Schärfere Sanktionen, Ölpreisdeckel: Brüssel plant den großen Schlag gegen den Kreml. Doch die USA könnten Putin in die Karten spielen.
Neues Sanktionspaket?EU will Russland Geldhahn abdrehen – Trump könnte blockieren

Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau. / TASS
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Angesichts der anhaltenden russischen Angriffe auf die Ukraine bereiten die EU-Staaten ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland vor. Im Fokus: Mehr als 20 russische Banken vom globalen Finanznachrichtennetzwerk SWIFT abzukoppeln und den Ölpreisdeckel zu verschärfen, um Moskaus Geldströme auszutrocknen. Laut Diplomaten sieht ein Entwurf der EU-Kommission vor, die bisherige Preisobergrenze von 60 auf 45 US-Dollar pro Barrel abzusenken.
Unterstützt wird der Vorschlag unter anderem von Deutschland, Frankreich und Italien. Der Ölpreisdeckel ist ein gemeinsames Instrument der EU und der G7-Staaten – doch ausgerechnet die USA stellen sich aktuell gegen eine Verschärfung. Dadurch könnte das mittlerweile 18. Sanktionspaket der EU deutlich abgeschwächt werden.
Wadephul für weitere Sanktionen gegen Russland
Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte jüngst in Brüssel betont, es dürfe „keine Denkverbote“ bei weiteren Sanktionen gegen Russland geben. EU-Beamte prüfen derzeit alle möglichen Maßnahmen. Ziel ist es, die Sanktionen auf eine neue Stufe zu heben und Maßnahmen von ähnlicher Schärfe wie die der USA zu entwickeln.
„Keine Denkverbote“ bei weiteren Sanktionen gegen Russland
Dabei stößt ein Vorschlag aus dem US-Senat auf Sympathien in der Bundesregierung. Senator Lindsey Graham hatte gefordert, Strafzölle von bis zu 500 Prozent auf Staaten zu verhängen, die weiterhin russisches Öl, Gas und Uran importieren. Dies würde nach RND-Informationen auch zwölf EU-Länder treffen. Dass die EU ein ähnliches Sanktionspaket verabschiedet wie die USA, gilt jedoch als ausgeschlossen: Sanktionen müssen einstimmig beschlossen werden, und Länder, die selbst noch russische Energieträger beziehen, würden eine Selbstsanktionierung blockieren.
Graham wirft Russland vor, die laufenden Friedensgespräche lediglich als Verzögerungstaktik zu nutzen. In den vergangenen Tagen reiste er nach Deutschland und Frankreich, um für eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland zu werben. „Wir sind uns alle einig, dass die Kriegsmaschinerie des russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Stillstand käme, wenn China und Indien aufhören würden, billiges russisches Öl zu kaufen“, so Graham nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Auch Graham braucht Trumps Zustimmung
Über Grahams Gesetzentwurf soll nächste Woche im US-Senat abgestimmt werden. Er sieht 82 der 100 Senatoren auf seiner Seite. Ohne die Zustimmung von Donald Trump dürfte es allerdings zu keiner Abstimmung kommen. Dieser befürchtet offenbar, keine Geschäfte mehr mit Russland machen zu können. Nach dem ausbleibenden Durchbruch bei den Friedensgesprächen in Istanbul könnte Trump jedoch einem härteren Kurs gegenüber dem Kreml offener gegenüberstehen. Graham zeigte sich überzeugt, dass Trump die Sanktionen unterstützt.
Der US-Senator hofft nun, dass es bis zum G7-Gipfel am 16. Juni auch mit Europa eine Einigung über neue Ölpreis-Sanktionen gibt. Allerdings halten EU-Diplomaten den Zeitplan für äußerst ambitioniert. An diesem Mittwoch wollen die EU-Botschafter über die neuen Russland-Sanktionen und den Vorstoß von Graham beraten.
Estland will vollständiges Handelsembargo gegen Russland
In Europa werden die Rufe nach schärferen Sanktionen bereits lauter. „Je schneller und entschlossener wir den Geldfluss in die russische Wirtschaft einschränken, desto wahrscheinlicher ist es, dass Putin seine imperialistischen Ziele aufgibt und der Krieg gegen die Ukraine mit einem gerechten und dauerhaften Frieden endet“, sagte Estlands Außenminister Margus Tsahkna dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Er will ein vollständiges Handelsembargo gegen Russland durchsetzen und fordert, die Umgehung der Sanktionen über Drittländer entschiedener zu unterbinden. „Um einen fairen und dauerhaften Frieden zu erreichen, muss der Druck auf den Angreifer erhöht und die umfassende Unterstützung für die Ukraine fortgesetzt werden“, so der Außenminister zum RND.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht Handlungsbedarf. Am Montag traf sie sich mit Senator Graham, um die Abstimmung zwischen den Sanktionen der EU und den USA zu besprechen. Sie betonte, der Kreml verstehe nur die Sprache der Stärke – und der bereits ausgeübte Druck zeige Wirkung.
Tatsächlich stehen die Russen vor immer größeren Herausforderungen, beobachtet Außenminister Tsahkna. „Das Haushaltsdefizit, der Arbeitskräftemangel und die steigenden Preise sind zu ernsthaften Problemen geworden“, sagt er. „Obwohl Russland in seiner Propaganda ständig das Gegenteil behauptet, sieht sich das Land mit immer größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert.“ Russland hat bisher dennoch keine Anstalten gemacht, von seinen Kriegszielen abzurücken.
Auch in den direkten Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew in dieser Woche wurde von ukrainischer Seite ein Memorandum vorgeschlagen, das eine Aufhebung erster westlicher Sanktionen allerdings mit einer mit Rückfalloption beinhaltet und die russische Wirtschaft entlasten könnte. Die eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank in Europa und den USA soll Moskau allerdings nicht zurückbekommen. Sie sollen für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden. Die Verhandlungsrunde endete jedoch nach knapp einer Stunde lediglich mit der Vereinbarung über den nächsten Austausch von Kriegsgefangenen. Frieden ist weiter nicht in Sicht.