Morddrohungen als Rücktrittsgrund?Jacinda Ardern: „Ich habe zum ersten Mal seit langem gut geschlafen“

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Unter Tränen gibt Jacinda Ardern am 19. Januar ihren Rücktritt als Premierministerin von Neuseeland bekannt.

Unter Tränen gibt Jacinda Ardern am 19. Januar ihren Rücktritt als Premierministerin von Neuseeland bekannt.

Nach ihrem Rücktritt zeigt sich Jacinda Ardern erleichtert. Weggefährten sehen unterdessen auch in vielen Morddrohungen einen Grund für ihren Rückzug.

Neuseelands Noch-Ministerpräsidentin Jacinda Ardern ist nach eigenen Worten erleichtert über ihre Entscheidung, schon in den nächsten Wochen von ihrem Amt zurückzutreten. „Ich habe zum ersten Mal seit langem gut geschlafen letzte Nacht“, sagte die 42-Jährige am Freitag vor Journalisten. Am Donnerstag hatte die Labour-Politikerin unter Tränen bekannt gegeben, am 7. Februar als Regierungschefin aufhören zu wollen.

„Natürlich gehe ich aber noch durch eine Reihe von Emotionen. Ich bin traurig, aber fühle mich auch erleichtert“, erklärte Ardern am Tag danach lächelnd. Vor allem die vielen Dankesbotschaften, die sie seither erhalten habe, hätten sie sehr bewegt.

Jacinda Ardern: „Nicht mehr genug im Tank, um der Aufgabe gerecht zu werden“

Beleidigungen und Drohungen gegen sie und ihre Familie seien nicht ausschlaggebend für ihre Entscheidung gewesen, hatte Ardern am Donnerstag erklärt. Sie habe „einfach nicht mehr genug im Tank, um der Aufgabe gerecht zu werden“, erklärte sie.

In Neuseeland sehen das jedoch nicht alle Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens so. „Ständige Verunglimpfung“ und persönliche Angriffe hätten zu der Erschöpfung Arderns beigetragen, erklärten einige Abgeordnete gegenüber dem englischen „Guardian“ – und forderten, die politische Kultur in Neuseeland zu überdenken.

Wurde Jacinda Ardern „aus dem Amt gejagt“?

„Es ist ein trauriger Tag für die Politik, an dem eine herausragende Führungspersönlichkeit wegen ständiger Personalisierung und Verunglimpfung aus dem Amt gejagt wurde“, sagte Debbie Ngarewa-Packer, Mitvorsitzende der Māori-Partei, nach Arderns überraschendem Rücktritt am Donnerstag.

„Der Druck auf Premierminister ist immer groß, aber in dieser Ära der sozialen Medien, der Clickbaits und der 24/7-Medienzyklen war Jacinda Ardern mit einem Ausmaß an Hass und Feindseligkeit konfrontiert, das meiner Erfahrung nach in unserem Land beispiellos ist“, erklärte unterdessen die ehemalige neuseeländische Premierministerin Helen Clark.

Drohungen gegen Jacinda Ardern haben sich laut Polizei verdreifacht

Bereits im Jahr 2022 hatte die neuseeländische Polizei berichtet, dass sich die Drohungen gegen die Premierministerin innerhalb von drei Jahren fast verdreifacht hätten. Im vergangenen Jahr seien mehrere Männer verhaftet, förmlich verwarnt oder strafrechtlich belangt worden, weil sie mit der Ermordung Arderns gedroht hatten.

Dass die Drohungen eine Rolle für die Rücktrittsentscheidung gespielt haben, hatte Ardern zuvor bereits angedeutet. „Es hat einen Einfluss. Wir sind schließlich Menschen, aber das war nicht die Grundlage für meine Entscheidung“, sagte sie. Ardern hatte am Donnerstag erklärt, dass ihr die Kraft fehle, als Ministerpräsidentin weiterzumachen. „Ich weiß, was man für diesen Job braucht, und ich weiß, dass ich nicht mehr genug im Tank habe. So einfach ist das.“

Jacinda Ardern musste mehrere schwere Krisen meistern

Ardern, die 2017 Regierungschefin geworden und bei der Parlamentswahl 2020 in ihrem Amt bestätigt worden war, musste in den vergangenen Jahren gleich mehrere schwere Krisen meistern.

Besonders ihr Umgang mit den blutigen Attentaten von Christchurch, bei denen ein Rechtsextremist 2019 in zwei Moscheen 51 Muslime erschossen hatte, brachte ihr auch im Ausland viel Anerkennung. Im Dezember 2019 starben bei einem Vulkanausbruch auf der Insel White Island mehr als 20 Menschen, wenige Monate später schlug Corona zu.

Ardern war 2018 Mutter geworden und will sich künftig mehr ihrer Familie widmen. Schon am Sonntag soll ein neuer Vorsitzender der Labour-Partei gewählt werden. Als ihr möglicher Nachfolger wird Chris Hipkins gehandelt, der während der Corona-Krise der Minister zur Eindämmung der Pandemie war. Am 14. Oktober findet dann die nächste Parlamentswahl statt. (mit dpa)

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