Historiker über Putin„Für den Kremlchef geht es jetzt nur noch um ein Ziel“

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Heinrich August Winkler gehört zu den führenden Historikern in Deutschland und ist als solcher regelmäßig Gast in Talkshows. (Archivbild)

Sechseinhalb Monate ist es inzwischen her, dass russische Truppen in die Ukraine einmarschiert sind, seine Hoffnungen auf eine schnelle und erfolgreiche Invasion musste Wladimir Putin allerdings bereits nach einigen Wochen begraben.

Nach Meinung von Deutschlands führendem Historiker, Heinrich August Winkler, besteht für Putin dennoch Anlass zum Optimismus. Der Grund: Der Westen stehe nicht geschlossen gegen Putin.

Historiker Winkler bemängelt fehlende Geschlossenheit des Westens

„Der Westen müsste dringend geschlossen handeln, er tut es aber nicht. In Europa stellen Polen und Ungarn mit der Aushebelung des Rechtsstaates westliche Werte der EU infrage, die Vereinigten Staaten sind in der Krise. Wir müssen sogar mit dem schlimmstmöglichen Fall rechnen: einem Wahlsieg Trumps oder eines Trumpisten im November 2024“, sagt Winkler im Interview mit „t-online“.

Der Westen habe schon lange aufgehört, die Welt zu dominieren, so der 83-Jährige. Die fehlende Einigkeit bedrohe neben der Ukraine noch weitere Staaten. „Die westlichen Demokratien müssen im Widerstand gegen Putin einig sein. Sonst könnte die Ukraine nicht das letzte Opfer von Russlands Drang nach ‚Größe‘ sein“, so Winkler.

Heinrich August Winkler zur deutschen Russland-Politik: „Ist mit unbegreiflich“

Deutschlands Russlandpolitik – auch mit Blick auf die wirtschaftliche Abhängigkeit – sieht der Historiker kritisch. Ihm sei es unbegreiflich, „wie Deutschland nach der Krim-Annexion sehenden Auges weiter in dieser einseitigen Energieabhängigkeit von einer expansiven Macht wie Russland bleiben konnte“, sagt er.

Von Putin gehe eine große Gefahr aus, so Winkler bei „t-online“. „Für den Kremlchef geht es jetzt nur noch um ein Ziel: Die angebliche ‚geopolitische Katastrophe‘, als die er den Untergang der Sowjetunion bezeichnet hat, so weit wie möglich rückgängig zu machen. Das macht die Situation für den Westen so gefährlich.“ Putin dürfe aus dem Krieg nicht als Sieger hervorgehen, das würde die ohnehin marginalisierte Opposition und die Zivilgesellschaft weiter schwächen, so Winkler weiter.

Demokratie in Deutschland in Gefahr? 

Hoffnung, dass die westlichen Staaten auf ganzer Linie gegen Putin an einem Strang ziehen, hat der Historiker offenbar nicht. Die Auswirkungen des Krieges mit hoher Inflation und explodierenden Energiepreisen bereitet Winkler hingegen Sorgen.

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„Wenn es zu einer Entwicklung kommen sollte, die nicht mehr durch stetiges Wirtschaftswachstum und annähernde Vollbeschäftigung gekennzeichnet ist, dann stehen wir vor der größten Bewährungsprobe unserer Demokratie seit Bestehen der Bundesrepublik.“ Er sei aber zuversichtlich, dass die demokratischen Parteien in der BRD stark genug seien, eine solche Herausforderung zu bestehen. (pst) 

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