Im vergangenen Jahr ereignete sich jeder vierte in NRW gemeldete antisemitische Vorfall in Köln. Das hiesige „Bündnis gegen Antisemitismus“ warnt mit Aktionswochen vor Radikalisierung.
229 judenfeindliche VorfälleKölner Bündnis organisiert Aktionswochen gegen Antisemitismus

In Köln sind die Sicherheitsmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen, wie hier vor der Synagoge in der Roonstraße, verschärft worden. (Archivbild vom 10. Oktober 2023)
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Seit 2015 veranstaltet das Kölner „Bündnis gegen Antisemitismus“ (BgA) die „Aktionswochen gegen Antisemitismus“. Trotz dieser mittlerweile zehnjährigen Aufklärungsarbeit sind die Probleme mit Antisemitismus in Köln hochaktuell. So wurden hier im vergangenen Jahr 229 antisemitische Vorfälle gemeldet. Das ist der Höchstwert seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 2021 durch die Fachstelle gegen Antisemitismus (FgA) der Stadt Köln. Mit sieben Veranstaltungen in vier Aktionswochen versucht das BgA daher auch in diesem Jahr, Aufmerksamkeit für die Missstände zu schaffen. Über akute Probleme und das Programm der Aktionswochen.
„Der Holocaust ist eine Lüge“
„Die Jüdin soll sich vergasen gehen wie bei Hitler.“ Mit diesen Worten wurde im Juli vergangenen Jahres eine Schülerin in Nippes antisemitisch angefeindet. Der Vorfall stellt einen der 172 dokumentierten Fälle von „verletzendem Verhalten“ in der Erhebung der FgA dar. Er repräsentiert eindrücklich eine Erfahrung, die viele antisemitisch angefeindete Kölner schon einmal durchlebt haben, denn: Verletzendes Verhalten machte 75 Prozent der antisemitischen Vorfälle 2024 aus.
Auch eine Schmiererei auf der Toilette einer Kölner Bildungseinrichtung verdeutlicht das Problem. Dorthin wurde im November 2024 geschrieben: „Der Holocaust ist eine Lüge.“ Die Kategorie „verletzendes Verhalten“ umfasst „sämtliche Vorfälle, bei denen jüdische Institutionen oder Personen gezielt böswillig oder diskriminierend adressiert werden“ sowie „schriftliche oder verbale antisemitische Aussagen“ und „antisemitische Graffiti oder Aufkleber“, heißt es von Seiten der FgA.
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Die Fachstelle gegen Antisemitismus hat ihren Sitz im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln am Appellhofplatz.
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Ergänzt wurden diese Anfeindungen unter anderem durch zehn Sachbeschädigungen, sieben Bedrohungen und vier Angriffe. Die insgesamt 229 antisemitischen Vorfälle stellen ein Viertel aller in NRW gemeldeten Vorfälle dieser Art im vergangenen Jahr dar. Laut Angaben der Antisemitismusbeauftragten des Landes NRW Sylvia Löhrmann ereigneten sich im Jahr 2024 so insgesamt 940 Vorfälle landesweit. Im Vergleich zum Vorjahr 2023 stieg die Anzahl der Fälle in Köln um 30 Prozent; damals waren es 176.
Für das Jahr 2025 kann Fels zwar noch keine finalen Zahlen nennen, betont aber: „Sie werden sich wieder auf einem hohen Niveau einpendeln, das ist absehbar.“ Insbesondere im November ist dabei von besonders vielen Anfeindungen auszugehen. Seit Beginn der Erhebung war der November stets der Monat, mit den meisten antisemitischen Vorfällen. „Das geht vor allem auf Antisemitismus zurück, der in Verbindung mit Gedenkveranstaltungen zur Reichspogromnacht steht“, erklärt Fels.
Verschiedene Facetten beleuchten
Dass am Dienstag, 28. Oktober, die erste Veranstaltung der Aktionswochen trotz der jährlich judenfeindlicheren Stimmung in Köln friedlich und ohne Störung verlief, habe er nicht erwartet, sagt Thomas Berger vom BgA im Gespräch mit dieser Zeitung. „Bei der Auftaktveranstaltung zum Thema ‚Kritische Theorie und Zionismus‘ waren zirka 70 Leute anwesend. Die Diskussion lief konstruktiv ab. Das stimmt uns zuversichtlich für die nächsten Veranstaltungen,“ so Berger.
Dabei handelt es sich um sechs weitere Vorträge und Workshops, die verschiedene Ausdrucksformen von Antisemitismus beleuchten sollen. „Antisemitismus im deutschen Gangsta-Rap“ und „Judenfeindschaft vor und in der Moderne“ werden ebenso untersucht wie die „Beziehung von Antisemitismus und Rassismus“. Die multiperspektivische Behandlung des Themas soll möglichst umfangreich informieren.
Das Programm findet in Kooperation mit dem AStA der Universität zu Köln und der Kölner „Deutsch-Israelischen Gesellschaft“ (DIG) statt. Eine Sprecherin vom Studierendenausschuss teilte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit, dass fünf der sieben Veranstaltungen vom AStA finanziert werden; die anderen beiden Veranstaltungen finanziert die DIG. Das gesamte Programm ist kostenfrei und findet im Hauptgebäude der Kölner Universität statt. Auf der Webseite des BgA gibt es umfangreiche Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen.

