Kritik an FDP-Statements zur MigrationWirbel um St.-Martin-Aussage – Kubicki fordert Obergrenzen in Stadtteilen

Lesezeit 4 Minuten
Ein Kind hält eine Laterne bei einer Martinsfeier. Aussagen der FDP-Politikerin Katja Adler ließen das Thema „St. Martin“ am Dienstag und Mittwoch in den sozialen Netzwerken trenden. (Archivbild)

Ein Kind hält eine Laterne bei einer Martinsfeier. Aussagen der FDP-Politikerin Katja Adler ließen das Thema „St. Martin“ am Dienstag und Mittwoch in den sozialen Netzwerken trenden. (Archivbild)

Vor allem die Worte von Katja Adler sorgten für Irritationen. Die FDP-Politikerin bemängelt das „Textverständnis“ ihrer Kritiker. 

Gleich zwei FDP-Politiker haben mit Vorstößen in der Migrationsdebatte für Irritationen gesorgt. FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki forderte am Dienstag, den Anteil von Migranten pro Stadtteil zu deckeln, um so dem Entstehen von Parallelgesellschaften entgegenzuwirken. Kubicki schlug im Sender „Welt TV“ eine Obergrenze für den Migrantenanteil von 25 Prozent der Einwohner pro Stadtviertel vor. Dies könne unter anderem über die Residenzpflicht geregelt werden – also über die Zuweisung von Asylbewerbern und Geduldeten auf bestimmte Wohngebiete.

„Das, was wir heute auf deutschen Straßen sehen, ist das Ergebnis von Parallelgesellschaften“, sagte Kubicki. Diese Parallelgesellschaften hätten sich entwickelt, „weil Menschen verständlicherweise sich zusammengefunden haben in bestimmten Vierteln“. Deswegen müsse gelten: „Ein Viertel einer Stadt darf nicht mehr als 25 Prozent Migrantenanteil haben.“ An dem Vorschlag des FDP-Vizes gab es prompt Kritik in den sozialen Netzwerken, wo Fragen nach daraus resultierenden „Zwangsumsiedlungen“ gestellt wurden.

FDP-Vorschläge in Migrationsdebatte: Wolfgang Kubicki will Obergrenzen in Stadtteilen

Für deutlich mehr Wirbel hatte zuvor unterdessen die FDP-Politikerin Katja Adler mit einer Wortmeldung im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) gesorgt.

„Von Zuwanderern zu verlangen, unsere Werte und Kultur zu achten, in Kindergärten und Schulen zum Beispiel St. Martin, Weihnachten oder Ostern feiern zu wollen und sich über Muttertagsbasteleien zu freuen, oder zu erwarten, dass Frauen immer und von jedem mit Respekt behandelt werden, ist weder diskriminierend, rassistisch, rechts oder rechtsradikal, noch ist es islamophob“, hatte Adler geschrieben.

FDP-Politikerin Katja Adler: „St. Martin-Feierpflicht“ für Migranten?

Das sei „Hingabe und Liebe zur eigenen Kultur“, führte die FDP-Politikerin aus. „Dies zu stigmatisieren, ist weder progressiv noch fortschrittlich. Das ist regressiv und führt einzig zur Aufgabe einer grundlegenden Verbundenheit zum eigenen Land und zum Verlust der eigenen Identität“, fügte Adler an.

Bis zum Mittwochmittag wurde der Beitrag mehr als 2,7 Mio. angezeigt und erhielt mehr als 11.000 Likes – aber auch reichlich Kritik. Das Thema „St. Martin“ trendete wegen der vielen Wortmeldungen am Dienstag und Mittwoch schließlich bei X. Viele Kritiker interpretierten Adlers Aussagen demnach als Forderung nach einer „St.-Martin-Feierpflicht“.

Scharfe Kritik an St.-Martin-Aussage: „Ich bin offenbar nicht deutsch genug“

„‘Frauen immer und von jedem mit Respekt behandeln‘, sicher ja, unbedingt“, kommentierte der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck. „Aber jeder darf schon die Feste der eigenen religiösen Tradition feiern und sollte die Traditionen anderer Religionen respektieren“, kritisierte der ehemalige Grünen-Politiker bei X.

Auch die Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg meldete sich zu Wort. „Ich hab nie St. Martin gefeiert, weder in Kita noch in Schule, und Muttertagsgedöns kann ich auch nicht ausstehen“, schrieb Domscheit-Berg. „Ich bin offenbar nicht deutsch genug für manches Bundestagsmitglied“, fügte sie an und stellte in ihrem Beitrag bei X die Frage, wer eigentlich definiere, was „unsere Werte“ seien.

Migrationsdebatte: „Ich hoffe, es fordert niemand meine Abschiebung, aber ich weiß nicht, was St. Martin ist“

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen kommentierte Adlers Aussagen ebenfalls. „Ich finde gut, wenn eine FDP-Politikerin St. Martin zum Vorbild hat“, schrieb Till Steffen bei X. „Wer Vermögen hat, sollte davon abgeben. Darüber können wir gerne sprechen“, fügte der Grünen-Politiker an.

Außerhalb der politischen Arena gab es ebenfalls Widerspruch für Adler. „Ich bin seit 21 Jahren in Deutschland und ich habe wirklich nie von St. Martin gehört“, schrieb der Comedian Shahak Shapira.

Auch Elif Oezmen, Professorin für Philosophie an der Universität Gießen, kommentierte den Beitrag der FDP-Politikerin. „Ich hoffe, es fordert niemand meine Abschiebung, aber ich weiß nicht, was St. Martin ist“, schrieb Oezmen offenbar mit Augenzwinkern. „Ich habe integrationsversagt.“

FDP-Politikerin Katja Adler weist Kritik an ihren Aussagen zurück

Adler reagierte am Dienstagabend schließlich auf die breite Kritik an ihren Aussagen. „Ich habe das Textverständnis bei vielen wohl überschätzt und den Willen, bewusst misszuverstehen, definitiv unterschätzt“, schrieb sie in einem weiteren Beitrag bei X.

„Selbstverständlich verlange ich von niemandem, irgendein Fest mitfeiern wollen zu müssen. Ich erwarte aber von jedem (ob zugewandert oder nicht) die Toleranz meinem Wunsch gegenüber, das zu wollen“, führte die FDP-Politikerin aus. Sie „reflexhaft in die rassistische, rechte, rechtsradikale oder islamophobe Ecke“ zu drücken, sei eine „bewusste Diffamierung“ und vergifte die „dringend notwendige“ Debatte.

„Sie machen Fässer auf, die nicht existieren“

Auch an dieser Klarstellung gab es prompt Kritik. „Niemand hindert sie daran, mit Laternen durch die Straßen zu ziehen und zu singen. Sie machen Fässer auf, die nicht existieren“, antwortete der Volt-Politiker Sahak Ibrahimkhil bei X auf Adler. Es sei nicht das erste Mal, dass die FDP-Politikerin „bewusst Narrative verwende, um Hass zu schüren“, fügte Ibrahimkhil an.

Die Debatte findet vor dem Hintergrund der Beschlüsse der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) statt. Stundenlang hatten Bund und Länder im Kanzleramt in der Nacht auf Dienstag über den Kurs in der Migrationspolitik gerungen. Sie einigten sich schließlich auf ein neues Finanzierungssystem zur Versorgung Geflüchteter und vereinbarten Leistungskürzungen für Asylbewerber. (mit afp)

KStA abonnieren