Krieg in der UkraineDer perfide Informationskrieg um die schwer umkämpfte Stadt Bachmut

Lesezeit 4 Minuten
Ukrainische Soldaten feuern eine Panzerhaubitze auf russische Stellungen in der Nähe von Bachmut.

Ukrainische Soldaten feuern eine Panzerhaubitze auf russische Stellungen in der Nähe von Bachmut.

Der Kampf um Bachmut ist auch ein Kampf um die Deutungshoheit. Mittendrin: Wagner-Boss Prigoschin und seine Söldner.

Die russische Söldnertruppe Wagner versucht seit Monaten, Bachmut in der Ostukraine zu erobern. Tausende Russen sind ums Leben gekommen.  Doch hätte man der russischen Söldnertruppe Wagner Glauben geschenkt, wäre Bachmut schon vor Monaten gefallen.

Schon früh verbreitete die Privatarmee auf Telegram, der Sturm auf Bachmut stehe kurz bevor, die Stadt würde bald fallen. Doch dazu sollte es auch Wochen später noch nicht kommen. Die Vorstöße betrafen meist nur wenige Hundert Meter am Tag und hin und wieder eroberten die russischen Söldner ein Dorf, dessen Bewohner schon vor geraumer Zeit auf Anraten der ukrainischen Armee die Flucht ergriffen hatten.

Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Informationskrieg und zu kaum einem anderen Zeitpunkt wird dies so deutlich wie bei den Kämpfen um Bachmut. Diese gezielte Desinformation der Russen ist weitaus mehr als Propaganda. Es ist der Versuch, den ukrainischen Soldaten glaubhaft zu machen, Bachmut sei verloren und sie sollten schnell die Flucht ergreifen.

Eines der jüngsten Videos von Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin in den sozialen Netzwerken macht dies deutlich, erklärt Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer. „Als Kommandant der gegnerischen Truppen zeigt er sich im Video mitten in Bachmut an sehr prominenter Stelle, neben ihm stehen Kriegsgefangene, ganz junge und ganz alte“, so Reisner im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

och es gibt Hinweise, dass dieses Video nicht in Bachmut, sondern einem mehrere Kilometer entfernten Dorf aufgenommen wurde. Prigoschin versuche die Botschaft zu verbreiten, es habe keinen Sinn mehr, um Bachmut zu kämpfen, das Zentrum sei bereits eingenommen und Soldaten gefangen genommen.

Russiche Videos erwecken Eindruck der Eroberung – Ukraine dementiert

Ein ähnliches Vorgehen von ukrainischer Seite war im September vergangenen Jahres sehr erfolgreich: Damals hatten die russischen Truppen panikartig die Flucht ergriffen, weil sie gehört hatten, dass den Ukrainern ein überraschend schneller Vorstoß geglückt sein soll. Doch in Bachmut lassen sich die ukrainischen Streitkräfte von den russischen Videos nicht in die Flucht schlagen.

Ein ukrainischer Soldat sitzt in einem Graben in der Nähe russischer Stellungen bei Bachmut.

Ein ukrainischer Soldat sitzt in einem Graben in der Nähe russischer Stellungen bei Bachmut.

Es gibt noch weitere Videos, die von der Wagner-Gruppe verbreitet werden und dem RND vorliegen, die zeigen, wie russische Soldaten mit Autos durch die Außenbezirke im Norden von Bachmut fahren. „Dies soll den Eindruck vermitteln, Bachmut sei bereits vollständig unter russischer Kontrolle und man könne ohne Angst vor Beschuss mit dem Auto durch die Stadt fahren“, erklärt Reisner.

Die ukrainische Armee versucht dagegenzuhalten. Serhii Cherevatyi vom östlichen Truppenverband der ukrainischen Streitkräfte sagte im Interview mit CNN, die Kämpfe in Bachmut fänden eher am Stadtrand statt und die Stadt selbst werde von den ukrainischen Verteidigern kontrolliert. „Es gibt auch keinen Massenabzug der ukrainischen Truppen“, fügte er hinzu.

Rückzug wäre gefährlich für flüchtende Soldaten

Militärexperten, wie den Gardekommandanten Reisner, überrascht das nicht. „Die Russen würden sich dann nicht mehr langsam vortasten und jeden Moment einen Gegenangriff oder Hinterhalt fürchten müssen.“ Bei einem angekündigten Rückzug der ukrainischen Streitkräfte würde die russische Armee seiner Einschätzung nach versuchen, diesen Rückzug zu stören, zu zerschlagen und Soldaten gefangenzunehmen.

Seit Wochen hatten die Russen immer wieder gedroht, Bachmut sei bald eingekesselt. Die Analysten des Institute for the Study of War (ISW) gehen nun aber davon aus, dass ihnen dies „in absehbarer Zeit nicht gelingen wird“. Sie erklären: „Die russischen Vorstöße in Bachmut waren langsam und deuten nicht darauf hin, dass die russischen Streitkräfte in der Lage sein werden, Bachmut bald einzukreisen, geschweige denn, dass sie in der Lage sein werden, die Stadt durch Frontalangriffe einzunehmen.“

Im Informationskrieg um Bachmut beobachtet Oberst Reisner die typischen Narrative auf russischer Seite: „Da ist vom großen Vaterländischen Krieg die Rede, in dem man nur lange genug durchhalten müsse, und davon, dass der Kampf längst gewonnen wäre, wenn der Westen sich nicht gegen Russland verbündet hätte.“

Nach dem Fall von Bachmut wird der Informationskrieg weitergehen, glaubt Reisner. Beide Seiten werden dann versuchen, die Kämpfe gegenüber ihrer Bevölkerung als Erfolg darzustellen.

„Die ukrainische Seite sagt schon länger, dass die Russen immer wieder neue Kräfte nach Bachmut geschickt haben und sie Russland durch die Verteidigung der Stadt schwere Verluste zufügen konnte“, sagt Reisner. Die Russen würden genau das Gegenteil behaupten und sagen, dass sie den Ukrainern empfindliche Verluste zufügen konnten. Tatsächlich sind die Verluste aber auf beiden Seiten sehr hoch, erklärt der Experte.

KStA abonnieren