Krefelder FirmaWarren Buffett zahlte 800 Millionen – wegen gefälschter Unterlagen?

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Der Hauptsitz und die Produktionsstätte des Präzisionsrohrherstellers Walter Schulz GmbH in Krefeld

Der Hauptsitz und die Produktionsstätte des Präzisionsrohrherstellers Walter Schulz GmbH in Krefeld

  • Eine Tochtergesellschaft der Buffett-Holding hat den niederrheinischen Röhrenspezialisten im Februar 2017 für 800 Millionen Euro erworben.
  • Inzwischen besteht der Verdacht, dass die Verkäufer um die regionale Wirtschaftsgröße Wolfgang Schulz die Umsatzzahlen für den Verkauf massiv geschönt haben.
  • Schon einen Monat nach dem Erwerb waren erste Zweifel an der geschäftlichen Seriosität der Verkäufer aufgetaucht.
  • Der Grund: Ein anonymer Firmeninsider.

Köln/Krefeld – Der US-Star-Investor Warren Buffett gilt als einer der reichsten Menschen der Erde. Seine Holding Berkshire Hathaway verfügt über Barreserven von 137 Milliarden US-Dollar und hält Anteile an über 90 Konzernen wie Amazon oder Coca-Cola. Der ausgebuffte Geschäftsmann ist berühmt dafür, meist das richtige Gespür für seine Anlagen zu haben. In einem Fall allerdings scheint seine Manager der richtige Riecher verlassen zu haben – und dieser Fall spielt in Krefeld.

Es geht um die Übernahme mehrerer Gesellschaften der Krefelder Unternehmensgruppe Schulz. Der US-Konzern Precision Castparts Corporation (PCC), Tochtergesellschaft der Buffett-Holding, hatte den niederrheinischen Röhrenspezialisten im Februar 2017 für 800 Millionen Euro erworben. Inzwischen besteht der Verdacht, dass die Verkäufer um die regionale Wirtschaftsgröße Wolfgang Schulz die Leute von Warren Buffett hereingelegt haben könnten. So sollen etwa Manager der Schulz-Gruppe die Umsatzzahlen für den Verkauf massiv geschönt haben.

Der Verdacht: Betrug im besonders schweren Fall, Urkunden- und Bilanzfälschung

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf durchsuchte am 26. Februar 2019 Büro- und Privaträume bei Schulz. Ermittelt wird neben dem Firmenpatriarchen gegen sieben weitere ehemalige Unternehmenslenker. Der Verdacht „des Betruges im besonders schweren Fall sowie der Urkunden- und Bilanzfälschung“ steht nach Angaben des Oberstaatsanwalts Ralf Möllmann im Raum. Zudem gehe es um den Verdacht „der Umsatzmanipulationen und daraus resultierende Falschangaben gegenüber einer Bank“, sagte Möllmann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

US-Investor Warren Buffett

US-Investor Warren Buffett

Nach Recherchen dieser Zeitung sollen laut Strafverfolgern über Schulz-Gesellschaften fingierte Umsätze in Höhe von gut 200 Millionen Euro in die Bücher eingestellt worden sein. Im Übrigen sollen firmenintern Gelder verschoben worden sein, um „angebliche Umsätze vorzutäuschen“. Auch soll „eine erhebliche Liquiditätskrise der Wilhelm Schulz GmbH verschwiegen worden sein“ – so heißt es in den Ermittlungsakten.

Firmenwerte künstlich nach oben getrieben

Dadurch wurden die Firmenwerte künstlich nach oben getrieben. Der Gewinn (EBITDA) vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen soll laut Staatsanwaltschaft für die Unternehmen weit über dem tatsächlichen Wert gelegen haben. Die EBITDA-Zahlen bildeten letztlich die Basis für den Kaufpreis, der – mit dem Faktor 9,1 multipliziert – rund 800 Millionen Euro betrug. Auf Anfrage weisen die Beschuldigten die Thesen der Ermittler zurück. Auch die Verschleierung einer Liquiditätskrise sei unzutreffend, betonte ein Sprecher der Verkäuferseite. Zum Thema vorgetäuschte Umsätze wollte man sich nicht äußern.

Die Betrugsaffäre zieht ihre Kreise weit über Krefeld hinaus, auch weil Wolfgang Schulz als Mäzen und Ex-Gesellschafter des Drittliga-Fußballklubs KFC-Uerdingen sowie des klammen Eishockey-Erstligisten Krefelder Penguins immer wieder für Schlagzeilen sorgte.

Selbst die „New York Times“ berichtete

Selbst die „New York Times“ berichtete. So etwa über das Urteil des Schiedsgerichts New York nach einer Klage des Käufers und Buffett-Unternehmens Precision Castparts Corporation (PCC) vom 9. April 2020 . Die Richter sprachen laut „Handelsblatt“ von einem „allumfassenden Betrug“. Die Kläger seien systematisch in die Irre geführt worden, so der Schiedsspruch. Vom Kaufpreis sollten PCC 643 Millionen Euro zurückerstattet werden.

Die Gegenseite um Wolfgang Schulz bestreitet die Betrugsvorwürfe und ist in Berufung vor ein Bundesgericht gegangen. Man sei vom Ausgang des Schiedsverfahrens enttäuscht und halte die Entscheidung für falsch, sagte ein Sprecher des Krefelder Unternehmers. „Wir sind zuversichtlich, dass sich nachweisen lässt, dass PCC durch den Kauf des Unternehmens kein Schaden entstanden ist. Seit dem Erwerb trifft PCC die unternehmerischen Entscheidungen und trägt als Eigentümerin die alleinige Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens“, hieß es.

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Nach wie vor vertrete man die Auffassung, „dass das Schiedsgericht seine Entscheidung unter Missachtung des Rechts des Staates Delaware erlassen hat, welches dem Unternehmenskaufvertrag zugrunde liegt. Wir sind zuversichtlich, dass sich das Bundesgericht unserer im Detail dargelegten Rechtsauffassung anschließen wird.“

Prüfer stießen auf 47 Scheinaufträge

Die Ergebnisse einer umfassenden Untersuchung durch den Käufer PCC widersprechen dieser Ansicht. Beauftragte Prüfer stießen bei ihrer Analyse der gekauften Schulz-Unternehmen auf 47 Scheinaufträge. Insbesondere fanden sie kompromittierende Mails der Geschäftsleitung rund um Schulz.

Den Erkenntnissen zufolge beginnt die Geschichte im Jahr 2016. Die Schulz-Gruppe steht den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft zufolge finanziell teils auf wackeligen Füßen. Demnach drücken allein bei der Commerzbank 325 Millionen Euro Schulden. In jener Zeit bittet Firmenchef Schulz um einen Zahlungsaufschub der Kreditraten. Nervös geworden, fordern die Banker ein Gutachten zur Konzernsituation. Anwalt Andreas Ringstmeier, Experte für Firmenpleiten, empfiehlt am 4. Juli 2016 den Gang zum Insolvenzrichter. Erst als die Commerzbank mit Schulz eine neue Darlehensvereinbarung schließt, nimmt der Jurist sein Votum zurück.

Deutsche Investmentbank machte Kauf der Schulz-Gesellschaften schmackhaft

Die Firmen-Gruppe scheint zunächst gerettet. Zumal in jener Zeit Hilfe naht. Eine deutsche Investmentbank macht der US-Buffett-Tochter PCC den Kauf der Schulz-Gesellschaften schmackhaft. Die Gewinnspannen seien enorm, hieß es. Von den Finanzproblemen ist nichts bekannt. Die Buffett-Investoren springen darauf an. Die Commerzbank garantiert mit Blick auf den Deal dem Krefelder Firmenchef Schulz weitere finanzielle Unterstützung.

Im Herbst dann beginnt eine hektische Phase. Der Kaufinteressent will die Umsatzzahlen sehen. Am 14. September 2016, geht den Ermittlungen zufolge die Order an einen Buchhalter der Schulz-Gruppe raus, „alles stehen und liegen zu lassen, um Aufträge für Auftragsbestätigungen zu machen“. Fortan seien Luft-Aufträge und Scheinrechnungen zu Dutzenden produziert worden; die mutmaßlichen Fälscher sollen das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop benutzt haben, um Papiere zu verändern. Am 22. September habe ein IT-Spezialist um Hilfe bei den Unterschriften gebeten, diese würden ansonsten alle gleich aussehen.

Scheinfirmen in Singapur gegründet, um weitere Fake-Umsätze zu generieren?

Mitunter herrscht Not an einer brauchbaren Grundlage für die gefälschten Aufträge. Per Mail fordern Schulz-Manager „Original-PDFs der Bestellungen und keine gescannten Kopien“ an, „denn die alten sind schon zu oft benutzt worden“, so steht es in der Strafanzeige der Buffett-Firma. Auch sollen Scheinfirmen in Singapur gegründet worden sein, um weitere Fake-Umsätze zu generieren.

Als PCC während der Verkaufsverhandlungen Einblick in die Bücher nehmen will, fällt vom 13. Oktober an fünf Tage lang das Infor-Buchhaltungssystem aus. PCC-Firmenprüfer hegen später den Verdacht, dass in dieser Zeit vor allem fingierte Auftragseingänge zurückdatiert wurden.

Am 22. Oktober 2016 erfolgt in der Schulz-Gruppe laut Anzeige die Order, für einige Umsätze die passenden Kunden zu finden. Auch fehlten noch Aufträge für Oktober bis Dezember, die so zu erfassen seien, „dass man sie im Artikelkonto und den Listen nicht sieht, aber natürlich im System.“ Die gefälschten Eingänge werden demnach in einer speziellen Excel-Tabelle angelegt. Ein Mitarbeiter der Schulz GmbH bittet denn auch die Buchhaltung nochmals drüber zu schauen, dann könne er anderntags mit Photoshop weitermachen.

Die Firmenleitung der Verkäuferseite, so heißt es, fordert Anfang 2017 drei Rechnungen an, „die so aussehen sollten, als kämen sie aus dem eigenen System“. Schließlich bittet ein Manager per Mail vom 15. Februar 2017 um eine Rechnung, die nicht gebucht werden und nicht über das System laufen solle.

Commerzbank profitierte erheblich von dem Deal

Zwei Tage später geht der Verkauf der Schulz-Gesellschaften über die Bühne. Allein die Commerzbank als größter Kreditgeber profitiert erheblich von dem Deal. Gut 360 Millionen Euro streicht das Geldinstitut ein. Knapp 280 Millionen bleiben bei Wolfgang Schulz und seiner verbliebenen Firmengruppe hängen. Der Rest landet auf einem Treuhand-Konto.

Schon einen Monat nach dem Erwerb tauchen erste Zweifel an der geschäftlichen Seriosität der Verkäufer auf. Ein anonymer Firmeninsider von der Schulz-Seite informiert den Käufer PCC per Mail über ein „kleines Team, das seit vergangenen Oktober fingierte Aufträge in das Infor-Buchungssystem einspeist, um die Bestellwerte zu erhöhen und das Unternehmen weitaus besser aussehen zu lassen, als es ist“.

Der Tippgeber spricht von einem „kriminellen Akt“. Ferner nennt er die Namen der Strippenzieher, die hinter den vorgetäuschten Umsätzen stehen sollen. „Derzeit sind diese Leute dabei, ihre Spuren zu verwischen und löschen alles.“ Auch hätten sie neue Computer erhalten, „aber es finden sich noch genug Beweise über ihr Handeln in den Aufzeichnungen“. Er sollte Recht behalten.

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