Late-Night-Talkmaster Jimmy Kimmel ist wieder auf Sendung und es wird emotional. Doch der Zorn über die Zensur auf Druck der Trump-Regierung bleibt. Es rankt sich die Hoffnung empor, dass daraus eine tragfähige Gegenbewegung erwachsen könnte.
Wieder auf SendungKimmels Rückkehr unter Tränen – wird er jetzt zur Galionsfigur der Trump-Gegner?

Dieses von veröffentlichte Bild zeigt Jimmy Kimmel bei der Moderation seiner Late Night Show „Jimmy Kimmel Live!“.
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„Danke sehr!“, sagte Jimmy Kimmel (57). „Ich bin glücklich, hier bei euch zu sein heute Abend!“ Das Publikum ruft minutenlang „Jimmy, Jimmy!“. Alle stehen. „Wo war ich, bevor ich kurz unterbrochen wurde?“, fragte der Talkmaster. Er dankte für all die Unterstützung in den letzten Tagen. Und dann kamen ihm die Tränen.
„Es war niemals meine Absicht, den Tod eines jungen Mannes auf die leichte Schulter zu nehmen“, sagte er mit Blick auf seine heftig kritisierten Worte nach dem Tod des Politaktivisten Charlie Kirk. „Daran ist nichts lustig. Ich habe seiner Familie per Instagram mein Beileid ausgesprochen. Ich verstehe, dass sich meine Äußerungen für manche unklar oder unpassend oder beides angehört haben. Ich glaube nicht, dass der Mörder irgendeiner Seite angehört. Er ist einfach ein kranker Mensch. Gewalt ist niemals die Lösung.“
Fernsehminuten auf der Rasierklinge
Es sind Fernsehminuten auf der Rasierklinge. Kimmel tänzelt, schwebt, schluckt – aber er stürzt nicht. Kurzer Rückblick auf eine wilde Woche: Auf Druck der Trump-Regierung hatte der ABC-Mutterkonzern Disney Kimmels TV-Show vergangene Woche auf unbestimmte Zeit ausgesetzt – in den Augen des liberalen Amerikas ein beispielloser Akt von staatlicher Präventivzensur.
Trump hatte einen loyalen Adlaten vorgeschickt, um seinem TV-Erzfeind Kimmel den Stecker zu ziehen. Brendan Carr, der von Trump eingesetzte Chef der Medienregulierungsbehörde FCC, drohte ABC, Disney und ihren Partnern mit Lizenzentzug, nachdem Kimmel über Trumps Heuchelei nach dem Mord an Kirk gespottet hatte („So trauert ein Vierjähriger um seinen Goldfisch“). Und die halbe Welt rieb sich die Augen: Staatszensur wie in Moskau? Jetzt auch in Washington?
Nun also plötzlich: die Kehrtwende. Zu massiv war der Shitstorm, der Disney um die Mäuseohren tobte. Boykottaufrufe. Ein landesweiter Aufschrei, auch unter Republikanern.
Sachlich und versöhnlich
Sachlich und versöhnlich, fast präsidial, klingt Kimmel bei seinem Comeback, aber nicht weichgespült. „Es hat mich tief berührt, dass Kirks Witwe dem Mörder verziehen hat“, sagte er, erneut unter Tränen. Er danke allen, die „mein Recht verteidigt haben, zu sagen, was ich denke“. Sogar in Deutschland habe man ihm einen Job angeboten. „Könnt ihr euch das vorstellen? Unser Land ist so autoritär geworden, dass sogar Deutschland eine Option ist.“ Nicht einmal der verbohrteste Trump-Fan wird ihm aus dieser Show – seiner insgesamt 3589. beim Sender ABC – einen Strick drehen können.

Greg Donovan zeigt ein Schild mit der Aufschrift „Welcome Back Jimmy” vor dem El Capitan Entertainment Centre in Hollywood, wo die Show „Jimmy Kimmel Live!” am ersten Abend ihrer Rückkehr ins Programm von ABC am 23. September 2025 in Los Angeles aufgezeichnet wurde.
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Kimmels TV-Rückkehr am frühen Mittwochmorgen deutscher Zeit geriet zum Triumph – und ist eine schwere Schlappe für das fragile Ego des US-Präsidenten. Da spielt es keine Rolle, dass „Jimmy Kimmel live!“ bei gut einem Viertel der 236 ABC-Partnersender (Affiliates) auch weiterhin offline bleibt: Die Konzerne Sinclair und Nexstar, die mehrere ABC-Ableger betreiben, weigern sich weiterhin, die Show auszustrahlen – auch weil sie für geplante Geschäfte die Gunst der FCC benötigen. Kimmel: „Das ist nicht legal.“
Mehr als ein Hauch von Genugtuung umwehte den Rückkehrer. „Diese Show ist nicht wichtig“, sagte Kimmel. „Wichtig ist, dass wir in einem Land leben, das Shows wie diese zulässt.“ Begeisterung im Studio.
Tatsächlich geht es nicht mehr nur um Jimmy Kimmel. Es geht um die Frage, ob sich die entsetzte Mehrheit in den USA nun aus der Duldungsstarre befreit und laut und sichtbar gegen die autokratische Aushöhlung der US-Demokratie zu kämpfen beginnt, statt die Trump-Katastrophe auszusitzen. Kann Kimmels Kurzzeitkündigung das Fanal sein, das die lethargische Fassungslosigkeit aufbricht?
Kimmels Einfluss ist größer als seine Quoten zeigen
Gelegentlich braucht es eine wegweisende Petitesse, um ein historisches Momentum auszulösen. Ein paar Kisten Tee, ins Hafenbecken gekippt, führten 1773 in Boston zur Amerikanischen Revolution. Rosa Parks Weigerung, ihren Sitzplatz im Bus zu räumen, verschaffte 1955 der US-Bürgerrechtsbewegung Auftrieb.
Gewiss: Man darf die Bedeutung von Jimmy Kimmel nicht überhöhen. Sicher ist aber, dass sein Einfluss größer ist, als es die sinkenden Einschaltquoten seiner Late-Night-Show vermuten lassen. 1,77 Millionen Menschen sahen zuletzt zu – 0,53 Prozent der US-Bevölkerung. In den sozialen Medien aber kommen manche Kimmel-Clips auf 30 Millionen Klicks und mehr.

Kimmels Absetzung hatte Demonstrationen für die Freie Meinungsäußerung in den USA zur Folge.
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Die mobilisierende Wirkung des Dramas ist gewaltig. Und der Zorn sprengt Parteigrenzen. Ex-Präsident Barack Obama schrieb, das sei „Cancel Culture auf einem neuen, gefährlichen Level“. Die republikanischen Senatoren Dave McCormick, Thom Tillis, Jerry Moran und Lisa Murkowski kritisierten Carr und Trump scharf. Selbst der bisherige Trump-Bewunderer und Senator Ted Cruz zürnte, Carrs Verhalten wirke wie direkt aus dem Mafiafilm „Good Fellas“ und Trumps Vorgehen gegen Kritiker sei „höllisch gefährlich“.
Vor einer „kriminellen Regierung“ gekuscht
Der frühere Disney-Chef Michael Eisner warf seinen Nachfolgern vor, vor der Trump-Regierung kapituliert zu haben. Mehr als 400 Hollywood-Stars unterschrieben einen Aufruf für Meinungsfreiheit – darunter Tom Hanks, Meryl Streep, Jennifer Aniston, Robert De Niro und Selena Gomez.
Kimmels TV-Kollegen feierten Disneys Einknicken vor dem Volkswillen als Sternstunde der Demokratie. „Kimmel ist zurück, weil Sie wütend wurden!“, lobte CBS-Late-Night-Kollege Stephen Colbert sein Publikum. „Trump sagt offen: Ich hasse meine Gegner, ich will sie vernichten“, sagte Late-Night-Legende Jon Stewart in seiner „Daily Show“. „Sie können ihm folgen – oder Sie schließen sich dem Rest von uns an und kämpfen wie der Teufel für unsere Verfassung.“ Jubel im Studio.
„Es kann nicht sein, dass Familien in finanzielle Nöte geraten, weil der Präsident keinen Scherz aushält“, sagte Kimmel selbst mit Blick auf die in Gefahr geratenen Jobs seiner 250 Mitarbeiter. „Wenn das wieder passiert, müssen wir zehn Mal so laut sein wie in den letzten Tagen. Wir müssen dagegen vorgehen.“ Das klang kämpferisch.
Die Macht des Publikums
Seit Jahren werfen Konservative dem Entertainmentriesen Disney vor, mit einer Latino-„Arielle“ oder nonbinären Helden im Marvel-Universum zu „woke“ geworden zu sein. Möglich, dass Kimmels Absetzung ein (gescheiterter) Versuch war, das traditionelle Amerika zu besänftigen.
Es ging auch um viel Geld. Disneys Börsenwert sackte zwischenzeitlich um gut vier Milliarden US-Dollar ab. Kunden flohen in Scharen von den Streamingdiensten Disney+ und Hulu. „Disney bat mich, das folgende Statement vorzulesen“, scherzte Kimmel. Und las dann vor, wie man sein Hulu-Abonnement reaktiviert.
„Wir haben in den vergangenen Tagen die Macht des Volkes gesehen”, schrieb Kamala Harris, die unterlegene Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Doch wie nachhaltig ist die neue, linke Wutenergie?
Kimmels Show war für die erschöpfte Anti-Trump-Bubble das wohltuende Druckventil am Ende eines langen, wirren Nachrichtentages voller neuem Trump-Unflat. Um dieses Feuer scharte sie sich. Das Bedürfnis, dem Wahnsinn ins Gesicht zu lachen, ist groß. „Wenn eine Gesellschaft bedroht ist, sind Comedians die ersten, die weggeschickt werden“, sagte Jon Stewart.
Eine Satire, die jedem gefällt, kann keine gute sein
Dabei war das Zitat, das Kimmel den Job zu kosten drohte, vergleichsweise harmlos. Was er genau sagte: Die Maga-Bewegung habe „verzweifelt versucht, diesen Jungen, der Charlie Kirk ermordet hat, als etwas anderes als einen von ihnen darzustellen“. Was er übersah: Zu diesem Zeitpunkt war die rätselhafte Politbigotterie des mutmaßlichen Attentäters noch nicht klar. Für diesen Fehler entschuldigte er sich in seiner Comebackshow nicht.
Hat Kimmel tatsächlich überrissen? Oder war es dieses Mal doch Trump, der zu weit ging? Hat sich eine dankbare Maga-Meute, die ihrem Präsidenten jede Lüge verzeiht, auf einen lässlichen Fauxpas gestürzt, um einen Erzfeind zum Schafott zu schleppen?
„Trump hat sein Bestes getan, mich zu canceln“
„Trump hat sein Bestes getan, mich zu canceln“, sagte Kimmel in seiner Comebackshow. „Stattdessen hat er erreicht, dass heute Millionen zuschauen.“ Er danke Disney, dass er wieder auf Sendung gehen dürfe. „Ich wollte niemals in dieser Rolle sein – aber einen Komiker zum Schweigen zu bringen, weil der Präsident ihn nicht mag, ist antiamerikanisch. Vielleicht ist das etwas, auf das wir uns in allen politischen Lagern einigen können.“
Die lindernde Wirkung des Witzes
Kimmel arbeitete nicht mit gebremstem Schaum bei seinem Comeback. Seine Autoren haben den schwersten Job der Branche mit Bravour gemeistert. Und er zog vom Leder, als wäre nichts gewesen. Robert de Niro ließ sich ins Studio zuschalten – als neuer Chef der Medienaufsicht. „Ich schlage Ihnen höflich vor, dass Sie die verdammte Klappe halten“, sagte er im Stile eines Mafioso. „Oder Sie sagen etwas Nettes über das schöne gelbe Haar des Präsidenten.“
Eine Satire, die jedem gefällt, kann keine gute sein. Sie muss schmerzen, um zu zünden. Satire schafft als nützliches Korrektiv eine Umgebung des Unernsten, in der größere Freiheiten herrschen. „Die echte Satire ist blutreinigend“, schrieb Kurt Tucholsky 1919 in seinem berühmten Text, dessen letzter Satz zu Tode zitiert ist. Kimmel ist ein Meister darin, die lindernde Wirkung des Witzes zu entfalten.
Grenzen und Tabus sind der Feind jeder Komik – und gleichzeitig ihr wichtigster Treibstoff. Der wahre Witz wohnt in der Wahrheit. Und die kann auch schmerzhaft, böse und garstig sein. Satire braucht Freiheit und Herz.
Eine tragfähige Gegenbewegung?
Es ist genau diese Freiheit, die das liberale Amerika nun laut verteidigt. Denn sie ist ein kulturelles Kerngut des American Way Of Life. Deshalb war der Aufschrei über Kimmels Absetzung so gewaltig, dass Disney erschrocken zusammenzuckte. Und deshalb rankt sich an dem Skandal auch die Hoffnung empor, dass daraus eine tragfähige Gegenbewegung erwachsen könnte.
Nun dürfte jeder im Land, der verstehen will, verstanden haben, was Trump plant: eine Autokratie ohne Kontrolle und Gegenrede. Und der Kampf geht weiter.
„Das ist er. Der verdammte Moment ist gekommen. Die Maske fällt. Die Show ist vorbei“, schrieb Joanne Carducci, eine Autorin aus New Jersey und Tochter eines Immigranten aus dem Libanon, nach dem Kimmel-Aus in einem wütenden Text, der viral ging.
Trump „schmollt wie ein hungriges Kleinkind“
Trump sei „so erbärmlich dünnhäutig“, dass er „schmollt wie ein hungriges Kleinkind, dem ein Happy Meal verweigert wurde“. Die Frage, die über allem schwebe, sei nun, „ob wir zulassen, dass unsere Angst unsere Augen an diese Nacht gewöhnt, oder ob wir gegen sie wüten, bis die Sonne wieder aufgeht“.
Die Republikanische Partei, wütete Carducci, wolle „entscheiden, welche Bücher du lesen darfst, welche Geschichte deine Kinder lernen, welche Medikamente du nehmen darfst, welches Geschlecht du haben darfst, wen du lieben und wen du heiraten darfst. Sie wollen deine Bibliothek besitzen, dein Klassenzimmer, dein Krankenzimmer, dein Schlafzimmer – und jetzt auch deinen Fernseher. Und dann werden sie dir mit atemberaubendem Zynismus direkt in die Augen schauen und sagen, dass es die Demokraten seien, die deine Freiheit beschränken wollen.“
„Das ist unser Moment”, schreibt Carducci. „Entweder wir erheben uns oder wir unterwerfen uns. Entweder wir brüllen oder wir ersticken. Entweder machen wir dies zum Tag, an dem Amerika sich seines Rückgrats erinnert – oder zum Tag, an dem es stillschweigend seine Freiheit aufgibt.“
Zehntausende teilten ihren Text, Millionen lasen ihn. Er klingt wie das Manifest eines Amerikas, das nicht mehr nur leise um die Freiheit fürchtet, sondern die Nase voll hat. „Thank you!”, rief Kimmel am Ende. „Wir sehen uns morgen – glaube ich.“ Nur fünf Tage war er nicht auf Sendung. Aber es könnten fünf Tage sein, die Amerika verändern.