Erneut geht eine russische Raffiniere in Flammen auf. In sozialen Netzwerken kursieren daraufhin wütenden Videos aus Russland.
„Mit einer Steinschleuder oder was?“Ukraine greift eine von Putins modernsten Raffinerien an – Wutvideos aus Russland

Eine Ölraffinerie in Rjasan in Russland brennt nach einem Angriff. (Symbolbild)
Copyright: Screenshot/Generalstab der ukrainischen Streitkräfte
Im Nordwesten Russlands unweit der Millionenstadt St. Petersburg ist eine der größten Raffinerien des Landes nach einem ukrainischen Drohnenangriff in Brand geraten. Es gebe ein Feuer in der Industriezone der Stadt Kirischi, bestätigte der Gouverneur des Leningrader Gebiets, Alexander Drosdenko. Der Brand sei liquidiert, schrieb er später auf Telegram. Die Flugabwehr habe sieben Drohnen abgeschossen. Zuvor kursierten Videos von den Einschlägen in der Nacht.
Drohnenangriffe sorgen für Frust: „Wo ist denn die Luftabwehr?
Auf einer der Aufnahmen sind nicht nur Explosionen auf dem Raffinerie-Gelände zu sehen, sondern auch entgeisterte Worte zu hören. „Verdammt noch mal, Scheiße!“, sagt ein Mann in einem der von russischen Telegram-Kanälen veröffentlichten Video. „Was für Arschlöcher, verdammt!“, flucht die Stimme weiter und fügt an: „Wo ist denn die Luftabwehr? Wie holt ihr die runter? Mit einer Steinschleuder oder was? Scheiße!“
Die ukrainischen Schläge gegen die russische Ölindustrie setzen sich demnach fort – und lassen sich auch in Russland nicht mehr verheimlichen, auch wenn die Staatsmedien oftmals nur über „Zwischenfälle“ in den Raffinerien berichten und die erfolgreichen ukrainischen Angriffe verschweigen. Doch mittlerweile kommt es fast täglich zu neuen Attacken – oftmals mit Erfolg, so wie nun in Kirischi.
Zweiter Angriff auf moderne Raffinerie nahe St. Petersburg
Es ist bereits der zweite Angriff auf die Raffinerie innerhalb weniger Wochen. In dem Ort, 800 Kilometer nördlich der Ukraine, befindet sich die Raffinerie Kirischinefteorgsintes (Kinef) des kremlnahen Ölkonzerns Surgutnefetegas. Sie ist mit einer Verarbeitungskapazität von rund 20 Millionen Tonnen Öl pro Jahr eine der größten Ölanlagen in Russland.
Die Ukraine setzt in ihrer Verteidigung gegen die seit mehr als dreieinhalb Jahre dauernde russische Invasion stark auf den Beschuss von Ölanlagen. Damit will Kiew einerseits die Treibstoffversorgung des russischen Militärs unterbrechen, andererseits Moskau eine wichtige Einnahmequelle zur Kriegsfinanzierung nehmen.
Angriffswelle: Erheblicher Treibstoffmangel in Russland
Berichten nach konnte die Ukraine mit den Drohnenangriffen inzwischen etwa ein Viertel der russischen Anlagen zur Erdölverarbeitung lahmlegen. Immer wieder gibt es zuletzt Berichte über erheblichen Treibstoffmangel und lange Schlangen vor Tankstellen in Russland. Durch den jüngsten Schlag auf eine der größten und modernsten Raffinerien in Russland dürfte sich die Lage nun noch weiter zuspitzen.
Einen erfolgreichen Angriff meldeten die ukrainischen Streitkräfte unterdessen am Samstagmorgen auch in der russischen Region Woronesch. Zwei Radarstationen seien dort „zerstört“ worden, teilten die ukrainischen Spezialkräfte in ihrem Telegram-Kanal mit. Die beiden Objekte seien Bestandteile des Luftverteidigungssystems, welches für die Abwehr ukrainischer Drohnen eingesetzt wurde, hieß es weiter.
ISW: Russland ändert Taktik für Angriffe auf Ukraine
Russland scheint unterdessen seine Taktik für Angriffe auf die Ukraine geändert zu haben, das berichtet das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW). Demnach setzt Moskau mittlerweile darauf, insbesondere Raketen nicht mehr täglich einzusetzen, sondern für Großangriffe zu horten, berichten die US-Analysten in ihrem Lagebericht.
„Die russischen Streitkräfte scheinen fast täglich ballistische Raketen und Marschflugkörper zu horten und dann eine große Anzahl dieser Raketen zusammen mit einer großen Anzahl von Drohnen abzufeuern, um die ukrainischen Luftabwehrsysteme zu unterdrücken“, heißt es dort.
Seit Ende August komme es „etwa alle zwei Wochen“ zu nächtlichen Angriffen mit mehr als 40 Raketen. „Dies unterstreicht Russlands jüngste Tendenz, zwischen seinen regelmäßigeren, aber kleineren Drohnenangriffen regelmäßig mehrere große kombinierte Angriffe durchzuführen.“ Außerdem nehme Russland mittlerweile gezielt Städte ins Visier, die nicht von Patriot-Luftabwehrsystemen geschützt werden, berichteten die US-Analysten.
Russland greift „wichtige Stromversorgungsanlagen“ an
In der Nacht auf Samstag bestätigte sich die Analyse prompt: Das russische Militär hat die Ukraine erneut mit Drohnenschwärmen überzogen. Die Flugabwehr berichtete auf Telegram von Einflügen von Kampfdrohnen bei Dnipro und Charkiw. Am Samstagmorgen meldete die Ukraine dann Angriffe auf „wichtige Stromversorgungsanlagen in der Region Tschernihiw“, etwa 50.000 Menschen seien ohne Strom, hieß es in den Berichten ukrainischer Nachrichtenagenturen.
Neben den Kampfdrohnen seien auch russische Kampfflugzeuge im Einsatz gewesen, wie die Agentur Ukrinform berichtete. Die Großstadt Saporischschja und deren Umgebung sei am späten Abend mit gelenkten Flugzeugbomben angegriffen worden. Es habe mehrere Explosionen gegeben. Über eventuelle Opfer oder Schäden lagen zunächst keine Angaben vor. Über den Einsatz von Raketen und Marschflugkörpern gab es passend zur Analyse des Instituts für Kriegsstudien unterdessen keine Berichte. (mit dpa)