Rücktritt von Jacinda ArdernAbschied von einer Politikerin, die Macht nicht für ihr Ego brauchte

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Die neuseeländische Premierministerin Jacinda reagiert während einer Pressekonferenz, als sie ihren Rücktritt bekannt gibt.

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda reagiert während einer Pressekonferenz, als sie ihren Rücktritt bekannt gibt.

Konsequent und doch menschlich, optimistisch und doch zielgerichtet – Jacinda Ardern wird als Vorbild fehlen. Es gibt zu wenige wie sie in der Weltpolitik.

Es gibt nur wenige Politikerinnen und Politiker, die es unaufgeregt und sachlich an die Spitze schaffen. Und noch weniger, die dabei weder unmenschlich oder unnahbar wirken. Jacinda Ardern ist eine von jenen seltenen Ausnahmen, ein Typus Politiker(in), den viele für unmöglich hielten. Dass sie zurücktritt, ist konsequent, aber schade für die Weltpolitik.

Dass Jacinda Ardern, Premierministerin von Neuseeland, in der Weltöffentlichkeit steht, hat mehr mit ihrem Politikstil als der Bedeutung ihres Heimatlandes zu tun. Sie ist der Gegenentwurf zu dem, was Politik sonst vermittelt: Dass man nur mit Härte und Stärke nach ganz oben kommt.

Sie sagte einst, gezweifelt zu haben, ob sie hart genug für die Spitzenpolitik sei. Doch ihre Menschlichkeit war es, die sie abhob. Etwa, als sie nach dem fremdenfeindlichen Anschlag in Christchurch mit 51 Toten Hinterbliebene umarmte und dabei ein Kopftuch trug. Als Frau gebar sie während ihrer Amtszeit ein Kind, nahm es als Politikerin mit zu Konferenzen.

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Ardern war eine junge, ehrgeizige Politikerin, die ihr Leben nicht gänzlich der Politik unterordnete. Sie blieb auch Jacinda Ardern, die Frau, Freundin, Mutter. Und doch überzeugte sie, vor allem in ihrer ersten Amtszeit, mit Konsequenz. Etwa als sie nach dem Terroranschlag binnen Tagen das Waffenrecht verschärfte oder in der Corona-Pandemie monatelang Neuseeland komplett abriegeln ließ.

Ihr Rückzug passt ins Bild. Sie besitzt nicht die Eitelkeit, die Menschen in Machtpositionen nachgesagt werden. Sie braucht die Macht nicht für ihr Ego. Sie weiß, dass sie ersetzbar ist. Dass sie ihren Freund vor laufenden Kameras auffordert, endlich zu heiraten, ist nur konsequent.

Jacinda Ardern sendet seit fünfeinhalb Jahren eine Botschaft an die folgenden Generationen. Sie hoffe, sie hinterlasse den festen Glauben daran, dass man gütig, aber stark sein könne, empathisch, aber entschlossen, optimistisch, aber zielgerichtet, sagte sie bei ihrem Rücktritt. Die Worte sollen all jene ermutigen, die politische Visionen haben, aber zweifeln, ob sie genug Ellbogen zeigen können.

Und genau als solches Vorbild wird sie fehlen - weil es zu wenige Jacinda Arderns in der Weltpolitik gibt.

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