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„Kannste dir nicht ausdenken“Linke hilft Merz aus der Renten-Patsche – Häme für den Kanzler

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Linken-Chefin Heidi Reichinnek hat eine Enthaltung der Linken-Fraktion bei der Abstimmung über das Rentenpaket angekündigt. (Archivbild)

Linken-Chefin Heidi Reichinnek hat eine Enthaltung der Linken-Fraktion bei der Abstimmung über das Rentenpaket angekündigt. (Archivbild)

Die Union bekommt im Kampf um das umstrittene Rentenpaket Hilfe von einer Seite, auf die sie eigentlich nicht angewiesen sein will.

Die Linken-Fraktion hat sich auf eine Enthaltung bei der Bundestagsabstimmung über das umstrittene Rentenpaket festgelegt und damit die Verabschiedung des Gesetzes mit den Stimmen der Koalition erheblich erleichtert.

Sollten sich tatsächlich alle 64 Linke-Abgeordneten enthalten, würde die erforderliche Mehrheit bei Anwesenheit aller anderen Abgeordneten auf 284 Stimmen schrumpfen. Die Koalition hat 328 Stimmen und hätte damit einen komfortablen Puffer von 44 Stimmen. Bei der für Freitag geplanten Abstimmung dürfte dann aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mehr schiefgehen.

Rentenpaket: Brisante Hilfestellung der Linken für die Union

Der Grund dafür ist, dass die Enthaltungen bei der Berechnung einer einfachen Mehrheit im Bundestag nicht mitgezählt werden. Es werden also nur die Ja-Stimmen gegen die Nein-Stimmen aufgerechnet. Die SPD-Fraktionsführung geht von einer geschlossenen Zustimmung der 120 sozialdemokratischen Abgeordneten aus. In der Fraktionssitzung der Union hatte es bei einer Testabstimmung am Dienstag zehn bis 20 Gegenstimmen und etwa eine Handvoll Enthaltungen gegeben. Die wären aber bei einer Enthaltung der Linken zu verkraften.

Für die Union ist die Hilfestellung der Linken durchaus brisant. Die CDU hat eine koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der Partei 2018 mit einem Parteitagsbeschluss ausgeschlossen. Bei der letzten Abstimmungskrise der schwarz-roten Koalition im Sommer – bei der Wahl neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht – hatte sich die Union geweigert, Gespräche mit der Linken über die Sicherung der notwendigen Zweidrittelmehrheit zu führen.

Heidi Reichinnek: „An uns wird es somit nicht scheitern“

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek begründete die geplante Enthaltung ihrer Fraktion bei der Rente in einer schriftlichen Mitteilung. „Wir werden nicht akzeptieren, dass das Rentenniveau noch weiter gedrückt wird, und haben uns als Fraktion deshalb entschlossen, uns bei der voraussichtlich am Freitag anstehenden Abstimmung zum Rentenpaket der Regierung zu enthalten“, erklärte sie. „An uns wird es somit nicht scheitern, dass das Rentenniveau stabilisiert wird.“

Der Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sieht ein Rentenniveau – also das Verhältnis der gesetzlichen Rente eines Standardrentners mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsverdienst aller Erwerbstätigen – von 48 Prozent bis 2031 vor, was in der Koalition unstrittig ist. Außerdem ist aber vorgesehen, dass das Rentenniveau auch ab 2032 höher liegt als ohne dieses Gesetz. Diesen Punkt lehnen die jungen Unionsabgeordneten ab, weil es ihrer Überzeugung nach inakzeptable Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen würde.

Kanzler Merz warnt: „Alles andere führt ins Elend“

Bundeskanzler Friedrich Merz und Fraktionschef Jens Spahn (beide CDU) kämpfen in der Unionsfraktion derzeit um jede Stimme für das Rentenpaket. Merz warnte am Dienstag in der Fraktionssitzung davor, dass das Scheitern der Abstimmung zu einer Destabilisierung Deutschlands und Europas führen könnte. „Ich akzeptiere hier, in unserem Kreis, jede Nein-Stimme und jeden Zweifel. Aber da unten (im Plenum des Bundestags) brauchen wir eine stabile politische Mehrheit. Alles andere führt uns ins Elend“, sagte er nach Angaben aus seinem Umfeld.

Die Fraktionsführung hatte den Abgeordneten, die mit Nein stimmen oder sich enthalten wollen, eine Frist bis heute um 12.00 Uhr gesetzt, dies zu melden. Die Zahl der Abweichler wurde anschließend aber nicht bekanntgegeben. „Es handelt sich um ein internes Verfahren, aus dem keine Zwischenstände kommuniziert werden“, sagte eine Fraktionssprecherin dazu. Die Unionsspitze geht davon aus, dass ein Großteil der bis zu 20 Gegenstimmen vom Dienstag lediglich als Zeichen des Unmuts zu werten ist, aber noch nichts über das tatsächliche Abstimmungsverhalten aussagt.

Hilfe der Linken sorgt für Häme bei der Opposition

Die unerwartete Hilfe der Linken im Ringen um das Rentenpaket sorgt bei der Opposition unterdessen für Häme in Richtung der Union. „Die Linke sichert Merz die Macht. Kannste dir nicht ausdenken“, kommentierte etwa der FDP-Vorsitzende Christian Dürr auf der Plattform X. Andere Liberale erinnerten derweil daran, dass Merz nach seiner Wahl erklärt hatte: „Links ist vorbei“. Spott gab es deshalb auch vom Landesvorsitzenden der FDP in Nordrhein-Westfalen, Henning Höne. „Heidi Reichinnek rettet das Rentenpaket. Aber klar: Links ist vorbei“ schrieb Höne bei X und fügte ein Tränen lachendes Emoji hinzu. 

Auch von den Grünen musste die Union sich kritische Worte gefallen lassen. „Der wochenlange Dauerstreit und die Hängepartie in der Koalition zur Rente sind eine Zumutung für Bürgerinnen und Bürger im Land“ schrieb die Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Britta Haßelmann bei X. 

„Nun muss sich der Kanzler also von den Linken helfen lassen“

Es werde immer offensichtlicher, dass Merz keine sichere eigene Mehrheit mit Union und SPD hat, führte sie aus. „Nun muss sich der Kanzler also von den Linken helfen lassen, um ein Gesetz durchzukriegen, gegen das seine eigenen Leute meutern“, hieß es weiter. „Ein Kanzler braucht aber eine stabile, eigene Mehrheit – sonst gibt es keine stabile Regierung“, fügte Haßelmann hinzu.

Grünen-Politikerin Ricarda Lang meldete sich kurz darauf ebenfalls zu Wort. „Wir werden dieses Rentenpaket anders als die Linke ablehnen. Wir sind nicht die Mehrheitsbeschaffer für Friedrich Merz, wenn er es alleine nicht hinbekommt. Dieses betreute Regieren führt nur zu dauerhaftem Chaos und Instabilität“, schrieb Lang bei X. 

„Auch inhaltlich spricht vieles dagegen: die Stabilisierung des Rentenniveaus ist zwar richtig, aber es fehlen wichtige Maßnahmen, das Paket ist nicht generationengerecht und die Mütterrente kostet viel Geld, aber kommt gerade bei den Frauen, die sie wirklich brauchen, nicht an“, fügte die Grüne hinzu. 

Union: „Wir wollen eine eigene Mehrheit sicherstellen“

Die AfD meldet sich ebenfalls zu Wort. „Der Entschließungsantrag zur gesichtswahrenden Renten-Zustimmung für die Junge Gruppe ist überraschend gekippt. Man braucht also deren Stimmen nicht mehr. Und ebenso überraschend erklären dann auch prompt die SED-Nachfolger: sie garantieren die Mehrheit durch Enthaltung“, schrieb AfD-Politikerin Beatrix von Storch bei X und deutete an, dass Linken-Chefin Reichinnek „Merz nicht für lau“ retten würde. „Merz regiert mit SPD und Linkspartei“, erklärte von Storch und fügte hinzu: „Merz. Hat. Fertig.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger, wies die Hilfe der Linken und somit auch die Kritik daran am Ende unterdessen zurück. „Wir wollen eine eigene Mehrheit sicherstellen und verlassen uns nicht darauf, was die Opposition tut oder nicht tut“, kommentierte Bilger das Manöver der Linken gegenüber dem Nachrichtenportal t-online. (das/dpa)