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Weitere Hinrichtungen im Iran befürchtet„Mein Urteil ist die Hinrichtung, Papa – erzähl’ Mama nichts“

Lesezeit 4 Minuten
In Berlin protestieren Menschen mit Plakaten gegen die Hinrichtung von Madschid-Resa Rahnavard.

In Berlin protestieren Menschen gegen die Hinrichtung von Madschid-Resa Rahnavard. Beobachter befürchten, dass bald weitere Hinrichtungen im Iran folgen könnten.

Im Iran könnten bald die nächsten Hinrichtungen folgen, fürchten Beobachter und Experten. In Berlin wurde unterdessen aus Solidarität das Brandenburger Tor angestrahlt.

Nach der zweiten Hinrichtung eines Demonstranten im Iran hat es eine Solidaritätsveranstaltung in Berlin gegeben, bei der das Brandenburger Tor mit dem kurdischen Protestruf der Revolutionsbewegung im Iran erleuchtet wurde. Im Iran drohen unterdessen weitere Hinrichtungen von Teilnehmern an den Protesten gegen das fundamentalistische Regime in Teheran.

„Jin, Jiyan, Azadi“ – „Frau, Leben, Freiheit“ wurde in großen Lettern an das Bauwerk gestrahlt. Die Beleuchtungsaktion endete Medienberichten zufolge um Mitternacht. Laut dem rbb waren bis zu 1000 Menschen am Abend vor Ort. Seit Beginn der Proteste im Iran kommt es international immer wieder zu Solidaritätskundgebungen – auch in Köln wurde bereits demonstriert.

Das Brandenburger Tor wird bei einer Protestaktion für Solidarität mit den Protesten im Iran mit dem kurdischen Schriftzug „Jin, Jiyan, Azadi“ („Frau, Leben, Freiheit“) angestrahlt.

Das Brandenburger Tor wird bei einer Protestaktion für Solidarität mit den Protesten im Iran mit dem kurdischen Schriftzug „Jin, Jiyan, Azadi“ („Frau, Leben, Freiheit“) angestrahlt.

Im Iran spitzt sich die Lage für einige inhaftierte Demonstranten unterdessen weiter zu. Nachdem in der Vorwoche zunächst der Rap-Musiker Mohsen Shekari und am Montag schließlich Madschid-Resa Rahnavard hingerichtet wurden, drohen im Iran Beobachtern und Experten zufolge kurzfristig die nächsten Exekutionen.

Iran: Hinrichtung von Brüderpaar steht laut Beobachtern kurz bevor

So berichten mehrere Journalisten übereinstimmend, dass die Hinrichtung der beiden Brüder Farhad und Farzad Tahazadeh noch am heutigen Mittwoch erfolgen könnte. Laut der Menschenrechtsorganisation „Hengaw“ sei die Todesstrafe gegen die beiden von den Behörden bestätigt worden. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir erklärte am Abend, sich für die beiden Brüder einsetzen zu wollen. „Ich habe den iranischen Botschafter aufgefordert, diese Hinrichtungen zu stoppen“, schrieb Demir bei Twitter.

Laut dem seit Beginn der Proteste mit viel Reichweite über die Proteste informierenden Twitter-Account 1500tasvir sei auch ein 36-jähriger Mann in unmittelbarer Gefahr. Saleh Mirhashemi werde gefoltert, um ihn zu einem Geständnis zu bewegen. Auch seine Familie werde massiv unter Druck gesetzt. Auch der 19-jährige Mohamad Broghani sei derzeit in akuter Gefahr, berichtet 1500tasvir.

Bei einem weiteren jungen Mann, dessen Hinrichtung zuletzt aufgeschoben worden sei, sei die Lage zudem unklar, berichtet 1500tasvir. Mahan Sedarat befinde sich in Einzelhaft, die Aufschiebungsfrist für seine Hinrichtung sei mittlerweile abgelaufen. Seine Familie habe seit drei Tagen nichts mehr von Sedarat gehört. Am Mittwochmittag meldeten mehrere Journalisten und die Grünen-Politiker Lukas Brenner und Maryam Blumenthal schließlich, das Todesurteil gegen Sedarat sei aufgehoben worden.

Iran: Vater erklärt, wie er vom Todesurteil gegen seinen Sohn erfahren hat

Gegenüber der iranischen Zeitung „Etemad“ erklärte der Vater eines weiteren Beschuldigten unterdessen, wie er vom Todesurteil seines Sohnes erfahren hat, dem laut den Angaben des Vaters ein Anwalt verwehrt wird. Beim letzten Gespräch am letzten Mittwoch habe sein Sohn, Mohammad Mehdi Karami, ihm mitgeteilt, dass die Todesstrafe gegen ihn verhängt worden sein. „Mein Urteil ist die Hinrichtung, Papa, erzähl‘ Mama nichts davon“, habe sein Sohn ihn gebeten. „Wenn Mehdi etwas zustößt, endet auch unser Leben“, fügte der Vater an.

Die internationale Spielergewerkschaft FIFPro hatte zudem am Dienstag erklärt, auch der iranische Profi-Fußballer Amir Nasr-Azadani sei zum Tode verurteilt worden, „nachdem er sich für Frauenrechte und Freiheit in seinem Land“ eingesetzt habe. Demnach sei Nasr-Azadani bei Unruhen am 18. November verhaftet und wenig später des „Hochverrats“ beschuldigt worden.

Ein weiterer junger Mann habe Berichten zufolge unterdessen kurz nach seiner Haftentlassung Suizid begangen. Der 18-Jährige sei zuvor Ende November festgenommen worden, weil er Süßigkeiten mit der Aufschrift „Jan, Jiyan, Azadi“ verteilt habe. Berichten zufolge haben sich bereits mehrere zuvor inhaftierte Demonstranten nach ihrer Haft, die Menschenrechtsorganisationen zufolge oft mit Folter verbunden ist, das Leben genommen.

Iran: Menschenrechtsbeauftragte Luise Amtsberg kritisiert Schauprozesse

Den zum Tode verurteilten Demonstranten werden vom Regime oft Gewaltverbrechen gegen Sicherheitskräfte zur Last gelegt. Internationale Beobachter werten die Prozesse, bei denen die Angeklagten oft ohne Rechtsbeistand auskommen müssen, als Schauprozesse. Zwischen Anklage und Verteilung vergehen oft nur wenige Wochen. Von der Justiz für ihre Urteile verwendete Geständnisse der Angeklagten halten Experten für unter Folter erpresst.

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, verurteilte die Hinrichtung Rahnavards zuletzt deutlich. Sie sei auf einen „Schauprozess“ gefolgt – zur „Abschreckung und Einschüchterung“. Das Regime in Teheran zeige seine „Brutalität und Menschenverachtung“, so Amtsberg.

Im Iran kommt es seit Mitte September zu anhaltenden und heftigen Protesten gegen das Regime in Teheran. Zuvor war die 22-jährige Kurdin Jina Mahsa Amini nach einer Festnahme durch die iranische Sittenpolizei gestorben. Ihr wurde zu Last gelegt, ihr Kopftuch nicht regelkonform getragen zu haben. Mindestens 480 Demonstranten sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen seit Beginn der Proteste getötet, mehr als 18.000 Personen inhaftiert worden.