Seit Tagen äußert sich Donald Trump widersprüchlich zur amerikanischen Rolle im Krieg zwischen Israel und dem Iran. Eine Beteiligung mit Langstreckenbombern scheint inzwischen zunehmend wahrscheinlich.
Möglicher US-KriegseintrittTrump – der Getriebene im Weißen Haus


Seit Tagen äußert sich Donald Trump widersprüchlich zur amerikanischen Rolle im Krieg zwischen Israel und dem Iran.
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Gerade mal ein halbes Jahr ist es her, dass Donald Trump im Wahlkampf vollmundig versprach, alle „endlosen Kriege“ zu beenden. Schon während seiner ersten Präsidentschaft hatte der Rechtspopulist das amerikanische Engagement im Irak und in Afghanistan als „schlechteste Entscheidung aller Zeiten“ bezeichnet. Nun kündigte er an, den militärischen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine „in 24 Stunden“ zu lösen.
Krieg statt Frieden: Eskalation in Nahost und Osteuropa
Tatsächlich feuert Moskau fünf Monate nach Trumps Amtsantritt mehr Bomben und Drohnen auf die Ukraine ab als je zuvor. Die Menschen im Gazastreifen leiden unter massenhaftem Hunger und Vertreibung. Und nun steht Washington mutmaßlich vor dem Eintritt in Israels Krieg mit dem Iran. Zwar sind die Signale aus dem Weißen Haus widersprüchlich. Aber Trump hat zuletzt gewaltig aufgerüstet: Er fordert vom Regime in Teheran nicht mehr Verhandlungen, sondern eine Kapitulation. Er droht indirekt mit der Ermordung des Obersten Führers Ayatollah Chamenei (auch wenn er sie „im Augenblick“ ausschließt), und er benutzt das Wort „wir“, wenn er von israelischen Militäroperationen spricht.
Vom Deal zum Drohschlag: Trumps Iran-Politik
Keine Frage: Das Mullah-Regime mit seinen terroristischen Helfern in der Region ist eine reale Gefahr. Es darf nicht in den Besitz der Atombombe gelangen. Genau dieses Ziel verfolgte - bei allen Mängeln - das Atomabkommen, das Trump leichtfertig aufgekündigt hat. Ein neuer, besserer „Deal“ will ihm nicht gelingen. Stattdessen setzt er nun auf einen unkalkulierbaren Militärschlag an, den er lange ablehnte.
Planlosigkeit im Weißen Haus
Das Fehlen jeglicher Strategie in Washington muss jeden Beobachter beunruhigen. In den vergangenen Tagen hat Trump mal dieses, mal jenes gesagt. Die Einschätzung seiner eigene Geheimdienste, derzufolge der Iran akut nicht vor einem Durchbruch bei seinem Nuklearprogramm steht, wischt er einfach beiseite. Der gescheiterte „Dealmaker“ ist getrieben - von den Neokonservativen in den Washingtoner Denkfabriken, von seinem Haussender Fox News und vor allem von Benjamin Netanjahu.
Netanjahus Einfluss auf Trumps Kurs
Der israelische Ministerpräsident hat es in den vergangenen Monaten nicht nur im Gazakrieg trotz seiner Verstöße gegen das Völkerrecht meisterlich verstanden, Trump vor sich herzutreiben. Noch im Frühjahr hat Trump einen einseitigen israelischen Militärschlag gegen den Iran abgelehnt. Nun lobt er ihn als „exzellent“ und erwägt, amerikanische Langstreckenflugzeuge mit tonnenschweren Bomben in Marsch zu setzen, um die unterirdische nukleare Anreicherungsanlage Fordo zu zerstören.
Ein Angriff mit unabsehbaren Folgen
Ziel und Folgen eines möglichen Kriegseintritts sind völlig unklar. Was wie eine chirurgische Operation zur Beendigung des Atomprogramms klingt, wird nicht begrenzt bleiben. Die Mullahs würden den Angriff auf das Herzstück ihrer Verteidigungsstrategie und ihres nationalen Selbstbewusstseins sicher nicht unvergolten lassen. Die Reaktionen könnten von einer Sperrung der Schifffahrts-Straße von Hormus mit dramatischen Folgen für den Welthandel bis zu Terroranschlägen in der ganzen Welt reichen. Derweil verfolgt Israel längst viel weitreichendere Ziele: Ganz offen strebt Netanjahu einen „regime change“, ein Auswechseln der revolutionär-schiitischen Regierung in Teheran, an.
Geopolitische Gewinner: Russland und China
Es drohen ein langwieriger Krieg, gewaltige Flüchtlingsströme Richtung Europa und ein Flächenbrand im Nahen Osten. Die Profiteure heißen Russland und China. Schon jetzt wird der Ukraine-Konflikt in den Hintergrund gedrängt. Der US-Senat hat die Verabschiedung möglicher Sanktionen gegen Russland erst einmal vertagt. Auch ein steigender Ölpreis hilft Moskau. Derweil kann Peking die Entwicklung beruhigt aus der Ferne verfolgen: Mit einer Konfrontation im Iran verlöre Trump seinen eigentlichen Hauptrivalen notgedrungen aus den Augen.
Das alles sind extrem besorgniserregende Aussichten. Es wäre einem deutlich wohler, wenn man zumindest den Eindruck hätte, dass der mächtigste Mann der Welt einen Plan hätte. Doch der ließ für seine Wähler am Mittwoch erst einmal zwei riesige amerikanische Fahnen vor dem Weißen Haus aufstellen. „America First“ halt - wenn auch als Farce.