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Influenza, Corona und RSVAlle husten – aber die Grippe-Welle kommt erst noch

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Eine Reisende mit Maske kauft sich an einem Fahrkartenautomaten im Bahnhof ein Ticket. Foto: picture alliance/dpa/KEYSTONE

Eine Reisende mit Maske kauft sich an einem Fahrkartenautomaten im Bahnhof ein Ticket. 

Prof. Dr. Jan Rybniker, Leiter der klinischen Infektiologie der Kölner Uniklinik, wirft einen Blick auf die aktuelle Lage – und rät zum Maske-Tragen.

Langsam geht es los. Hier ein kranker Kollege. Dort eine nicht anwesende Lehrerin. Und auf dem Sofa ein hustendes und zwei fiebernde Kinder. Die Zeit der Infekte hat begonnen, Corona-, Grippe- und RS-Viren werden uns auch in diesem Winter wieder quälen. Vielleicht kommt der erste größere Schub in Köln schon nach den ausgelassenen Feierlichkeiten zum Sessionsauftakt am vergangenen Dienstag. Vielleicht schlägt die Grippe aber auch erst wie üblich nach Weihnachten so richtig zu.

Das Problem: Auch wenn diese drei Krankheiten für die allermeisten Menschen nicht mehr als ein Ärgernis sind, gibt es immer wieder auch lebensbedrohliche Verläufe und Todesfälle. Bei Säuglingen, bei älteren Menschen, bei Vorerkrankten. Deshalb fragt sich der Infektiologe Jan Rybniker von der Kölner Uniklinik, warum sich nicht mehr Menschen an die gesundheitlichen Vorteile des Maske-Tragens erinnern.

Diese und andere Fragen und Antworten rund um akute Atemwegserkrankungen im Überblick: 

Wieder Maske tragen? Wirklich?

In der Pandemie haben wir sie klaglos getragen und häufiger gewechselt als unsere Unterwäsche – aber geliebt haben wir diese Dinger im Gesicht, deren Gummibänder uns die Ohren langgezogen haben, nicht. Und jetzt sollen wir sie wieder herausholen? „Masken schützen uns vor allen respiratorischen Viren und haben sich während der Corona-Pandemie als extrem effektiv erwiesen“, sagt Rybniker. „Ich verstehe nicht, warum wir diesen super Mechanismus, uns alle zu schützen, nicht mehr nutzen.“

Masken schützen uns vor allen respiratorischen Viren und haben sich während der Corona-Pandemie als extrem effektiv erwiesen
Jan Rybniker, Leiter der klinischen Infektiologie an der Uniklinik Köln

Es gehe ihm nicht darum, dass wieder jeder in der Öffentlichkeit dauernd eine Maske trägt. Aber wer einen Schnupfen hat und trotzdem einkaufen oder Zug fahren muss, könnte seine Mitmenschen schützen, findet der Leiter der klinischen Infektiologie der Kölner Uniklinik und stellvertretende Sprecher des dortigen Centrums für Infektionsmedizin (CIM). Genauso könnten Menschen, die aufgrund ihres Alters oder wegen einer Vorerkrankung ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, sich selbst schützen, indem sie beim Kontakt mit vielen Fremden eine Maske tragen – wobei die Impfung als wichtigster Schutz gegen Viren im Vordergrund stehe, betont Rybniker.

Prof. Dr. Jan Rybniker, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln. Foto: Michael Wodak/Uniklinik Köln

Prof. Dr. Jan Rybniker, Leiter der klinischen Infektiologie an der Uniklinik Köln

Wie ist die aktuelle Infektions-Lage?

Das Robert Koch-Institut (RKI), die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Biomedizin, zu deren Kernaufgaben das Erkennen, Verhüten und Bekämpfen von Infektionskrankheiten zählen, gibt jeden Mittwoch einen Wochenbericht zu akuten respiratorischen Erkrankungen heraus, also zu Atemwegsinfekten. Darin heißt es für die 45. Kalenderwoche (3. bis 9. November), dass die Aktivität dieser Infektionen im Vergleich zur Vorwoche „leicht gestiegen“ sei, insgesamt aber auf einem „niedrigen Niveau“ gelegen habe. 

Auch wenn deutlich weniger getestet wird als zu Pandemiezeiten und die Dunkelziffer deshalb hoch sein dürfte, deckt sich das mit den Beobachtungen des Infektiologen Jan Rybniker, der Kölner Hausärztin Mirjam Antz und von Katrin Mehler, Kinderärztin mit Schwerpunkt Infektiologie an der Kölner Uniklinik. „Im Moment ist die Situation noch überschaubar, das kennen wir aus den vergangenen Jahren ganz anders“, sagt die Longericher Internistin Antz. Rybniker sieht „ganz vereinzelt Fälle mit Influenza oder RSV und Corona etwas mehr“. Das entspreche dem typischen Bild seit der Pandemie: Die meisten Corona-Infektionen gebe es seither nach den Sommerferien bis in den Herbst. Und die Grippe-Welle starte dann rund um Weihnachten und reiche bis Karneval.

Im Moment ist die Situation noch überschaubar, das kennen wir aus den vergangenen Jahren ganz anders
Mirjam Antz, Internistin aus Köln-Longerich

Kinderärztin Katrin Mehler bezeichnet die aktuelle Lage als „ganz friedlich“, ist aber überzeugt, dass das in wenigen Wochen schon anders aussehen wird. „Kinderkliniken sind im Winter immer höher belastet“, sagt sie. Auf die Corona-Pandemie waren zwei besonders harte Winter für die Kindermediziner gefolgt, ähnlich ungewöhnliche Herausforderungen erwartet Mehler für diese Infektions-Saison allerdings nicht.

Was war problematisch in der Kinder-Medizin?

Im ersten Jahr nach der Pandemie seien die Kinderkliniken überflutet gewesen mit schwer an RSV erkrankten Babys. Üblicherweise machen Kinder eine Infektion mit dem Respiratorische Synzytial-Virus als Kleinkind mit ein oder zwei Jahren durch, dann in der Regel ohne größere Probleme. „Durch die Restriktionen während der Pandemie haben viele Kinder danach aber erst mit drei oder vier Jahren RSV bekommen“, sagt Mehler. Was für diese Kinder in den allermeisten Fällen nicht problematisch war – aber für deren inzwischen geborenen kleineren Geschwister, die dann früher als gewöhnlich RSV bekamen.  

Diese Infektion ist mit extremer Schleimbildung in den kleinen Verästelungen der Lunge verbunden. Um die Vorstellungskraft anzukurbeln, nennt Mehler diese Bronchiolen „dünne Strohalme“. Bei Säuglingen seien diese Strohhalme so dünn, dass zu viel Schleim zu lebensbedrohlichen Problemen führen kann. Im vergangenen Jahr habe es eine solche RSV-Welle aber schon nicht mehr gegeben, sagt Mehler. Möglicherweise sei das Aufholen nach der Pandemie bei den etwas älteren Kindern abgeflaut. Möglicherweise hat aber auch schon die seit August 2024 von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlene RSV-Impfung für Kinder nach der Geburt gegriffen. Diese werde glücklicherweise sehr gut angenommen, sagt Mehler.

Ich glaube, das jetzt alles wieder in normale Bahnen kommt
Katrin Mehler, Kinderärztin mit Schwerpunkt Infektiologie an der Uniklinik Köln

Ihre Vermutung für den gerade startenden Winter ist daher: „Ich glaube, dass jetzt alles wieder in normale Bahnen kommt.“ Und normal sind bei Kindern bis zum Schulalter drei bis acht Atemwegsinfektionen und drei bis fünf Magen-Darm-Infekte pro Jahr. „Das ist wichtig für den Aufbau des Immunsystems“, betont Mehler, „durch Covid haben wir gesehen, wie schwierig es wird, wenn Kinder diese Infektionen nicht durchmachen.“ 

Wie steht es um die Impfbereitschaft?

Als Erwachsener möchte man eine Grippe, Corona oder RSV allerdings nicht unbedingt jeden Winter mitnehmen. Besonders für ältere Menschen über 60 Jahren oder für Menschen mit Vorerkrankungen ist das Risiko deutlich erhöht, deshalb empfiehlt die Stiko diesem Personenkreis eine Impfung. Der Infektiologe Jan Rybniker sagt: „Es ist nie falsch, sich gegen Grippe oder Corona impfen zu lassen.“ Und er betont: „Es macht auch im Januar noch Sinn, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Aber am besten erledigt man das jetzt.“ 

Als problematisch schätzt der Infektiologe ein, dass die Impfbereitschaft auch bei Menschen mit erhöhtem Risiko nicht besonders hoch ist in Deutschland. „Es gibt politische Gegenbewegungen, die uns extrem besorgen“, sagt Rybniker: „Über das Impfen werden vor allem im Internet extrem viele Fehlinformationen verbreitet.“ So haben sich nach Angaben des RKI in der Saison 2023/2024 nur 38 Prozent der Menschen über 60 Jahren gegen Grippe impfen lassen. „Das ist zu wenig“, betont Rybniker: „Und seit der Corona-Pandemie ist die Zahl der Impfgegner nochmal gestiegen. Dabei hat die Impfung uns gerettet.“ 2008/2009 lag die Grippe-Impfquote bei den Über-Sechzigjährigen noch bei 51 Prozent.

Antz beobachtet in ihrer Praxis in Longerich, dass aktuell bereits mehr Menschen über 60 Jahren mit Vorerkrankungen, „die oft schwerer betroffen sind“, mit Atemwegsinfektionen zu ihr kommen. Die Internistin erinnert daran, dass es immer wieder Jahre mit einer besonders schweren Grippewelle mit vielen Toten gebe. „Das vergessen die Menschen zwischendurch“, sagt sie: „Aber deshalb ist es so wichtig, nicht nachzulassen mit dem Impfen.“  

Testen ja oder nein?

Nun habe ich eine Infektion, liege mit Husten, Schnupfen, vielleicht auch Fieber auf dem Sofa. Muss ich mich testen, um herauszufinden, was ich habe? „Für die allermeisten Menschen ist es nicht wichtig, welchen Erreger sie gerade haben“, sagt Hausärztin Antz. Nur bei schweren Verläufen sei es unter Umständen ein Vorteil, den Erreger zu kennen, weil dann manchmal unterschiedliche Medikamente helfen können. 

Der Infektiologe Rybniker hingegen bezeichnet die in Apotheken erhältlichen Dreifach-Tests auf Grippe, Corona und RSV als „gar nicht so schlecht“. Es sei aber wichtig zu wissen, dass ein negatives Ergebnis nicht zwangsläufig heiße, dass keine dieser drei Infektionen vorliege. Bei einem positiven Befund könne dieser aber als relativ sicher angesehen werden.

Den Erreger einer Infektion zu kennen, habe verschiedenen Vorteile, sagt Rybniker: Ein besseres Bewusstsein dafür, ansteckend zu sein und sich entsprechend zu verhalten. Bei Vorerkrankungen das Wissen, welches Medikament vielleicht helfen könnte, sollte sich ein schwerer Verlauf andeuten. Und die Möglichkeit für die behandelnden Ärzte, auch Wochen später mögliche Symptome von Post Covid besser einordnen zu können.