Während Kimmel nach Kirk-Aussagen gehen muss, gibt es keine Konsequenzen für einen Moderator, der Obdachlose hinrichten wollte.
„Putin hat Comedy auch verboten“Entsetzen in den USA, aber Trump feiert – Kimmel wegen Kirk-Äußerungen abgesetzt

US-Komiker Jimmy Kimmels Sendung wurde wegen seiner Äußerungen zum Attentat auf Charlie Kirk abgesetzt. (Archivbild)
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Der US-Sender ABC setzt die Talkshow des prominenten Fernsehmoderators Jimmy Kimmel nach dessen Äußerungen über das Attentat auf den rechten Aktivisten Charlie Kirk vorerst ab. Die Sendung werde „in absehbarer Zukunft“ nicht mehr ausgestrahlt, teilte ABC mit. Begründet wurde der Schritt mit Äußerungen Kimmels über den getöteten Vertrauten von Präsident Donald Trump. An welchen Worten genau die Entscheidungsträger Anstoß nahmen, blieb offen. Trump äußerte sich erfreut über ihren Beschluss und forderte, weitere Shows ihm unliebsamer Moderatoren abzusetzen.
„Beleidigend und unsensibel“
Kimmel hatte in seiner Show zuletzt suggeriert, dass der mutmaßliche Attentäter Tyler Robinson möglicherweise Teil der sogenannten MAGA-Bewegung des US-Präsidenten gewesen sei. Das Kürzel steht für „Make America Great Again“.
„Herr Kimmels Kommentare zum Tod von Herrn Kirk sind in einer kritischen Phase unseres nationalen politischen Diskurses beleidigend und unsensibel“, ließ die Produktionsfirma der täglich von Millionen Menschen geschauten Sendung „Jimmy Kimmel Live!“ mitteilen. Ob die Show überhaupt wieder aufgenommen wird, ist angesichts der aufgeheizten Stimmung in den USA fraglich.
US-Late-Night-Shows sind Trump ein Dorn im Auge
In den Vereinigten Staaten tobt ein erbitterter Streit darüber, wie sich über den Tod Kirks geäußert werden darf, dessen teilweise extrem rechte Ansichten heftig umstritten waren. Trump und seine Regierung haben angekündigt, gegen Kommentatoren vorzugehen, die sich ihrer Meinung nach nicht angemessen zu dem im Bundesstaat Utah erschossenen 31-Jährigen äußern. Kritiker halten es für höchst bedenklich, dass dabei Presse- und Meinungsfreiheit auf der Strecke bleiben.
Die amerikanischen Late-Night-Shows stehen seit der Absetzung des ebenfalls prominenten Talkmasters Stephen Colbert beim Sender CBS besonders unter Druck. Trump machte immer wieder klar, dass ihm neben Colbert vor allem Jimmy Kimmel ein Dorn im Auge sei. Die US-Talkmaster machen sich in pointierter und teils derber Art und Weise über den US-Präsidenten und dessen autoritären Tendenzen lustig und bilden damit in den Augen vieler Beobachter ein wichtiges Gegengewicht zur politisch einseitigen Kommunikation des Weißen Hauses.
Trump frohlockt: „Tolle Neuigkeiten für Amerika“
„Tolle Neuigkeiten für Amerika“, kommentierte Trump die Personalie auf seiner Plattform Truth Social. „Glückwunsch an ABC, dass sie endlich den Mut hatten, das zu tun, was getan werden musste.“ Der Präsident nahm zudem die verbliebenen Comedians Jimmy Fallon und Seth Meyers ins Visier, die er „zwei totale Versager“ nannte. Der Sender NBC müsse nun folgen und ihre Shows ebenfalls absetzen. Trumps formulierte es als klare Aufforderung: „Tu es, NBC!!!“
Kaum einer griff den Republikaner mit schärferem Spott an als Kimmel, Colbert und andere Talker wie Meyers, Fallon und John Oliver. Mit ihren komödiantischen Spitzen enttarnen sie politische Falschbehauptungen und populistische Absurditäten der Regierung direkter als jede Nachrichtensendung. Die Shows nutzen dabei ihre im Vergleich zu nüchterner formulierenden News-Journalisten größeren Freiheiten, geben sich betont subjektiv und halten sich sprachlich nicht zurück.
Trump nimmt jegliche Kritik persönlich
Anders als die meisten Nachrichtenmoderatoren sprechen sie in diesem Zusammenhang beispielsweise nicht von „Unwahrheiten“, sondern von „Lügen“, nicht von „skurrilen Auftritten“, sondern „Peinlichkeiten“. Aus ihrer Abneigung gegenüber Trump und dessen Regierungsmethoden machen Kimmel und Co. dabei keinen Hehl. Trump nimmt derlei Kritik persönlich und versucht kritisch berichtende Medien auch mit juristischen Mitteln auf Regierungslinie zu bringen, wie nicht nur die jüngste Milliarden-Klage gegen die „New York Times“ zeigt.
Führende Demokraten zeigten sich nun entsetzt von Kimmels Absetzung. „Unter Donald Trumps Herrschaft gibt es keine freie Meinungsäußerung“, schrieb etwa der Senator von Kalifornien, Gavin Newsom, bei X. Der Demokrat verwies zu dem auf die enorme Ungleichheit im Umgang mit Moderatoren, die dem liberalen Lager zugeschrieben werden, und jenen, die eindeutig auf der rechten Seite zu verorten sind.
Fox-Moderator ruft zur Tötung von Obdachlosen auf – Trump schweigt
So hatte Fox-Moderator Brian Kilmeade in der letzten Woche live im TV die Hinrichtung von Obdachlosen gefordert. Nach einer wenige Sekunden langen Entschuldigung durfte der Moderator trotz des Aufrufs zum Massenmord weiter moderieren. Druck von der US-Regierung blieb aus. „Letzten Mittwoch: Ein Moderator von Fox News sagt, Obdachlose sollten hingerichtet werden. Montag: Jimmy Kimmel macht einen Witz. Raten Sie mal, wer seinen Job verloren hat?“, schrieb Newsom Pressebüro dazu nun bei X.
„Es passiert. Die Absetzung von Jimmy Kimmel ist wahrscheinlich der Beginn einer Kampagne, die den Mord an Charlie Kirk als Vorwand nutzen soll, um die Macht des Weißen Hauses zu nutzen und Trumps Kritiker und politische Gegner auszuschalten“, warnte derweil der Senator Chris Murphy. „Aber wir sind nicht machtlos. Wir können mobilisieren und organisieren. Jetzt.“
„Eklatanteste Angriffe auf die freie Presse in der Geschichte“
Auch Adam Schiff, ebenfalls demokratischer Senator, zeigte sich entsetzt. „Kimmel. Colbert. Klagen gegen die New York Times, das Wall Street Journal und 60 Minutes. Erpressung von Entschädigungen von CBS, ABC und anderen. Blockieren des Zugangs der AP zum Weißen Haus“, zählte der Demokrat auf, „Diese Regierung ist für die eklatantesten Angriffe auf die freie Presse in der amerikanischen Geschichte verantwortlich“, schrieb Schiff dazu. „Was wird vom ersten Verfassungszusatz übrig bleiben, wenn er fertig ist?“
Kritik kommt unterdessen auch aus dem rechten politischen Lager. Der ehemalige Fox-News-Moderator Tucker Carlson warf der US-Regierung ebenfalls vor, den Mord an Kirk zu nutzen, um die persönlichen Freiheiten der Amerikaner einzuschränken. „Wenn sie dir sagen können, was du sagen sollst, und dir sagen, was du denken sollst, dann gibt es nichts, was sie dir nicht antun können“, warnte Carlson nun vor Einschränkungen der Meinungsfreiheit in den USA.
„Direkt aus Orbáns und Putins Drehbüchern“
Auch Vergleiche mit Kremlchef Wladimir Putin wurden laut. „In den frühen Jahren Putins gab es auch Verbote für Comedy-Shows“, schrieb etwa der ehemalige US-Botschafter in Russland, Michael McFaul, bei X und erinnerte an die Sendung „Kukli“, die 2002 abgesetzt wurde. „Putin-Apologeten“ hätten damals von einer „geschäftlichen Entscheidung“ gesprochen.
Auch der Desinformationsforscher Pekka Kallioniemi verglich die Geschehnisse in den USA mit Russland. „Direkt aus Orbáns und Putins Drehbüchern“, kommentierte er bei X. „Trump übernimmt die US-Medien durch Zwang, und mittlerweile wissen alle großen Unternehmen, dass er sie mit juristischen Mitteln verfolgen könnte“, schrieb Kallioniemi weiter.
„Sie werden jeden verfolgen, der sie lächerlich macht“, warnte der Forscher. „Warten Sie ab, wie sie versuchen werden, auch South Park zu canceln“, fügte Kallioniemi mit Blick auf die Satire-Sendung an, die Trump zuletzt mit derben Darstellungen ins Visier genommen hatte.
Der Kremlkritiker Garri Kasparow schien diesen Vergleich zu stützen. Er signalisierte auf X Zustimmung zu einem Beitrag des TV-Moderators Chris Hayes. „Die Länder, in denen Comedians den Anführer nicht im abendlichen TV verspotten dürften, sind nicht wirklich die Länder, in denen man leben will“, hatte Hayes geschrieben. „Vertraut mir“, kommentierte Kasparow dazu. (mit dpa)