hier Vorgaben des Grundgesetzes wiederholt) die Abwehr eines „besonders schweren Unglücksfalls“ voraus.
Die Schwelle dafür liegt sehr hoch. Überflüge von Drohnen, die zumindest bislang in Deutschland keine Sprengsätze transportieren, reichen hierfür definitiv nicht aus. Zwar ließe sich fachgesetzlich wohl ändern, dass die Bundeswehr ein Flugobjekt nicht nur abdrängen, zur Landung zwingen oder Warnschüsse abgeben, sondern auch scharf auf dieses schießen darf. An dem grundgesetzlich vorgegebenen Erfordernis eines „besonders schweren Unglücksfalls“ änderte dies aber nichts. Das zeigt: Wirkungsvolle Kompetenzerweiterungen zugunsten der Bundeswehr wären ohne eine Verfassungsänderung kaum zu erreichen.
Eine solche Grundgesetzänderung bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder sowohl des Bundestags als auch des Bundesrats. Erstere dürfte derzeit kaum zustande zu bringen sein, weil mit AfD und Linkspartei ein erheblicher Teil der Abgeordneten für eine verfassungspolitische Kooperation faktisch ausscheidet. Umso wichtiger ist es, im Kampf gegen die Drohnengefahr auf die Polizei zu setzen und sie technisch auch zum Abschuss von Starrflüglern zu befähigen, soweit dies im dicht besiedelten Deutschland realisierbar ist.
Die Ortung größerer unbemannter Flugobjekte durch militärisches Radar könnte bei der Bundeswehr verbleiben und bestenfalls bereits vor dem Eindringen in den deutschen Luftraum erfolgen. Dadurch bliebe vielleicht genügend Zeit, polizeiliche Einsatzmittel heranzuführen – koordiniert durch ein im Ansatz durch das Bundesinnenministerium jüngst ins Spiel gebrachtes gemeinsames Abwehrzentrum.