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Auch Deutschland im VisierTerror, Drohungen, Gewaltfantasien – Moskau in Rage nach Putins Demütigung

Lesezeit 6 Minuten
Wladimir Putin zusammen mit Ex-Präsident Dmitri Medwedew bei einer Gedenkveranstaltung. Der Kremlchef schweigt nach dem ukrainischen Großangriff weiter. Medwedew nicht. (Archivbild)

Wladimir Putin zusammen mit Ex-Präsident Dmitri Medwedew bei einer Gedenkveranstaltung. Der Kremlchef schweigt nach dem ukrainischen Großangriff weiter. Medwedew nicht. (Archivbild)

Nach „Operation Spinnennetz“ herrschte zunächst dröhnendes Schweigen in Russland. Nun kommen erneut radikale Botschaften.

Am Sonntag und Montag herrschte noch ungewöhnliche Stille in Moskau. Nun scheint der Kreml und die Moskauer Propaganda-Maschinerie nach dem für Russland verheerenden Großangriff der Ukraine langsam jedoch seine Sprache wieder gefunden zu haben – und sie fällt so imperialistisch, brutal und faschistisch aus, wie man es mittlerweile aus Moskau kennt.

So richtete sich Dmitri Medwedew, russischer Ex-Präsident und langjähriger Vertrauter von Kremlchef Wladimir Putin, am Dienstagmorgen in seinem Telegram-Kanal „an alle, die besorgt sind und auf Vergeltung warten“ und versicherte: „Vergeltung ist unvermeidlich“. Bis diese komme, solle sich jeder daran erinnern, dass die russische Armee in der Ukraine weiterhin „auf dem Vormarsch“ sei, führte Medwedew aus und ließ schrille Drohungen folgen.

Drohungen von Dmitri Medwedew nach „Operation Spinnennetz“

„Alles, was in die Luft gesprengt werden sollte, wird in die Luft gesprengt werden, und diejenigen, die ausgelöscht werden sollten, werden verschwinden“, schrieb der nunmehrige Vizechef des russischen Sicherheitsrates, der seit Kriegsbeginn immer wieder mit drastischen Tönen in die Öffentlichkeit tritt.

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew posiert vor einem Atompilz. Der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin hat mit Drohungen auf einen ukrainischen Großangriff reagiert. (Archivbild)

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew posiert vor einem Atompilz. Der Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin hat mit Drohungen auf einen ukrainischen Großangriff reagiert. (Archivbild)

Auch zu den jüngsten Gesprächen zwischen der Ukraine und Moskau zu Wochenbeginn äußerte sich Medwedew. Die zweite Verhandlungsrunde hatte am Montag in Istanbul stattgefunden, nachdem Russland zuvor dutzende wertvolle Kampfflugzeuge durch die ukrainische „Operation Spinnennetz“ verloren hatte. Kurz nach den Gesprächen waren dann die russischen Bedingungen veröffentlicht worden – sie gleichen weiterhin einer Aufforderung zur Kapitulation der Ukraine.

Moskau: Verhandlungen dienen ausschließlich Russlands Sieg

Medwedew machte nun keinerlei Hehl mehr daraus, dass Moskau die von US-Präsident Donald Trump gewünschten Verhandlungen ohnehin nie ernsthaft als Weg zum Frieden in Betracht gezogen hat.

„Die Verhandlungen in Istanbul sind nicht für einen Kompromissfrieden zu unrealistischen, von jemand anderem erfundenen Bedingungen notwendig, sondern für unseren schnellen Sieg und die vollständige Vernichtung der neonazistischen Macht“, erklärte Medwedew und fügte an: „Das ist der Sinn des russischen Memorandums, das gestern veröffentlicht wurde.“ Russland behauptet seit Jahren ohne jede Grundlage, in der Ukraine sei ein „Nazi-Regime“ an der Macht. 

Russland macht keinen Hehl mehr aus seinen wahren Zielen

Noch radikaler als Medwedew äußern sich derweil Russlands Top-Propagandisten. Den Auftakt machte Margarita Simonjan, die Chefin des in der EU verbotenen TV-Senders RT, bereits am Sonntag. „Verhandeln kann man mit den Ukrainern lediglich darüber, wie sie an die Wand gestellt werden möchten: mit verbundenen Augen oder direkt in die Mündung schauend“, schrieb Simonjan in ihrem Telegram-Kanal.

Blumen von Wladimir Putin für die Top-Propagandistin: RT-Chefin Margarita Simonjan bei einem Treffen mit dem Kremlchef. (Archivbild)

Blumen von Wladimir Putin für die Top-Propagandistin: RT-Chefin Margarita Simonjan bei einem Treffen mit dem Kremlchef. (Archivbild)

Am Montag, nach dem Großangriff auf russische Flugplätze und den erfolglosen Gesprächen in Istanbul, nahm die RT-Chefin dann mal wieder Deutschland ins Visier – offenbar mit dem Ziel, eine mögliche Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu verhindern.

RT-Chefin droht Deutschland wegen Taurus

„Wenn die Deutschen ihre Raketen tief in russisches Territorium schicken und dies kein Casus Belli, also kein Kriegsgrund mit Deutschland, ist, dann weiß ich nicht, was ein Grund sein soll“, schrieb Simonjan – und drohte damit mit einer offenen Auseinandersetzung zwischen Russland und der Nato. 

In den russischen TV-Studios fallen die Töne nicht weniger drastisch aus. „Wir sehen, dass ein Weltkrieg unvermeidlich ist“, kommentierte der prominente TV-Moderator Wladimir Solowjow in seiner Sendung im Staatsfernsehen den ukrainischen Großangriff. Auch Simonjan war in der Sendung zu Gast: „Die Zeit wird kommen, in der sie für das alles bezahlen werden“, drohte die RT-Chefin, die regelmäßig Teil der Propaganda-Sendungen ist, in Richtung der Ukraine.

Atomdrohungen im Staats-TV: Propagandisten für „Präventivschlag“

„Das ist die Vorbereitung eines Atomkriegs“, befand unterdessen der ehemalige KGB-Agent Andrej Bezrukow und forderte Anpassungen an der russischen Atomdoktrin, um nukleare „Präventivschläge“ gesetzlich möglich zu machen. Nur wenn man die Ukrainer auf diese Weise „auf nichts reduziert“ könnten Attacken wie „Operation Spinnennetz“ zukünftig unterbunden werden, führte Bezrukow aus. Das gesamte ukrainische Territorium müsse fortan als „Pufferzone“ betrachtet werden, von der Russland dann „gesamt Westeuropa kontrollieren“ könne. 

Moderator Solowjow wandte sich derweil jenen Russen zu, die Videos von „Operation Spinnennetz“ ins Internet gestellt hatten, darunter laut seiner Darstellung auch ein Armeeangehöriger. Solowjow zeigte auch dabei seine radikale und gewaltverherrlichende Gesinnung.

„Können wir diesen Wehrpflichtigen durch Erschießung exekutieren?“

„Können wir diesen Wehrpflichtigen durch Erschießung exekutieren?“, fragte der Moderator vor Millionenpublikum im Staats-TV – und forderte damit offen die Ermordung eines Landmanns.

„Holt den Drecksack her und exekutiert ihn als Verräter des Mutterlandes vor den Augen seiner Einheit“, geiferte Solowjow und beschuldigte den Soldaten „für den Feind“ gearbeitet zu haben. Dann brach schließlich offene Wut über den ukrainischen Angriff aus dem Moderator heraus, der zu einer wütenden Tirade über mangelnde Sicherheitsmaßnahmen in Russland ansetzte. 

Klare Botschaft aus Russland: Keine Interesse an Frieden

Dass der Kreml weiterhin keinerlei Interesse an einem Frieden oder auch nur entscheidenden Schritten in diese Richtung hat, machte unterdessen auch die russische Delegation in Istanbul am Montag zufolge erneut überdeutlich. So übergab Verhandlungsführer Wladimir Medinski offenbar nicht nur die russische Liste mit für die Ukraine inakzeptablen Maximalforderungen, sondern verhöhnte während der Gespräche offenbar auch Kyjiws Drängen auf die Rückgabe der von Russland aus der Ukraine verschleppten Kinder.

Bei der ukrainischen Forderungen handele es sich um eine „Show für weichherzige alte europäische Damen ohne eigene Kinder“, soll Medinski nach einem Bericht des „Economist“, der auf Angaben aus Verhandlungskreisen basiert, in Istanbul erklärt haben. 

Ukraine meldet Angriff auf Zivilisten in Sumy

Parallel zu den verbalen Attacken griffen auch die russischen Streitkräfte am Dienstag erneut an und attackierten die ukrainische Stadt Sumy mit Luftangriffen. Ersten Angaben zufolge soll dabei Streumunition gegen zivile Ziele mitten im Stadtzentrum eingesetzt worden sein. Ukrainische Medien berichteten von mindestens drei Todesopfern und veröffentlichte Bilder von laufenden Rettungseinsätzen in der grenznahen Stadt. In der Nacht hatte die Ukraine bereits massive Angriffe auf Odessa, Tschernihiw und nahe der Großstadt Charkiw gemeldet.

„Die Russen führten einen brutalen Angriff auf Sumy durch – sie beschossen die Stadt und ihre normalen Straßen mit Raketenartillerie“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu der jüngsten Attacke auf der Plattform X. „Es war ein ganz bewusster Angriff auf die Zivilbevölkerung.“

„Es war ein ganz bewusster Angriff auf die Zivilbevölkerung“

Erneut forderte Selenskyj angesichts der ständigen russischen Angriffe auf die Bevölkerung der Ukraine mehr internationalen Maßnahmen gegen Russland. „Es ist offensichtlich: Ohne globalen Druck – ohne entschlossenes Handeln der Vereinigten Staaten, Europas und aller, die in der Welt die Macht haben – wird Putin nicht einmal einem Waffenstillstand zustimmen.“

In Washington scheint diese Botschaft angekommen zu sein – zumindest im Senat. „Es ist Zeit, Putin zu bestrafen“, erklärte Senator Lindsey Graham am Montagabend im Gespräch mit der „Tagesschau“. Graham bereitete seit Wochen ein massives Sanktionspaket gegen Russland und seine Verbündeten vor und hat dafür nach eigenen Angaben mittlerweile eine komfortable Senatsmehrheit. Die klare Unterstützung von Präsident Trump gibt es für das Vorhaben bisher jedoch nicht.

USA: Druck auf Donald Trump steigt weiter an

„Für unsere Sicherheit und die Sicherheit der freien Welt muss Amerika weiterhin an der Seite der Ukraine stehen, bis die russische Invasion abgewehrt und ein gerechter und dauerhafter Frieden erreicht ist“, forderte am Montagabend der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence in einem Beitrag auf der Plattform X.

Schließlich stellte sich auch der Sprecher des US-Repräsentantenhauses zu Wochenbeginn hinter die Sanktionsforderungen in der eigenen Partei. „Viele Kongressabgeordnete wollen, dass wir Russland mit den strengsten Sanktionen belegen, die wir haben – ich bin ein Befürworter dieser Forderung“, erklärte Mike Johnson und erhöhte damit spürbar den Druck auf Trump und das Weiße Haus.