Israels Botschafter Ron Prosor warnt vor wachsendem linken Antisemitismus in Deutschland – und erklärt, warum er ihn für den gefährlichsten hält.
Ron ProsorIsraelischer Botschafter warnt vor linkem Antisemitismus

Ron Prosor warnt eindringlich vor linkem Antisemitismus. (Archivbild)
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Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, hat vor einer zunehmenden Gefahr durch linken Antisemitismus gewarnt. Er sei gefährlicher als der von rechts und auch gefährlicher als der islamistische, „weil er seine Absichten verschleiert“, sagte Prosor den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
In Deutschland wisse man „im politischen und juristischen Bereich sehr gut, wie man den Antisemitismus von rechts bekämpft“. Auch der islamistische Antisemitismus sei „brandgefährlich, weil er die demokratische Ordnung wie ein trojanisches Pferd unterwandert“. Damit lerne man jedoch umzugehen.
Der linke Antisemitismus hingegen bewege sich „immer an der Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Aufhetzungsfreiheit – und hat diese Grenze inzwischen deutlich überschritten“. Deshalb sei er für Prosor „der gefährlichste“.
Prosor: Räume des Sagbaren verschieben sich
Besonders sichtbar werde das Problem an europäischen Hochschulen und Theatern. „Man gibt sich gebildet, moralisch und politisch korrekt“, sagte Prosor. „Aber die rote Linie dessen, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, ist längst überschritten.“ Tag für Tag werde Israel dämonisiert und delegitimiert, die Folgen seien für alle Juden spürbar.

Altbundespräsident Joachim Gauck findet, der Antisemitismus aus dem arabischen Raum sei bislang vernachlässigt worden. (Archivbild)
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Ein Beispiel sei die Absage eines Konzerts der Münchner Philharmoniker beim Flanders Festival im belgischen Gent, weil der israelische Dirigent Lahav Shani zugleich Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist. Der Schritt hatte breite Kritik ausgelöst, auch Belgiens Regierungschef Bart de Wever sprach von Schaden für sein Land. In Köln hatte das Konzert von Shani unter Polizeischutz in der Philharmonie stattgefunden.
Prosor: Geht besser nicht mit Davidstern die Sonnenallee entlang
Viele Juden in Deutschland hätten inzwischen Angst, sagte Prosor. Manche kauften Wohnungen in Israel, andere fragten ihn, ob es sicher sei, nach Berlin zu kommen. Seine Antwort: „Ja, es ist sicher – geht aber besser nicht mit einem Davidstern die Neuköllner Sonnenallee entlang.“
Auch der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck mahnte, Antisemitismus entschlossener zu bekämpfen – „egal wo er herrührt“. Negative Haltungen verschwänden nicht einfach, so Gauck: „Wir müssen uns mit denen auseinandersetzen, die Hass zu einem Teil ihres Lebens gemacht haben.“
Am Sonntag werden vielerorts an die Novemberpogrome von 1938 erinnert. Dabei handelte es sich um eine organisierte und gelenkte Zerstörung von Einrichtungen von Jüdinnen und Juden im gesamten damaligen Deutschen Reich.
Die Linkspartei hat pauschalen Schuldzuweisungen ans linke Lager widersprochen. „Der heutige Tag mahnt uns: Aufrichtiges Gedenken verpflichtet uns zu mehr als nur dem bloßen Erinnern. Es bedeutet, aktiv an der Seite von Jüdinnen und Juden und allen zu stehen, die für eine Gesellschaft kämpfen, in der Antisemitismus keinen Platz hat“, schrieben die vier Vorsitzenden von Bundespartei und Bundestagsfraktion in einer gemeinsamen Erklärung zum 9. November. (sbo mit afp/dpa/kna)

