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Gipfel mit KonfliktpotenzialKrieg, Zollstreit und Trump – Schwere Bedingungen für G7 in Kanada

Lesezeit 4 Minuten
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht beim Pressestatement vor dem beim G7-Gipfel in der Pomeroy Kananaskis Mountain Lodge.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht beim Pressestatement vor dem beim G7-Gipfel in der Pomeroy Kananaskis Mountain Lodge.

Mit der kriegerischen Eskalation im Nahen Osten hat sich beim G7 Gipfel in Kanada ein weiteres unlösbares Thema auf die Agenda geschoben. Der Gipfel, der am Montag begonnen hat, könnte noch mehr Überraschungen bereithalten.

US-Präsident Donald Trump war als letzter G7-Teilnehmer in den Rocky Mountains gelandet. Während der Amerikaner sein Zimmer bezog, saßen Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Regierungschef Keir Starmer und seine italienische Amtskollegin Giorgia Meloni schon an der Bar und sprachen über Zölle, die Ukraine und die Eskalation im Nahen Osten.

Das G7 Logo steht beim G7-Gipfel an der Pomeroy Kananaskis Mountain Lodge.

Das G7 Logo steht beim G7-Gipfel an der Pomeroy Kananaskis Mountain Lodge.

Als wäre dieser Gipfel nicht schon kompliziert genug mit diesem amerikanischen Präsidenten, seinen Zollstreitigkeiten, seiner Abneigung gegen Klimaschutz, seiner wankelmütigen Haltung gegenüber der Ukraine und seiner Demontage der amerikanischen Demokratie, greift drei Tage vorher Israel die iranischen Atomanlagen an.

Mehr Sanktionen gegen inhumanes Vorgehen von Israel

Dies stellt die sieben großen Industrienationen vor eine weitere Herausforderung: Anders als bei den Amerikanern und den Deutschen gab es schon vor dem Angriff in der EU das Bestreben nach mehr Sanktionen gegen Israel wegen des inhumanen Vorgehens des israelischen Militärs in Gaza. Nach dem Abend an der Bar versicherte Merz, die Europäer gingen in den wesentlichen Fragen mit einer übereinstimmenden Auffassung in den Gipfel.

Die beiden Kriegsthemen, Ukraine und Israel, sollten am späten Montagabend auf den Tisch kommen - zu mitteleuropäischer Zeit sind das die frühen Morgenstunden des Dienstags. Der Zeitunterschied beträgt acht Stunden. Eröffnet wurde der Gipfel vom kanadischen Gastgeber Mark Karney mit einem Gespräch zur Lage der Weltwirtschaft. Anschließend bekamen erst Trump dann Merz das Wort, für den es der erste internationale Gipfel als Bundeskanzler ist.

Kein gemeinsames Abschlusspapier – Kommuniqués zu sieben Themen

Trotz eines klaren Zeitplans der kanadischen Gastgeber war aber unklar, ob sich durch die Eskalation im Nahen Osten und auch durch die Unberechenbarkeit des amerikanischen Präsidenten nicht doch eine andere Dynamik während des G7–Treffens ergeben wird. Würde Trump bis zum Schluss bleiben? Welchen der Kommuiqués zu Sachfragen wird er seine Zustimmung geben?

Statt eines umfassenden gemeinsamen Abschlusspapiers, wie dies bei früheren G7-Treffen üblich war, hat die kanadische Präsidentschaft sieben Themen vorbereitet, zu denen es Kommuniqués geben soll - unter anderem zu seltenen Rohstoffen, Künstlicher Intelligenz und Waldbränden (Klimaschutz). Ob sie zustande kommen, galt am ersten Gipfeltag noch als offen.

Zudem sollte der Versuch unternommen werden, zur Eskalation im Nahen Osten eine gemeinsame Position zu finden. Die Europäer, das sagte Merz in einem Statement kurz vor den Beratungen, wollen dazu einen Versuch unternehmen. Klar müsse sein, dass der Iran keine Atombombe haben darf und dass Israel das Recht auf Selbstverteidigung habe. Geht es nach den Europäern bei diesem Gipfel, dann soll in einer gemeinsamen Erklärung auch der Weg für diplomatische Lösungen im Nahen Osten gewiesen werden.

Wolodymyr Selenskyj wird am Dienstag erwartet

Die Kulisse für das Treffen der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen ist eigentlich dafür gemacht, Dinge neu zu denken und Lösungen für Konflikte zu finden. Das Konferenzhotel Pomeroy Kananaskis Mountain Lodge liegt malerisch in den Ausläufern der Rocky Mountains. Die nächstgrößere Stadt Calgary ist eine Autostunde entfernt und dient Touristen aus aller Welt als Startpunkt für Reisen in die großen Naturschutzgebiete und Wildparks der Provinz Alberta.

Am Dienstag wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu dem Treffen erwartet. Ziel der sechs anderen ist es, Trump im Spiel zu halten, wenn es um die militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine geht. Er soll auch dafür gewonnen werden, durch Sanktionen mehr Druck auf Russlands Machthaber Wladimir Putin auszuüben. Die EU-Kommission bereitet derzeit ein 18. Sanktionspaket vor. Wirklich Schlagkraft kann es aber nur entfalten, wenn auch der US-Senat seine Initiative für weitere Sanktionen umsetzt. Dafür wiederum wäre ein Signal von Trump notwendig.

Trumps angedrohte EU-Strafzölle auch Thema

Ein Zeichen der „Stärke und Geschlossenheit“ gegenüber Russland durch die G7 ist aus Sicht von Bundeskanzler Merz auch als Grundlage für den Nato-Gipfel Ende Juni wichtig. Offen ist, ob das was mit Trump besprochen werden kann, auch Gültigkeit behält. Mit Sorge erinnert man sich an 2018, als Trump in seiner ersten Amtszeit sich nach früher Abreise vom Gipfel via sozialem Nachrichtendienst Twitter (heute X) von den gefassten Beschlüssen distanzierte.

Die Europäer möchten mit Trump auch in eigener Sache sprechen: Bis zum 9. Juli läuft die Frist für die von Trump angedrohten Strafzölle gegen die EU. Kananaskis gilt als gute Gelegenheit, einen Schritt für eine gemeinsame Lösung voranzukommen. Die Europäer werden argumentieren, dass es angesichts der dramatischen Weltlage nicht hilfreich ist, wenn sich die G7 auch noch wirtschaftlich gegenseitig das Leben schwer machen. Bei diesem Thema hat die Chefin der EU-Kommission Ursula von Leyen den Hut auf, die auch am Gipfel teilnimmt. Ob es eine Verständigung zu den europäischen Exportüberschüssen und einem angemessenen Zoll geben wird, auch das gehört zu den spannenden Fragen bis Dienstagabend.